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MELDUNG/087: Klimaänderungen werden die Landwirtschaft in Deutschland verändern (DBV)


Deutscher Bauernverband - Pressemitteilung vom 12. September 2012

Klimawandel birgt Chancen

DWD und DBV zu langfristigen Auswirkungen auf die Landwirtschaft



"Die Klimaänderungen der kommenden Jahrzehnte werden die Landwirtschaft in Deutschland verändern. Steigende Temperaturen und ein Wandel der Niederschlagsverteilungen im Jahresverlauf bergen Chancen auf höhere Erträge. Das setzt jedoch voraus, dass die Landwirte hohe Summen in Bewässerungssysteme und Drainagen investieren. Auch sind erhebliche Anstrengungen in der Pflanzenzüchtung notwendig, um die Kulturpflanzen an die sich änderten Witterungsbedingungen anzupassen." Dies erklärten Dr. Paul Becker, Vizepräsident des Deutschen Wetterdienstes (DWD) und Werner Schwarz, Vizepräsident des Deutschen Bauernverbandes (DBV), auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von DWD und DBV in Berlin. Neue Auswertungen des DWD zeigen, dass in Deutschland für den Zeitpunkt Ende April die Bodentemperatur von 1962 bis 2012 im Mittel um 5 Grad auf heute 16 Grad Celsius zugenommen hat. "Wir rechnen damit, dass sich dieser Trend bis 2100 fortsetzt", berichtet Becker. Viele Pflanzen wüchsen deshalb früher. Der Vegetationsbeginn gemittelt über verschiedene Pflanzen findet heute etwa 7 Tage früher statt als vor 50 Jahren. Im Jahr 2100 könnte er laut DWD im Vergleich zu den 1960er Jahren sogar drei Wochen früher beginnen. Dies werde sich positiv auf den Ertrag und die Anbaumöglichkeiten von wärmeliebenden Pflanzen wie Mais oder Hirse auswirken. Der Mais dürfte damit hierzulande zu den Gewinner-Pflanzen im Klimawandel gehören. Zugleich ermöglicht die Abnahme der Spätfröste eine verstärkte Nutzung von Zweitkulturen auf derselben Fläche. "In Deutschland kann die immer knapper werdende Ressource Ackerfläche dann durch mehrere Ernten effektiver genutzt werden."

Während im Mittel steigende Temperaturen der Landwirtschaft nutzten, sähe das beim Niederschlag nicht so günstig aus, berichtet Becker. Die Landwirte würden lernen müssen, künftig immer ungleicher verteilte Niederschläge im Sommerhalbjahr und mögliche Wasserknappheit durch noch effizientere Bewässerungsverfahren auszugleichen. Das erfordere aber hohe Investitionen in Bewässerungssysteme und eine optimierte Beregnungssteuerung. Die erwartete Zunahme der Niederschläge im Herbst und Winter führe zudem dazu, dass dann zu nasse Böden maschinell nicht wirkungsvoll bearbeitet werden können - ein Problem für eine auf Maschineneinsatz angewiesene Landwirtschaft. Es komme deshalb darauf an, Drainagesysteme zu erhalten oder neu zu bauen.

DBV-Vizepräsident Werner Schwarz kam ebenso zu der Einschätzung, dass mehr Wärme und eine gute Wasserversorgung generell zu höheren Erträgen führen könnten. Schwarz machte zugleich aber deutlich, dass die Erfahrungen der letzten Jahre aber auch die Schwierigkeiten eines Klimawandels sehr deutlich gezeigt hätten. Dazu gehörten längere Trockenzeiten im Frühjahr und Frühsommer, obwohl die Getreidepflanzen in dieser Zeit eigentlich eine gute Bodenfeuchte benötigen. Hinzu kämen Extremsituationen wie Hagel kurz vor der Obst- oder Maisernte, Starkregen, der zur Erosion von wertvollem Boden und zur Unbefahrbarkeit der Äcker führen kann. Auch die Kahlfröste in diesem Jahr hätten gezeigt, wie risikoreich der Ackerbau sein kann. Selbst unsere Tierhalter spüren den Klimawandel, betonte Schwarz. "Unsere Nutztiere erleiden plötzlich Tierkrankheiten, die wir früher nur aus südeuropäischen Regionen kannten. Dazu gehören die Blauzungenkrankheit und das Schmallenbergvirus." Schwarz machte deutlich, dass gerade im Ackerbau eine Reihe von Anpassungen erforderlich seien. Der letzte Winter mit Temperaturen von deutlich unter minus 20 Grad Celsius habe gezeigt, welche Schäden entstehen können. "Offenbar weisen nicht alle Weizen- oder Gerstensorten eine entsprechende Winterhärte auf", erklärte Schwarz. Solche Sorten müssten die Pflanzenzüchter aber bereithalten. Die zunehmende Frühsommertrockenheit erfordere Pflanzen mit einem gut ausgebildeten Wurzelsystem. Letztlich müssten Pflanzen mit einem geringeren Wasserbedarf mehr Biomasse erzeugen. Die Klimaveränderungen könnten auch zu einem stärkeren Befall mit Pilzen und Schädlingen führen. Das erfordere eine stärkere Förderung von Resistenzen.

Als Konsequenz forderte Schwarz ein Bündel an fachlichen und politischen Maßnahmen. Dazu zählte aus fachlicher Sicht eine angepasste Sortenauswahl für den jeweiligen Standort durch die Landwirte selbst. Schwarz forderte auch den flächendeckenden Erhalt der Sortenversuche in den Bundesländern, die vielerorts aus finanziellen Gründen gefährdet seien. Auch das Sortenspektrum werde sich erweitern. "Mais und Zuckerrüben versprechen bei einer zunehmend guten Wasserversorgung in den Sommermonaten bessere Erträge", sagte Schwarz. Pflanzen wie Hirse oder Soja könnten mit entsprechenden Züchtungsfortschritten stärker angebaut werden. Pfluglose Bodenbearbeitungsverfahren und der Anbau von Zwischenfrüchten würden außerdem dazu beitragen, der Erosion vorzubeugen und den Wasserhaushalt positiv zu beeinflussen. Wo die natürlichen Voraussetzungen für eine Bewässerung gegeben seien, werde die Bewässerung wichtiger. "Bewässerung ist in Deutschland sehr umweltverträglich, denn unsere Jahreswasserbilanz - Regen abzüglich Verdunstung - ist positiv", stellte Schwarz fest.

Schwarz betonte, dass die Mehrgefahrenversicherungen für die Landwirte immer wichtiger werde und kritisierte, dass die Bundesregierung auf Mehrgefahrenversicherungen einen Steuersatz von 19 Prozent des Versicherungsbetrages erheben wolle, statt wie bei der Hagelversicherung nur 0,2 Promille der Versicherungssumme. "So verhindert man eine unternehmerische Risikovorsorge", stellte Schwarz fest und forderte eine Änderung des Gesetzentwurfes.

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Quelle:
Pressemitteilung vom 12. September 2012
Deutscher Bauernverband, Pressestelle
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veröffentlicht im Schattenblick zum 16. September 2012