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ANBAU/180: Neue Perspektiven - Streuobstkonferenz im Netz (naturmagazin)


naturmagazin
Berlin - Brandenburg
Ausgabe 3/2021

Neue Perspektiven
Streuobstkonferenz im Netz

von Christof Ehrentraut


Dass in Pandemie-Zeiten vieles nur online geschieht, daran haben wir uns gewöhnt. So auch die 5. Streuobst-Konferenz der Kompetenzstelle für Brandenburger Streuobstwiesen "Äpfel und Konsorten - Streuobstwiesen und -äcker e. V." Das war aber kein Nachteil. Podcasts, Video-Interviews und Online-Seminare standen vorn 14. bis 16. Juni 2021 auf dem Programm. Im Folgenden sollen zwei Themen der Veranstaltung kurz vorgestellt werden. Wer dann auf den Geschmack gekommen ist und mehr erfahren möchte, der findet die Tagungsinhalte in ungekürzter Form auf der Webseite von Apfel und Konsorten. Online sei Dank!

Das Image der Landwirtschaft ist gerade in Naturschutzkreisen nicht das beste, und zahlreiche Landwirte fühlen sich in ihrer Rolle als Nahrungsproduzent und Erhalter der Kulturlandschaft missverstanden. Doch wäre es unfair, den Landwirten pauschal fehlende Liebe zur Scholle zu unterstellen. Die finanziellen Rahmenbedingungen der Betriebe sind nicht einfach, verhindern oftmals ein ökologisches Wirtschaften. Dies ist der Punkt, an dem "Ackercrowd" ins Spiel kommt.

Ackercrowd - die Möglichmacher

"Ackercrowd" ist ein Zusammenschluss von Landwirt:innen, Wissenschaftler:innen und Menschen, die sich mit Betriebsentwicklung und Bildung auskennen. Gemeinsam wollen sie die Landwirtschaft durch gezielte Unterstützung der landwirtschaftlichen Betriebe umgestalten. Mit Selina Tenzer und Frank Nadler von Ackercrowd unterhielt sich Nadine Sauerzapfe (Äpfel und Konsorten) im Rahmen der 5. Streuobsttagung in einem Podcast.

Landwirt:innen sollen perspektivisch die "Superheld:innen der Landwirtschaft" werden. Sie sollen qualitativ hochwertige Lebensmittel erzeugen, zugleich aber auch etwas Gutes für den Boden und die Artenvielfalt tun. Der Wert ihrer Arbeit soll sich künftig weniger am Ertrag, als vielmehr an der Summe der von ihnen erbrachten Ökosystemdienstleistungen messen lassen. Schließlich sei ein gesunder Boden auch eine wichtige Grundlage zum Klimaschutz, so Selina Tenzer.

Die Einstiegshürden zum regenerativen Wirtschaften seien für viele Betriebe derzeit aber zu hoch, so ihr Kollege Frank Nadler. Ein ökologisches Grundeinkommen könne finanzielle Spielräume eröffnen und den Einstieg leichter machen. Neben der Vermittlung von Wissen steht daher vor allem die standortangepasste Beratung. Erst wenn die Planung fix ist, geht es an die Finanzierung, oftmals über Crowdfunding. Bei der Suche nach Unterstützer:innen gehe es aber nicht nur um den finanziellen Aspekt, sondern auch um im wahrsten Sinne anpackende Hilfe, beispielsweise beim Anlegen einer essbaren Windschutzhecke, so Tenzer. Ein erklärtes Ziel von Ackercrowd ist es, deutschlandweit ein Netz regenerativ bewirtschafteter Parzellen aufzubauen, die untereinander im engen Wissensaustausch stehen. Stichwort: "Schwarmintelligenz".

