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GENTECHNIK/724: Nein zu Anbau von Amflora in Deutschland (BN)


Bund Naturschutz in Bayern e.V. - München, 4. März 2010 / Kategorie: Gentechnologie

Nein zu Anbau von Amflora in Deutschland


Der Bund Naturschutz (BN) fordert Agrarministerin Ilse Aigner auf, die im letzten Jahr erteilte Genehmigung für die Freisetzung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora in Deutschland auf 20 Hektar auszusetzen und sich für nationale Anbauverbote gentechnisch veränderter Pflanzen auf EU Ebene einzusetzen.

Der BN kritisiert die EU- Zulassung der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora zum kommerziellen Anbau für industrielle Zwecke und als Futtermittel auf das Schärfste. "Landwirtschaftsministerin Aigner muss sofort handeln und die als Freisetzungsvorhaben deklarierte Sortenvermehrung in Deutschland verhindern", so der BN Landesvorsitzende Prof. Dr. Hubert Weiger. Er forderte Landwirtschaftsministerin Aigner auf, "sich auf Grundlage des Schutzes von Natur, Umwelt und der Menschen sich gegen den Anbau von Amflora in Deutschland auszusprechen und damit Ihre bisherige Haltung zu revidieren. Antibiotikaresistente Kartoffeln sind nicht akzeptabel, zumal sie als Futtermittel verwendet werden können und zu befürchten ist, dass sie als Kontamination in Lebensmitteln auftauchen werden."

Von der Firma BASF bzw. Landwirten sind nach Presseberichten der Anbau von Amflora auf 20 ha in Mecklenburg Vorpommern sowie der Anbau einiger 100 ha in Schweden und der tschechischen Republik geplant. Einem kommerziellen Anbau in Deutschland in 2010 steht entgegen, dass die dreimonatige Meldefrist für das Standortregister des BVL nicht mehr eingehalten werden kann.

Der BN teilt außerdem die Bedenken der Europäischen Arzneimittelagentur EMEA gegen die Zulassung der gentechnisch veränderten Stärkekartoffel der BASF in Bezug auf das in der Amflora-Kartoffel enthaltene Antibiotika-Resistenz-Gen, das zur Resistenz gegen Kanamycin und verwandte Antibiotika führt. Kanamycin dient als Reserveantibiotikum gegen Tuberkulose und Neomycin wird sowohl in der Humanmedizin wie in der Tiermedizin eingesetzt.

Die Übertragung dieses Resistenz-Gens auf Bakterien des Magen-Darm- Trakts ist nicht auszuschließen. In der Vergangenheit kam es in Deutschland bereits zu Vermischungen mit normalen Kartoffeln. So hatte ein die "Amflora" anbauender Landwirt in Mecklenburg-Vorpommern Aussaatflächen verwechselt, woraufhin die BASF die Knollen auf 20 Hektar Fläche vernichten musste.

Die im Zulassungsverfahren auf EU Ebene vorgelegten Fütterungsstudien an Ratten und Kühen hält der BN für nicht geeignet, um die Sicherheit der gentechnisch veränderten Kartoffel Amflora für Mensch und Tier zu belegen. Auch die Umweltstudien werden als unzureichend bewertet.

Außerdem will die deutsche Stärkeindustrie wegen der mehrheitlich ablehnenden Haltung der Verbraucher und Landwirte gegenüber der risikoreichen Agrogentechnik die gentechnisch veränderte Amflora nicht verarbeiten, wie aktuellen Presseäußerungen des größten deutschen Stärkeverarbeiters, Emslandstärke, zu entnehmen ist. Auch die Südstärkefabrik im Landkreis Neuburg/Schrobenhausen hat sich in der Vergangenheit klar gegen die Verarbeitung gentechnisch veränderter Knollen positioniert. Inzwischen wurden auf konventionellem Weg Kartoffelsorten gezüchtet, die eine ähnliche Stärkezusammensetzung wie die Amflora-Kartoffel aufweisen.

Für den BN und BUND-Vorsitzenden Hubert Weiger hat vor allem der neue EU-Kommissar für Gesundheit und Verbraucherschutz John Dalli versagt: "Der für den Schutz der Gesundheit und der Verbraucher zuständige EU-Kommissar Dalli hat mit seiner ersten Amtshandlung einen schweren Fehler begangen. Der Weg der Gentech-Kartoffel vom Feld auf die Teller der europäischen Verbraucher ist viel zu kurz und die Risiken sind viel zu groß. Ein EU-Kommissar, der den Gesundheit- und Verbraucherschutz ernst nimmt, hätte die Zulassung der Amflora-Kartoffel nicht erlauben dürfen."


Die Ablehnungsgründe des BN zu Amflora im Einzelnen:

Die gentechnisch veränderte Amylopektinkartoffel Event EH92-527-1 wurde von der Firma BASF in der EU zur Marktzulassung nach der Freisetzungsrichtlinie 2001/18 (Anbau und Verarbeitung zu Industriestärke, Antrag 1996 in Schweden) sowie nach der Verordnung 1829/2003 (Futter- und Lebensmittel, Antrag 2005 in Großbritannien) beantragt. Mittels gentechnischer Veränderung wird die Bildung der geradkettigen Stärke Amylose unterdrückt, dies führt zu überwiegender Bildung der verzweigtkettigen Stärke Amylopektin. Die Transformation erfolgte mit Hilfe von Agrobacterium tumefaciens. Neben der Antisense-Sequenz des granule bound starch synthase (GBSS) Proteins unter der Kontrolle des entsprechenden Promotors wurde zu Selektionszwecken das Antibiotikaresistenzgen nptII, das u.a. eine Resistenz gegen das Antibiotikum Kanamycin vermittelt, übertragen. Laut Antragsteller soll die Kartoffel EH92-527-1 zur Gewinnung von Industriestärke (etwa für die Papierindustrie) angebaut werden.

