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FORSCHUNG/393: Wasserlösliche Stoffe im Visier (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Wasserlösliche Stoffe im Visier

von Benjamin Haerdle



Der Stoff Triclosan tut eigentlich manch Gutes für den Menschen: Er hemmt die Ausbreitung von Bakterien im Haushalt, hilft bei der Desinfektion von Arztpraxen oder verlängert die Haltbarkeit von Kosmetika. Über die negativen Folgen weiß der Mensch gut Bescheid, etwa dass die Chemikalie bei direktem Kontakt zur starken Reizung von Haut und Augen führen kann. Kaum untersucht ist dagegen, was beispielsweise passiert, wenn Schadstoffe wie Triclosan über Klärschlamm auf landwirtschaftlichen Flächen landen und sich dann in Pflanzen einlagern. Möglich ist das auf vielen EU-Agrarflächen, denn etwa 40 Prozent des Klärschlamms der EU werden in der Landwirtschaft ausgebracht. Im Visier des Chemieprofessors Dr. Thorsten Reemtsma vom UFZ sind deshalb vor allem jene Flächen, auf denen Gemüse angebaut wird, denn dort kommen Chemikalien aus dem Klärschlamm direkt mit Wurzel oder Blatt in Kontakt.

Untersucht hat Reemtsmas Forschungsgruppe diese Prozesse am Beispiel der Karotte. Das Ergebnis: Triclosan kann sich in der Möhre mit anderen Stoffen wie etwa Zuckern verbinden und Glykoside bilden. "Sieben derartige Metabolite haben wir in Karottenkulturen gefunden", sagt Reemtsma. Das klingt erst einmal nicht so bedenklich, sind doch Glykoside ungefährlich. Tatsächlich ist aber bislang unklar, ob sich aus den Glycosiden nach dem Verzehr der Karotten im Magen nicht wieder das schädliche Triclosan bilden kann. "Diese mögliche Belastung wurde bis lang völlig unterschätzt", sagt Reemtsma. Triclosan ist nur ein Beispiel für einen Schadstoff, für den die Analytiker des UFZ prüfen, ob er nicht später in pflanzlichen Lebensmitteln wieder gefunden werden kann. Erforscht hat Reemtsmas Department etwa die Aufnahme von Arsen in Reis. Bislang galt als gesichert, dass das giftige Halbmetall in Wurzel und Halm der Reispflanze deponiert wird. Dass das nicht generell stimmt, belegen aber immer wieder erhöhte Arsennachweise in Reiskörnern. Anhand moderner Methoden der Chromatographie und der Massenspektrometrie haben die UFZ-Forscher nun herausgefunden, dass Arsen in unterschiedlichen Formen auftritt und sich diese unterschiedlich in den Pflanzen verteilen. Wichtig sind wohl auch Ähnlichkeiten mit Pflanzennährstoffen wie Silicat, Phosphat oder Borat.

Ankurbeln will Reemtsma, der voriges Jahr vom Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin an das UFZ kam, künftig vor allem die Forschung zu wasserlöslichen Stoffen. Denn die möglichen Gefahrenquellen sind vielfältig: Ob Tierarzneimittel, die über Gülle und Mist auf Äckern verteilt werden, oder Pharmazeutika und Reststoffe von Körperpflegeprodukten, die über gereinigte Abwässer auf Obst- und Gemüseanbauflächen gelangen können - der Forschungsbedarf ist groß. "Die Mechanismen von Aufnahmen und Abbau hängen von vielen Faktoren wie Pflanzenart und Stoffeigenschaften ab und sind oft noch nicht geklärt", weiß Thorsten Reemtsma. Eine wichtige Rolle könnten seine Forschungsergebnisse vor allem in den Mittelmeerländern spielen. Weil dort in Zukunft die Wasservorräte knapper werden, dürfte bei der Bewässerung landwirtschaftlicher Flächen der Einsatz von gereinigten Abwässern stärker in den Fokus geraten. Die Suche nach wasserlöslichen Schadstoffen, die über die Bewässerung in pflanzliche Lebensmittel und schließlich in den menschlichen Körper gelangen, stand bislang nicht im Zentrum der Gesundheitsvorsorge. Für sie gibt es - anders als für Keime oder Salze - keine Qualitätsanforderungen für Bewässerungswasser. Mit der Nutzung gereinigter Abwässer für die Landwirtschaft dürften die Ansprüche an die Qualität des Wassers deutlich steigen.

Aber noch sind viele Fragen offen: Welche Stoffe können für welche Pflanzen gefährlich werden? Unter welchen Nutzungsbedingungen werden die Schadstoffe übertragen? Wie und wo verteilen sie sich in der Pflanze? Um Antworten auf diese Fragen zu finden, hat der UFZ-Analytiker nun ein Projekt mit Forschern aus Israel und Jordanien angestoßen. Denn aus seiner Sicht gebührt den wasserlöslichen Stoffen mehr Aufmerksamkeit.

UFZ-Ansprechpartner:
Prof. Dr. Thorsten Reemtsma
Leiter Dept. Analytik

e-mail: thorsten.reemtsma[at]ufz.de


Am UFZ wird untersucht, ob, wie und in welchem Maße Pflanzen Schadstoffe wie z.B. Arsen aus dem Boden über die Wurzeln aufnehmen. Die Mechanismen von Aufnahme, Verteilung und Abbau sind auch für wasserlösliche Schadstoffe wie Tierarzneimittel oder Pharmazeutika oft noch nicht geklärt. Sie hängen von vielen Faktoren wie Pflanzenart und Stoffeigenschaften ab.

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, Seite 11
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Dezember 2012