Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → LANDWIRTSCHAFT

WALD/080: Geschundene Wälder - Von der Lebensgrundlage zum Selbstbedienungsladen (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Von der Lebensgrundlage zum Selbstbedienungsladen
Der Druck auf die geschundenen Wälder nimmt zu

Von László Maráz


Unsere Wälder haben es wirklich nicht leicht. Zwar wird uns immer mehr bewusst, wie wichtig intakte und möglichst naturnahe Wälder für den Schutz der Biodiversität sind und wie sehr die Menschheit auf diese Lebensgrundlage angewiesen ist. Man richtet inzwischen sogar einige Schutzgebiete ein und unterwirft die forstliche Nutzung hier und da strengeren Regeln. Doch gleichzeitig wachsen die Begehrlichkeiten und der Druck auf die Wälder.

Auf der einen Seite sollen Wälder immer mehr Holz produzieren, um den wachsenden Verbrauch von Papier und Baustoffen zu decken und Arbeitsplätze in der Holzwirtschaft zu erhalten. Weil das vielerorts nicht schnell genug geht, werden Wälder gerodet, damit Agrar- und Holzplantagen noch mehr Rohstoffe erzeugen. Inzwischen sollen Wälder auch zur Vermeidung der Klimakatastrophe beitragen. Zum Beispiel, indem - wie praktisch - mehr Holz geerntet wird, um sowohl energieintensivere Baustoffe, als auch fossile Energieträger zu ersetzen. Schnellwuchsplantagen sind zwar keine Wälder, könnten aber große Mengen Bioenergie erzeugen. Auch mit der sogenannten "vermiedenen Entwaldung und Degradierung von Wald" (REDD, reduced emissions from deforestation and degradation) hofft man, Geld verdienen zu können.

Andererseits müsste man aber mehr Wälder schützen, um weitere CO2- Emissionen zu vermeiden. Dies wäre auch der beste Weg, um die natürliche Biodiversität unserer Wälder zu fördern. Viele Arten sind auf das verrottende Holz angewiesen. Ließe man mehr Holz im Wald, könnten auch die immer noch relativ niedrigen Kohlenstoffvorräte unserer Wälder wieder aufgefüllt werden, was nicht zuletzt für die Bodengesundheit und den Hochwasserschutz gut wäre, da humusreiche Waldböden mehr Wasser aufnehmen und speichern. Naturbelassene Wälder wären auch am besten für Zwecke der Erholung, Bildung, Forschung, sowie für den Lärm- und Wasserschutz geeignet und würden somit andere Formen der "Nutzung" fördern.


Verwirrende Wald- und Energiepolitik

Wer soll sich da noch auskennen? Soll man jetzt mehr Holz einschlagen, um das Klima zu retten, oder die Holzernte einstellen, damit sich möglichst viel Biomasse im Wald anreichert? Und wie war das mit dem Holzeinschlag im Tropenwald: führte dieser nicht zur Degradierung und Entwaldung ganzer Regionen? Warum aber sollen jetzt Holzkonzerne Geld für Klimaschutz bekommen, sobald sie etwas weniger Holz ernten und von den vandalismusartigen Raubbauverfahren zu schonenderen Praktiken ("reduced impact logging") übergehen? Und waren es nicht die Armen in den Entwicklungsländern, die jahrzehntelang beschuldigt wurden, durch Brandrodung und das Sammeln von Brennholz die Wälder zu zerstören? Und nun soll in Deutschland nicht nur das Verbrennen von Holz, sondern auch das Herausreißen von Baumwurzeln und Verheizen von Reisig und Baumkronen massiv subventioniert werden? Ist nicht angesichts knapper Ressourcen Sparsamkeit angesagt, anstatt, wie die Charta für Holz fordert, den Pro-Kopf-Verbrauch von Holz in Deutschland von 1,1 auf 1,3 Kubikmeter jährlich zu steigern?


