Deutscher Naturschutzring (DNR)
Dachverband der deutschen Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen
e.V.
EU-Koordination
EU-News - 27. Oktober 2022
Widerstand gegen neue Gentechnik
Überarbeitung des EU-Gentechnikrechts für 2023 geplant. Die Diskussionen um die Risikobewertung nehmen zu. Petition und Protest gegen Deregulierung.
Die EU-Kommission plant für das kommende Jahr das EU-Gentechnikrecht zu überarbeiten. Das geht aus dem Arbeitsprogramm für 2023 hervor, das die Brüsseler Behörde am 18. Oktober [1] vorgestellt hat. Laut Programm soll die Gesetzgebung für neue Gentechniken wie etwa die gezielte Mutagenese oder Cisgenese angepasst werden. Entsprechende Rechtsvorschriften sind für das zweite Quartal kommenden Jahres angekündigt.
Neue Kriterien zur Risikobewertung
Zusätzliche Bewegung in den Prozess zur Überarbeitung des europäischen
Gentechnikrechts ist durch eine Stellungnahme der Europäischen Behörde
für Lebensmittelsicherheit (EFSA) gekommen. Darin legt die Behörde
Kriterien für die Risikobewertung neuer Gentechnikverfahren vor. Die
sechs Hauptkriterien sollen dazu dienen, das Risiko von Pflanzen
einzuschätzen, die mittels gezielter Mutagenese, Cisgenese oder
Intragenese erzeugt wurden.
Kritik an Bericht des EU-Parlaments
Scharf kritisiert wurde indes ein Bericht im Auftrag des
EU-Parlaments. Der Bericht eines wissenschaftlichen Dienstes des
EU-Parlaments (Gremium für die Zukunft von Wissenschaft und
Technologie,
STOA) über Pflanzen aus neuer Gentechnik sei voller irreführender
Behauptungen und falscher Annahmen, kritisiert Testbiotech. Das
Institut für unabhängige Folgenabschätzung in der Biotechnologie
verweist zudem auf fehlende Transparenz: Es sei nicht deutlich gemacht
worden, dass die Verfasser*innen des Vlaams Instituut voor
Biotechnologie (VIB) gleichsam für ihre Lobbyaktivitäten zur
Deregulierung neuer gentechnischer Verfahren bekannt sind.
Verflechtungen von Wissenschaft und Industrie
Die Verflechtungen von Wissenschaft, Industrie und Lobbyarbeit bei der
anstehenden Revision des EU-Gentechnikrechts wurde bereits Ende
September von einer Studie im Auftrag der Grünen/EFA herausgestellt.
Auch diese Veröffentlichung dokumentiert mangelnde Transparenz und
ökonomische Eigeninteressen bei der Beratung der EU-Institutionen
durch Wissenschaftler*innen. Hier sei es besonders perfide, "wenn sich
GentechnikforscherInnen, mit ökonomischen Interessen an Patenten zur
neuen Gentechnik zu FürsprecherInnen für die Deregulierung machen", so
Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im Europäischen
Parlament.
Petition gegen Deregulierung
Derweil wächst bei Landwirtschafts- und Umweltverbänden die
Befürchtung, dass es im kommenden Jahr zu einer Deregulierung der
neuen genomischen Techniken kommt. In einer EU-weiten Petition fordern
über 50 Organisationen, eine Aufweichung der Gentechnik-Gesetzgebung
zu verhindern. Auch neue Gentechnikverfahren sollen nach dem
EU-Gentechnikrecht streng reguliert bleiben. Und auch hier sollten
laut
der Initiative wichtige Prinzipien wie verpflichtende Risikoprüfung
und Zulassungsverfahren, Kennzeichnungspflicht, Rückverfolgbarkeit,
Haftungsregelungen und das EU-Vorsorgeprinzip gewährleistet bleiben.
Bereits über 300.000 Menschen haben die Petition unterzeichnet. Bis
November wollen die Initiator*innen 500.000 Stimmen sammeln. [bp]
Petition gegen Deregulierung des EU-Gentechnikrechts
https://www.abl-ev.de/initiativen/gentechnik-petition
Kriterien der EFSA
https://www.efsa.europa.eu/en/news/faq-criteria-risk-assessment-plants-produced-targeted-mutagenesis-cisgenesis-and-intragenesis
Pressemitteilung Testbiotech
https://www.testbiotech.org/aktuelles/verdrehte-fakten-falsche-annahmen-neue-gentechnik
Pressemitteilung Martin Häusling und Studie der Grünen/EFA
https://www.martin-haeusling.eu/presse-medien/pressemitteilungen/2900-neue-gentechnik-wissenschaft-oder-lobby-wer-spricht-hier.html
Positionspapier Umwelt- und Landwirtschaftsverbände
https://www.abl-ev.de/fileadmin/user_upload/Positionspapier_Gentechnik_aktualisiert_April_2022.pdf
[1] https://www.dnr.de/aktuelles-termine/aktuelles/arbeitsprogramm-der-eu-kommission-fuer-2023
Gentechnik-Petition der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche
Landwirtschaft (AbL)
Derzeit werden in Brüssel die Weichen für eine neue
Gentechnikgesetzgebung gestellt. Die AbL fordert eine Beibehaltung der
strengen Regulierung auch bei neuen Gentechnikmethoden. Das umfasst:
Kennzeichnung, Risikoprüfung, Zulassung, Rückverfolgbarkeit,
Transparenz, Monitoring und Haftung.
Zur Petition
https://www.abl-ev.de/initiativen/gentechnik-petition
*
Quelle:
EU-News, 27.10.2022
Deutscher Naturschutzring e.V. (DNR)
EU-Koordination
Marienstraße 19-20, 10117 Berlin
E-Mail: eu-info@dnr.de
Internet: www.eu-koordination.de
veröffentlicht in der Online-Ausgabe des Schattenblick am 28. Oktober 2022
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