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FORSCHUNG/575: Soldatenfliegen künftig im Einsatz für den Klimaschutz? (idw)


Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN) - 12.07.2019

Soldatenfliegen künftig im Einsatz für den Klimaschutz?

Wissenschaftler am Leibniz-Institut in Dummerstorf erweitern ihr Forschungsspektrum auf Insekten


Wissenschaftler des Leibniz-Instituts für Nutztierbiologie Dummerstorf (FBN) haben ihr Nutztierspektrum um die Insekten erweitert. Es geht um die Erforschung der bis zu zwei Zentimeter großen Schwarzen Soldatenfliege und ihrer eiweißreichen Larven als alternative hochwertige Eiweißquelle.

Der durch die wachsende Weltbevölkerung steigende Bedarf an Futter- und Lebensmitteln steht im Zielkonflikt mit der notwendigen Begrenzung des Klimawandels. Dies stellt wachsende Anforderungen an die nachhaltige Produktion von Futter- und Lebensmitteln. Insekten könnten hier eine wichtige Rolle spielen, da sie in der Lage sind, nicht für den Menschen nutzbare Reststoffe und Abfälle zu verwerten. Dadurch könnten organische Abfälle reduziert werden und gleichzeitig hochwertiges Eiweiß für Tierfutter hergestellt werden.

Europäische "Eiweißlücke" aus eigenen Ressourcen schließen

In einem schwülwarmen, klimatisierten Raum mit spezieller Beleuchtung lebt eine Kolonie Soldatenfliegen, die gerade mit der Eiablage begonnen hat. "So schaffen wir optimale klimatische Bedingungen für die Fliegen und ihre Larven und können nicht nur die Verwertung von Reststoffen als Nährsubstrate für die Larven, sondern auch die genetischen Grundlagen im Detail untersuchen", betonte die Leiterin des Instituts für Ernährungsphysiologie "Oskar Kellner" am FBN, Professorin Dr. Cornelia C. Metges. "In der Zusammenarbeit mit unseren Instituten für Genombiologie, Fortpflanzungsbiologie sowie Muskelbiologie und europäischen Partnern wie der britischen Universität Exeter wollen wir möglichst viel über Insekten als wertvolle und umweltfreundliche Eiweißlieferanten der Zukunft erfahren."

Derzeit wird für das Futter der Nutztiere in der europäischen Landwirtschaft ein großer Anteil des notwendigen Eiweißes aus Importen gedeckt. "Die Eiweißlücke in der europäischen Nutztierhaltung schließen wir durch Importe an Soja und Fischmehl. Pflanzliche Alternativen vor Ort wie Lupinen und Erbsen haben sich bislang nur als Nischenprodukte etablieren können. Insofern ruhen weltweit enorme Erwartungen auf einem Beitrag durch Insekten, insbesondere durch Mehlwürmer, Heuschrecken und Soldatenfliegen", so die Agrarwissenschaftlerin.

Weniger Abfall und Züchten im Zeitraffer

"Ein Generationszyklus dauert rund sechs Wochen", erläuterte der Biologe PD Dr. Manfred Mielenz. "Dabei durchläuft die Fliege fünf Entwicklungsphasen vom Ei-, Larven-, Vorpuppen- bis zum Puppen- und Erwachsenenstadium. Aus wenigen Gramm Eiern können wir 100 Kilogramm Larven gewinnen. Das ist eine einzigartige Effizienz. Eine Larve wiegt durchschnittlich 140 Milligramm und besteht hauptsächlich aus Eiweiß und Fetten." Nach dem Schlupf der Larven etwa vier Tage nach der Eiablage werden diese auf Nährsubstratboden aufgezogen. Dieser kann nicht nutzbare Nebenprodukte der Lebensmittelindustrie, so beispielsweise Gärreste aus der Bierherstellung, Küchenabfälle oder Erntereste enthalten, und somit zur Schließung von Nährstoffkreisläufen beitragen. "Von großem Interesse sind Tierfuttermittel aus Larven künftig insbesondere in der Schweine- und Geflügelhaltung", erklärte Prof. Cornelia C. Metges.

In der Ernährung von Heimtieren wie Hunden, Katzen und Reptilien sowie Zier- und Zuchtfischen sind Larven längst etabliert. Für einen perspektivischen Einsatz als Futtermittelquelle für Nutztiere gibt es allerdings noch einige Wissenslücken und es fehlen bisher die EU-rechtlichen Voraussetzungen.

Am "Tag der offenen Tür" am Sonnabend, 21. September 2019 im Leibniz-Institut für Nutztierbiologie (FBN) und in der Landesforschungsanstalt für Landwirtschaft und Fischerei MV (LFA) werden die Wissenschaftler über ihre neuen fliegenden Schützlinge berichten und einen Einblick in die Zukunft der Soldatenfliegen als "Klimaschützer" gewähren.

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Die gesamte Pressemitteilung inkl. Bilder unter:
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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Nutzierbiologie (FBN) - 12.07.2019
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veröffentlicht im Schattenblick zum 20. Juli 2019

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