Erfahrungen, Argumente und Marketing

Einige Interessengruppen der Holz- und Forstwirtschaft, die in Zeiten der Diskussionen um das Waldsterben, die weltweite Waldzerstörung und Tropenholzboykott-Kampagnen in der Defensive waren, sind längst zur Vorwärtsverteidigung übergegangen. Holzeinschlag ist ihnen zufolge so gut für den Wald, für die Biodiversität, für das Klima, für Arbeitsplätze, dass man sich zuweilen fragt, wie Artenvielfalt ohne Holzeinschlag entstehen konnte und warum Menschen auch in waldarmen Ländern Arbeit n. Holzkonzerne, die in Raubbau sowie illegalen Holzeinschlag und -handel verwickelt sind, gerieren sich inzwischen als Vorreiter in Sachen Wald- und Klimaschutz. Das Ganze gipfelt in absurden Situationen, in denen Naturschützern, die sich für die Einrichtung eines Nationalparks engagieren, vorgeworfen wird, sie seien gegen den Klimaschutz, weil die Bürger ihre Wohnzimmer nicht mit Brennholz, sondern wie bisher mit Heizöl wärmen müssten.


Imagekampagne mit irreführenden Aussagen

Im Vorfeld der 9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt (COP 9), die im Mai 2008 in Bonn stattfand, startete der Deutsche Holzwirtschaftsrat gemeinsam mit dem Holzabsatzfonds eine Medienkampagne, um vor allem die sogenannte "multifunktionale Forstwirtschaft" als vorbildlich zu preisen. Bei der Waldpflege würde man nur soviel Holz nutzen, wie nachwächst. Im Kielwasser der Holzwirtschaft würden alle anderen Waldfunktionen gesichert. Intensive Holznutzung sei das beste Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels und helfe sogar gegen das Waldsterben. Gleichzeitig garantiere der holzwirtschaftlich genutzte Wald in höchstem Maße Funktionen für die Erholung, den Wasserschutz, den Schutz vor Erosion, Lawinen und Lärmschutz und fördere sogar den Erhalt der Biodiversität. Die Argumentation wird inzwischen von zahlreichen Interessenvertretern genutzt, um Forderungen von Umweltverbänden und Wissenschaftlern abzuwehren, die mehr Naturschutz und die Umsetzung einer ökologischen Waldnutzung fordern. Viele Broschüren, Anzeigen und Pressemeldungen sind neben einigen durchaus interessanten Informationen über die Forstwirtschaft - derart gespickt mit irreführenden Behauptungen und tendenziösen Aussagen, dass es einem zuweilen die Sprache verschlägt. Beispiele: "Holznutzung ist Waldpflege. Ohne sie würde die Artenvielfalt unserer Wälder rapide abnehmen, da sich automatisch die konkurrenzstärkste Baumart durchsetzen würde.[1] Die heutige multifunktionale Forstwirtschaft in Deutschland ist ein Garant für die Erhaltung der biologischen Vielfalt im Wald."[2]

Naturwälder brauchen keine Pflege. Ihre Artenvielfalt ist um ein Vielfaches größer als die von Wirtschaftswäldern und entwickelte sich, bevor die ersten Förster und Holzfäller in den Wald kamen. Vor allem in den Alters- und Zerfallsphasen natürlicher Wälder würden die meisten bei uns natürlich vorkommenden Tier- und Pilzarten ihren Lebensraum n. Durch die intensive Forstwirtschaft wurde ein großer Teil von ihnen verdrängt und (fast) ausgerottet.

