BUND Landesverband Schleswig-Holstein e.V. - Kiel, 13. Januar 2016
BUND fordert mehr Anstrengungen gegen Pestizide in Gewässern
Anlässlich der heutigen Anhörung im Schleswig-Holsteinischen Landtag zu Pestizidrückständen in Gewässern fordert der BUND stärkere Anstrengungen, um die Gewässer im Norden für Mensch und Natur sauber zu halten. Insbesondere die Landwirtschaft sei mehr in die Pflicht zu nehmen.
"Die Auswertung des Umweltministeriums zeigten, dass wir insbesondere in der Geest ein echtes Problem mit dem Grundwasser haben. Aber auch die Oberflächengewässer in Schleswig-Holstein geben weiterhin Grund zur Sorge", erklärte Dr. Florian Schulz, Mitglied im BUND-Landesvorstand. "Eine unaufhaltsam wachsende Landwirtschaft, wie der heute vom BUND und der Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellte Fleischatlas illustriert, ist Teil des Problems und muss deshalb auch Teil der Lösung werden. Wenn wir weniger Pestizide in unserem Wasser und unseren Lebensmitteln wollen, dann ist der Kurs klar: Mehr Ökolandbau, konsequent kontrollierte Gewässerrandstreifen, ergebnisoffene Prüfung einer Pestizidsteuer und endlich Zulassungsverfahren, die nicht einseitig auf die Aussagen der Hersteller vertrauen", so Schulz weiter.
"Zum Schutz der Menschen und Natur ist es aber auch notwendig, dass
mehr Mittel für eine Ausweitung des Messnetzes in die Hand genommen
werden und der Zugang der Öffentlichkeit zu den Ergebnissen endlich
einfacher wird: Wir brauchen mehr Daten und mehr Transparenz", ergänzt
Tobias Langguth, Referent für Naturschutz beim BUND
Schleswig-Holstein. "Die systematische Ursachenanalyse und Forschung
an den Langzeitwirkungen von Wirkstoffen muss auch deutlich gefördert
werden - es kann nicht richtig sein, dass etwa bei der Zulassung von
Glyphosat die Gefährlichkeit nur unter künstlichen Laborbedingungen
getestet wird, aber nie unter realen Bedingungen", sagt Langguth
abschließend.
Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) Landesverband SchleswigHolstein e.V. setzt sich sowohl für Natur und Umweltschutz als auch für den Verbraucherschutz ein. Das Thema Pestizide und Chemikalien, deren Rückstände in Nahrungsketten und menschlicher Ernährung mit deren Auswirkungen auf Menschen und Ökosysteme ist seit den Katastrophen der 1970er und 1980er Jahren ein zentrales Thema vom BUND und wird auch aktuell von lokalen Gruppen und Bürgern immer wieder bei uns nachgefragt. Wir begrüßen die Erstellung eines Berichtes zu Pestizidrückständen in den Gewässern Schleswig Holsteins durch das Ministerium für Energiewende, Landwirtschaft, Umwelt und ländliche Räume (MELUR) deshalb ausdrücklich. Dieser Bericht kann als Ausgangspunkt einer fachlichen begründeten Debatte dienen.
Vorangestellt möchten wir feststellen, dass auch nach intensiver Auswertung des Berichtes und öffentlich gemachten Daten zu diesem Thema die Behandlung des Themas von Seiten des Ministeriums und der Politik als unzureichend erachtet wird. Dies betrifft sowohl die Erhebung der Daten, als auch die gezogenen Schlussfolgerungen sowie die Maßnahmen zur Reduktion der Pestizidrückstände in Gewässern.
Wie es scheint, sind als Datengrundlage nur die Messstellen des Messnetzes der Wasserrahmenrichtlinie herangezogen worden, nicht aber weitere umfangreiche Informationen zum Beispiel von Wasserversorgern oder Hausbrunnenüberwachungen. Dies erschwert die Bewertung von besonderen Schutzmaßnahmen für Wasserschutzgebiete - beziehungsweise macht diese gar unmöglich. Bei den Messintervallen ist besonders bei oberflächennah verfilterten Brunnen als auch bei der Überwachung von Oberflächengewässern zu fragen, ob diese für die Beurteilung der Situation überhaupt ausreichen. Wenn sich zum Beispiel in einem Brunnen die Werte innerhalb eines Jahr verfünffachen und im Folgejahr wieder auf ein Grundniveau sinken, dann zeigt das Durchziehen von Schadstoffwellen in unbekannter Höhe. Schließlich ist auch die fortlaufend angepasste Liste der überprüften Pestizide und Metabolite zu nennen, die die Statistiken schönt, wie im Falle von Glyphosat und AMPA, auf welches nur selten untersucht wurde, das aber mit einer hohen Frequenz in den Proben auftrat.
Wir begrüßen sehr, dass verbotene Wirkstoffe und Metabolite in immer geringeren Mengen nachgewiesen werden. Für das Grundwasser ist allerdings anzumerken, dass in keiner Weise dargelegt wurde, ob die Substanzen tatsächlich abgebaut wurden oder sich allmählich in weniger überwachte Bereiche verlagert und verdünnt haben. Für andere Substanzen, neuere Wirkstoffe und Metabolite lässt sich leider kein Trend ableiten, was auch auf die Schwächen der Messprogrammes zurückzuführen ist. Bislang lassen sich keinerlei Erfolge der Maßnahmen zur Umsetzung der europäischen Wasserrahmenrichtlinie im Bereich der Pestizideinträge nachweisen, dies gilt sowohl für Oberflächengewässer als auch (oberflächennahen) Grundwasserkörper, wo dies prinzipiell möglich wäre.