Während essbare Windschutzhecken eher niedrigschwellige Einstiegsprojekte sind, können Waldgarten- oder Agroforstsysteme nur mit langfristiger Ausrichtung und wesentlich höherer Finanzdecke realisiert werden, so Nadler. Neben Crowdfunding hat er deshalb auch Kompensationszahlungen von Unternehmen - meistens wird darunter ein CO2-Ausgleich verstanden - im Blick. Wichtig sei es, die viel zu starre Trennung von Landwirtschaft und Naturschutz aufzulösen. Auch müsse die Agrar- mit einer Ernährungswende einhergehen. Wenn dies gelänge, stünde neuen Superheld:innen nichts mehr Weg.

Projekt "Ackerbaum"

Mit Agroforst die ökologischen Probleme intensiver Landwirtschaft zu lösen, ist das Anliegen des Projekts "Ackerbaum" der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (HNE). Unter Agroforst wird der kombinierte Anbau von Gehölzen und Ackerfrüchten oder auch der Gehölzanbau in Verbindung mit einer Tierproduktion verstanden. Oder auch eine Mischung aus allen dreien. Agroforstsysteme wirken sich u.a. günstig auf die Artenvielfalt und das Mikroklima aus, sie helfen Erosion zu vermeiden, führen zu Humusaufbau und sind Kohlenstoffspeicher.

Das Projekt Ackerbaum wird von der HNE nicht zu Unrecht als Innovative Lehr- und Lernform (Ill) bezeichnet. Schließlich vereint es Lehre, Forschung und Praxis in vorbildlicher Weise. Auf der im Norden Berlins im Löwenberger Land gelegenen Projektfläche werden in alternierenden Streifen Ackerfrüchte und Baumstreifen angebaut. Letztere werden entweder zur Gewinnung von Biomasse nach drei bis zehn Jahren auf den Stock gesetzt (bodennah abgeschnitten) oder zur Stammholzproduktion über längere Zeiträume herangezogen. Trotz schwieriger Trockenzeiten (vor allem 2018/2019) und Rückschlägen, bspw. durch Wildverbiss, kann das Projekt erste Erfolge verbuchen. Die Artenvielfalt entwickelt sich günstig und auch die gepflanzten Werthölzer erweisen sich als vergleichsweise überlebensfahig. Interessierte Landwirte und Flächeneigentümer können bereits von den Erfahrungen aus dem als Langzeitfeldversuch angelegten Projekt profitieren, Entscheidungsträger die gewonnenen Erkenntnisse zur Argumentation für kommende Projekte nutzen. Vor allem aber konnten bislang rund 230 Studierende einschlägige Erfahrungen sammeln und werden ihr Wissen später ins Land tragen und damit zu einer Transformation der Landwirtschaft beitragen.


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
- Ein Streifen junger Bäume wird gepflanzt.
- JETZT HÖREN: #ImParadiesgarten, Podcast Ackercrowd
- Seit 2017 besteht das Agroforstmodellprojekt Ackerbaum. Deutlich ist hier der Wechsel von Baumreihe zu Ackerfläche zu erkennen.

LINKS
https://aepfelundkonsorten.org/seminare-videos-podcasts
www.hnee.de/ackerbaum

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Quelle:
naturmagazin, 35. Jahrgang - Nr. 3, September bis November 2021, S. 22-23
Herausgeber:
Naturschutzzentrum Ökowerk Berlin
Naturschutzbund Deutschland (NABU) e.V., Landesverband Brandenburg
NaturSchutzFonds Brandenburg, Stiftung öffentlichen Rechts
Natur+Text GmbH
Anschrift der Redaktion:
Natur+Text GmbH
Friedensallee 21, 15834 Rangsdorf
Tel.: 033708/20431, Fax: 033708/20433
E-Mail: verlag@naturundtext.de
Internet: www.naturmagazin.info
 
Das naturmagazin erscheint vierteljährlich und kostet 4,30 Euro
oder 16,50 Euro im Abonnement (4 Ausgaben).

veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick zum 7. Dezember 2021

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