"Flächenstilllegungen sind kontraproduktiv für den Klimaschutz.[2] Da Bäume nur während ihres Wachstums in der Lage sind, CO2 in Form von Kohlenstoff zu binden, sind es insbesondere die zuwachskräftigen Wirtschaftswälder, die eine wichtige Rolle als dauerhafte CO2-Senken spielen. Der Kohlenstoffspeicher eines unberührten Urwaldes ist dagegen so gut wie voll, er nimmt kaum noch CO2 auf.[3] Aus diesem Grund trägt auch ein nachhaltig bewirtschafteter Wald weit stärker zur Entlastung der Atmosphäre bei als ein ungenutzter Wald."[5]

Unsere Wirtschaftswälder würden ihren CO2-Speicher noch über mehrere Jahrhunderte hinweg aufbauen. Erst im reifen Stadium nimmt die Nettoaufnahme ab. Diese Phase träte aber frühestens im Alter von 400 Jahren auf. Nur 2,3 % des deutschen Waldes sind älter als 160 Jahre. Für den Klimaschutz aber sind die kommenden Jahrzehnte entscheidend. Urwälder sind die weitaus besten Kohlenstoffspeicher, denn sie binden in ihren hohen Holzvorräten (inklusive stehendem und liegendem Biotopholz, sowie in ihren humusreichen Waldböden) große Mengen Kohlenstoff. Der Kohlenstoffspeicher bewirtschafteter Wälder, Forsten und Plantagen ist vergleichsweise gering, denn hier wird regelmäßig Holz geerntet, das nach Gebrauch verrottet oder verbrannt wird und seinen Kohlenstoff rasch wieder in die Atmosphäre bringt.

Auch die Netto-Speicherwirkung in Holzprodukten ist begrenzt. Papier landet schnell wieder im Abfall, Brennholz wird nach zwei bis drei Jahren verbrannt und die meisten Holzmöbel und Holzbauten ersetzen lediglich entsorgte bzw. abgerissene Bauten.

"Einseitige Forderung nach Flächenstilllegung, Nutzungsverzicht und die Ausweisung von Schutzgebieten ... ziehen zwangsläufig Mehreinschläge in anderen Wäldern, die außerhalb Deutschlands liegen, nach sich."[4]

Deutschland ist Nettoimporteur von Holz und Holzprodukten, auch aus legalen Quellen und Raubbau. Doch die Interessenverbände der Forst- und Holzwirtschaft wollen den Holzverbrauch im Rahmen der Charta für Holz sogar noch steigern. Keiner dieser Verbände hat sich in den letzten Jahren für den Schutz von Naturwäldern oder gegen Raubbaupraktiken und illegalen Holzhandel eingesetzt.

"Nach Berechnungen des Clusters Forst Holz gingen rund 40.000 Arbeitsplätze in Deutschland verloren, wenn wie gefordert - fünf Prozent der Waldfläche stillgelegt werden."2 Selbst wenn die Zahl 1 Arbeitsplatz pro 100 Festmeter geerntetem Holz stimmen würde, wäre der Umkehrschluss nicht zulässig. Entweder der Holzmangel würde durch zusätzliche Holzimporte gedeckt und die allermeisten Jobs in Verarbeitung und Handel blieben erhalten. Oder das Holz würde nicht ersetzt, dann würden die Jobs nur aus dem Forst- und Holzsektor in andere Bereiche verlagert, denn die Kaufkraft der Verbraucher bliebe ja erhalten und würde dann Arbeitsplätze durch den Kauf anderer Produkte und Dienstleistungen schaffen.

Der Autor ist Koordinator der AG Wald im Forum Umwelt und Entwicklung sowie der Plattform "Nachhaltige Biomasse".


[1] Broschüre "Waldbild" des Holzabsatzfonds, Seiten 6 und 16
[2 Pressemitteilung des Deutschen Forstwirtschaftsrates vom 6. Mai 2008
[3] Broschüre "Waldbild" des Holzabsatzfonds, Seite 8
[4] Antwortschreiben des Ministerium Ländlicher Raum Baden-Württemberg, vom 19.8.2008, an den BUND auf die Anfrage nach Umsetzung der Biodiversitätsstrategie
[5] Pressemitteilung des HKI (Industrieverband Haus-, Heiz- und Küchentechnik e.V., vom 9. März 2009


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


*


Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
Koblenzer Str. 65 53173 Bonn
Telefon: 0228/35 97 04, Fax: 0228/923 993 56
E-Mail: info@forumue.de
Internet: www.forumue.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 4. August 2009