Bei der jetzt von EU Kommissar Dalli erteilten EU Genehmigung ist auch die Verwendung (von Reststoffen) als Futtermittel oder Dünger beinhaltet.

Als nicht gekennzeichnete Verunreinigung könnte Amflora auch in Lebensmitteln auftauchen.


Risiken der Methode der gentechnischen Veränderung an den Stärkekartoffeln

Die gentechnische Veränderung von Pflanzen ist kein gezielter Vorgang, bei dem bekannt wäre, welche Effekte sich auf molekularer Ebene ergeben. Der Einbau der Transgene in das pflanzliche Erbgut erfolgt rein zufällig. Auch ist die Stabilität transgener Merkmale in transformierten Pflanzen unter Umweltbedingungen nicht gesichert, da eine Vielzahl noch unbekannter Regulationsprozesse eine Rolle spielt (vergl. UBA-Studie Nr. 53/02 zur Stabilität transgen-vermittelter Merkmale in gentechnisch veränderten Pflanzen).

Nebeneffekte der gentechnischen Veränderung können auch die Aktivität anderer Gene verändern und beispielsweise den Glykoalkaloid-Stoffwechsel beeinflussen und so möglicherweise zu erhöhten Solaningehalten führen.

Die transgene Amylopektin-Kartoffel zeigt neben der beabsichtigten Erhöhung des Amylopektin-Gehalts unerwartete Veränderungen: Generell liegen Ertrag und Trockenmasse niedriger, während Rohrzuckergehalt und VitaminC-Gehalt bis zu 40% höher sind. Teilweise soll auch der Glykoalkaloid-Gehalt (z.B. Solanin) reduziert sein. Laut EFSA (2006) sind die in Freisetzungsversuchen in Schweden erhobenen Daten, wie sie der Antragsteller in seiner Risikoanalyse präsentiert, repräsentativ für die meisten EU-Regionen, in denen Stärkekartoffeln angebaut werden. Auch wenn sich in südlichen Regionen unterschiedliche Wechselwirkungen zwischen Amylopektin-Kartoffel und assoziierten Organismen ergeben sollten, ist dies laut EFSA kein Grund für die Annahme, dass die jeweiligen Ökosysteme und Organismen negativ beeinflusst würden. Eine EU-weite Zulassung auf Basis von Daten lediglich eines Landes wird allerdings dem in der EU geltenden step-by-step-Verfahren bei der Marktzulassung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) nicht gerecht. Zudem ist ein so genanntes fallspezifisches Monitoring der Amylopektin-Kartoffel nicht vorgesehen. Unerwartete Effekte eines Anbaus der Amylopektin-Kartoffel EH92527-1 sollen durch die allgemeine Überwachung erfasst werden, wobei unklar bleibt, wieweit die Übernahme der Kosten durch den Antragsteller gesichert ist.


Risiken durch Weiterverbreitung der genmanipulierten Kartoffeln

Eine Übertragung gentechnisch eingebauter Eigenschaften auf andere Kartoffelpflanzen und eine Weiterverbreitung kann nicht ausgeschlossen werden.

Die Pollen von Kartoffeln, deren Bestäubung u. a. durch Insekten erfolgt, können durch Insekten über größere Distanzen verbreitet werden. In Freilanduntersuchungen wurden zahlreiche Insektenarten auf Kartoffelblüten beobachtet. Nach einer von Neuroth (1997) zitierten Arbeit wurden bei einer Kartoffel-Wildart im Abstand von 10 m noch Auskreuzungsraten von 5,1% erreicht und bei 20 m und 40 m betrug die Auskreuzungsrate 1,1% bzw. 0,5%. In 80 m Entfernung trugen immerhin noch 0,2% der Samen die entsprechende Markierung. Insektenbestäubung schien dabei eine große Rolle zu spielen. Die Blüten wurden vor allem von Schwebfliegen, aber auch Hummeln, Honigbienen, Wespen, Schmeißfliegen, Libellen, Schmetterlingen und Nachtfaltern besucht. Weitere Besucher von Kartoffelblüten sind vermutlich Rapsglanzkäfer, Schimmelkäfer, Tangfliegen und Goldfliegen.

Weitere Risiken ergeben sich durch die mögliche Überdauerung der Knollen in milden Wintern (Durchwuchs) oder durch Wechselwirkungen mit Nichtzielorganismen. Nach der Ernte verbleiben bis zu 30 000 Kartoffelknollen pro Hektar im Boden, die 4 - 5 Jahre im Boden überleben und, wenn sie 10 - 15 cm unter der Bodenoberfläche liegen, auch harte Winter überstehen können. Gebildete Samen bleiben bis zu 13 Jahre lang keimfähig (Neuroth 1997). Die Verschleppung transgener Kartoffelbeeren durch Tiere, wie

etwa Vögel, ist nicht ausgeschlossen. Entsprechende Sicherheitsvorkehrungen fehlen, auch gibt es keinen Schutz vor Kaninchen oder Wildschweinen,

die die Kartoffeln weiterverbreiten könnten. Damit wird das Argument, dass die Verbreitung der genmanipulierten Kartoffeln wegen ihrer Knollenvermehrung nicht zu befürchten ist, als falsch widerlegt.

Neuroth, B. 1997. Kompendium der für Freisetzungen relevanten Pflanzen; hier: Solanaceae, Poaceae, Leguminosae. Umweltbundesamt Berlin, Texte 62/97.

Download:
PM-025-10-Genkartoffeln_gen.pdf


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Quelle:
Presseinformation, 04.03.2010
Herausgeber:
Bund Naturschutz in Bayern e.V.
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. März 2010