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MEDIEN/059: Die Biene des Mike Feingold (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 179 - April / Mai 2014
Die Berliner Umweltzeitung

UMWELTKULTUR

Die Biene des Mike Feingold
DVD Release des Dokumentarfilms "Voices Of Transitions" von Nils Aguilar

von Angelika Nguyen



Die erste Stimme der "Voices of Transition" (= "Stimmen des Wandels") ertönt während einer Fahrt entlang goldener Felder. Sie klingt wie auf einer Straßendemo, aufgeregt durch den Lautsprecher: es ist die Stimme von Vandana Shiva, die indische Aktivistin gegen Agrogentechnik, alternative Nobelpreisträgerin. Wie Kassandra ruft sie "den wahren Grund für die Preisexplosion der Nahrungsmittel" aus. Er liege in der erzwungenen Globalisierung der lokalen Märkte, im Interesse spekulierender Trusts. Würden wir Biolandwirtschaft und lokale Märkte fördern, ruft Shiva, könne man morgen schon das Klima- und das Ernährungsproblem lösen.

Damit hat der Film in den ersten fünf Minuten eigentlich schon alles gesagt. Aber er holt dann doch aus. Beginnt mit Geschichte. Nach dem Ersten Weltkrieg waren noch Giftdepots übrig, die die Unternehmen unter die Leute bringen wollten. Aus Chemiewaffen wurden Pestizide, die Nachfrage brauchten. Die wurde geschaffen mit der Zucht chemieabhängiger Pflanzen, die noch 2014 die Regale in den Supermärkten füllen.

Das Horrorszenarium hieß "Grüne Revolution", weil die Erträge anstiegen. In Wirklichkeit wurde der Humus, die fruchtbare Erde, nach und nach durch die Chemie zerstört. Heute kann die ausgelaugten Böden keine Chemie mehr retten, sagt im Film der Boden-Mikrobiologe Claude Bourguignon.

Dann reiht der Film Stimme an Stimme, ein Kanon hebt an, ein Choral der Aufklärung über die fatalen Abhängigkeiten und Folgen industrieller Landwirtschaft, zeigt aber auch lebbare Alternativen in unabhängigen Produktions- und Verbrauchergemeinschaften. Nun ist "Voices of Transition" nicht der erste Film mit der Nachricht über das System unserer Nahrungsmittelindustrie, dessen Verlierer letztlich alle sind. "We Feed The World" hat das schon spannender erzählt und "Monsanto - Gift & Gene" kriminologischer.

Dieser Film wirkt am stärksten, wenn die Stimmen der Experten aufhören, uns mit Analysen in den Ohren zu klingen, wenn talking heads und Tabellen verschwinden und keine Merksätze mehr durchs Bild flimmern. Als da nur die eine Biene von Mike Feingold summt. Wie er da so sitzt, der Permakultur-Designer im Blaumann, mit wilder Mähne, der Rebell gegen die eigene Erdbeer-Farm in Kenia, zwischen Apfelbäumen und Bienenstock bei Bristol, sagt er nur: "Das ist Glück." Und überzeugender als jeder theoretische Vortrag ist Feingolds Verwertungskette seiner Äpfel.

Die wichtigste Botschaft des Films ist die Bedeutung des Lokalen. Als Ausweg aus globaler Abhängigkeit und Profitmaximierung erscheinen viele kleine Produktionen vor Ort wie Licht am Ende des Tunnels. Das beinhaltet auch die Erfahrung, "mit seinen Händen mehr zu können als nur SMS zu tippen", so Rob Hopkins, ein Gründer von Transition Towns. Man sieht sie auf den lachenden Gesichtern der beiden Frauen, die in der Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft bei Bristol Gemüse ernten, sie leuchtet im Selbstbewusstsein der Großstadt-Selbstversorgerin Sally Jenkins von GROFUN und überzeugt mit der besonderen, 1990 aus der Not geborenen Rolle Kubas als Vorreiter städtischer Biolandwirtschaft. Das schafft Sehnsucht nach Veränderung auch des eigenen Lebens.

Statt eines Verleihs gab es für den teilweise aus Crowdfunding finanzierten Film 2013 eine Kinotour. Die gerade erschienene DVD hat den Vorteil, dass man die Fülle der Sachinformationen öfter nachsehen kann. Als Bonus-Material gibt es das gesamte Interview mit Rob Hopkins.

Weitere Informationen:
voicesoftransition.org/de


Anmerkung der SB-Redaktion:
Dieser Artikel ist - in gekürzter Fassung - im Januar 2014 auch im Freitag erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung der Autorin publiziert.

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Quelle:
DER RABE RALF - 25. Jahrgang, Nr. 179 - April/Mai 2014, S. 23
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47/-0, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de
 
Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: jährlich, 20 Euro


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2014