Es ist darauf hinzuweisen, dass es bei den Grenzwertüberschreitungen von Pflanzenschutzmitteln im Grundwasser versus Pflanzenschutzmittel im Oberflächenwasser ein quasi komplementäres Bild gibt von Geest mit sandigen Bereichen im Vergleich zu Ostholsteinischem Hügelland und Marsch. In anderen Worten werden die Pflanzenschutzmittel in der Geest eher ins Grundwasser ausgetragen und in Hügelland und in der Marsch migrieren sie eher in Oberflächengewässer.
Beispiel Chloridazon zeigt deutlich die Problematiken. Hackfrüchte werden nur auf weniger als 1 Prozent der Landesfläche angebaut, jedoch sind der Wirkstoff und die Metaboliten in über 30 Prozent der darauf untersuchten Proben zu finden und überschreiten teilweise den gesundheitlichen Orientierungswert (GOW). Hier wurden offensichtlich die Persistenz und Verlagerung vor dem Hintergrund der praktischen Anwendung völlig unterschätzt.
Aus dem Bericht ist leider nicht zu erkennen, welche Art der Ursachenanalyse für Grenzwertannäherungen und überschreitungen betrieben wurde. Zum Beispiel ob die Verursacherquellen ermittelt wurden, was sicher nur bei sehr oberflächennahen Messstellen oder Oberflächengewässern möglich ist. Neben Anwendungsfehlern gehen wir auch von Fehlern im Zulassungsverfahren sowie einem mangelhaften Zulassungsverfahren an sich aus. Dabei ist zu betonen, dass neben der Landwirtschaft auch die Forstwirtschaft, Kommunen und Privatanwender erheblich zu PflanzenschutzmittelBelastungen beitragen können, wie das Beispiel einer Grundwassermessstelle mitten im Sachsenwald zeigt.
Offen ist hierbei auch, inwieweit Drainagen für die PflanzenschutzmittelEintragspfade in Oberflächengewässer berücksichtigt wurden. Drainagen spielen mit Sicherheit eine erhebliche Rolle, wie systematische Untersuchungen im Zusammenhang mit den Nährstoffeinträgen in die Gewässer gezeigt haben (FZ Jülich, 2014).
Besonders im Hinblick auf die Sicherstellung einer Wasserversorgung arm an Pflanzenschutzmitteln sollte dabei bedacht werden, dass die Erwartung von Verbrauchern ist, dass schon lange vor Erreichen eines Grenzwertes die technische Infrastruktur zur Aufbereitung bereitgestellt werden muss und diese deutlich unterhalb des Grenzwertes in Betrieb gesetzt werden sollte. Letztlich muss hier der Veränderlichkeit der Pflanzenschutzmittel-Konzentrationen vorausschauend Rechnung getragen werden.
Es ist wünschenswert, alle vorhandenen Daten gezielt danach auszuwerten, welchen Beitrag Wasserschutzgebiete mit Bestimmungen zum Pestizideinsatz zum Grundwasserschutz leisten. Gegebenenfalls sind bestehende und zukünftige Wasserschutzgebietsverordnungen im Sinne des Schutzes vor Pflanzenschutzmitteln zu optimieren.
Bedeutung von Pflanzenschutzmitteln in Gewässern für die Gewässerökologie in Schleswig-Holstein
Wie kritisch der Pestizideintrag auf die Fließgewässerökosysteme und davon ausgehend auf weitere Ökosysteme wirkt, lässt sich zurzeit nicht abschätzen. Sowohl die chronischen Effekte sind bislang sehr mangelhaft untersucht als auch die prägende Wirkung von einmaligen Ereignissen - hier etwa Unfällen mit Pestiziden, die plötzlich ins Gewässer getragen werden. Die im Bericht gegebenen Hinweise der Studie des Umweltbundesamtes im Rahmen des Nationalen Aktionsplanes geraten auch hier zu einer weiteren Reduktion des Eintrages an Pflanzenschutzmitteln.
Die Situation wurde nach unserer Auffassung in vielerlei Hinsicht oberflächlich untersucht und der Analyse der Ursachen wird bislang zu wenig Beachtung geschenkt. Nachfolgend genannte Maßnahmen sind weder konsolidiert noch erschöpfend gemeint. In der Geest sind besonders die Maßnahmen zum Grundwasserschutz zu erhöhen, im Hügelland und in der Marsch ist der Schutz von Oberflächengewässern verstärkt in den Vordergrund zu rücken.
Dr. Florian Schulz
Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
Landesverband Schleswig-Holstein e.V.
Lorentzendamm 16, 24103 Kiel
Tobias Langguth
Referent für Naturschutz
tobias.langguth[at]bund-sh.de
0431/66 060 - 51
Fleischatlas 2016 (BUND und Heinrich-Böll-Stiftung):
www.bund.net/fleischatlas
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Quelle:
Presseinformation, 13.01.2016
Herausgeber: Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V.
BUND Landesverband Schleswig-Holstein
Lorentzendamm Nr. 16, 24103 Kiel
Tel.: 0431/66060-0, Fax: 0431/66060-33
E-mail: bund-sh@bund-sh.de
Internet: www.bund-sh.de
veröffentlicht im Schattenblick zum 14. Januar 2016
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