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WALD/083: Gerechtigkeit im Wald - Ohne Landrechte keine Schutzerfolge (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Gerechtigkeit im Wald
Ohne Landrechte keine Schutzerfolge

Von Anika Schroeder


Das Leben von Hunderten Millionen Menschen hängt weltweit fast ausschließlich von bestehenden Wäldern ab. Im Rahmen des UN- Klimaschutzabkommens kommt der Waldschutz endlich voran. Falsch eingeleitet bergen Waldschutzprogramme allerdings enorme Risiken für den Klimaschutz, die biologische Vielfalt und vor allem für die lokale Bevölkerung. Daher weisen Indigene immer wieder darauf hin, dass Ihre Rechte geschützt werden müssen. Ihre Bedenken müssen endlich ernst genommen werden, um einen effektiven Waldschutz gewährleisten zu können!

Die Zerstörung der Wälder trägt mit ca. zwanzig Prozent zu den weltweiten Treibhausgas-Emissionen bei. Mit dem Wald wird auch der Lebens- und Wirtschaftsraum von Menschen in den Entwicklungsländern zerstört. Um die 350 Millionen der ärmsten Menschen dieser Welt sind für ihren Lebensunterhalt fast vollständig abhängig von bestehenden Wäldern. Rund 60 Millionen Indigene, aber auch Kleinbauern und Fischer leben direkt im und vom Wald. Sie sammeln hier Früchte, Pilze oder Medizinalpflanzen für Eigenbedarf und Verkauf, fangen Fische oder Jagen. Entsprechend leidet vor allem die lokal ansässige Bevölkerung, wenn Wälder in Viehweiden oder Plantagen umgewandelt werden. Sie verlieren ihre Heimat und ihren Lebensunterhalt. Wehren sie sich mit friedlichen Mitteln gegen die Zerstörung ihrer Umwelt, werden sie oft verfolgt, willkürlich verhaftet oder gar von Großgrundbesitzern umgebracht.


Waldschutz oben auf der Agenda

Derzeit liegen alle Hoffnungen auf einem effektiven Waldschutz in der internationalen Klimaschutzpolitik. Bisher sind hier lediglich Aufforstungen sowie Wiederaufforstungen innerhalb des CDM (Clean Development Mechanism) vorgesehen. Dieser ermöglicht es den Industrienationen ihre Klimaschutz-Verpflichtungen auch in Entwicklungs- und Schwellenländern zu erfüllen. Im Verhandlungsfahrplan der Klimarahmenkonvention für die nächsten Jahre stellt die Verringerung der Entwaldungsraten (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation - REDD) nun endlich einen der großen Eckpfeiler dar. Dessen Erfolg muss sich daran messen lassen, ob Menschenrechte durch ihn gewahrt bleiben können. Denn diese können sowohl durch den Schutz der Wälder gesichert werden als auch genau dadurch gefährdet werden.


Gerechtigkeitslücken beim Waldschutz

In vielen Ländern haben Waldbewohner sehr schlechte Erfahrungen mit Aufforstungsprojekten oder Schutzgebieten gemacht. Häufig wurden und werden Menschen aus neu ausgewiesenen Schutzgebieten vertrieben und damit ihrer Lebensgrundlage beraubt. Auch durch Aufforstungsprogramme, sogar im Rahmen des CDM, werden Menschen vertrieben, obwohl der CDM eigentlich der nachhaltigen Entwicklung vor Ort dienen soll. Die Vertreibungen aus dem Nationalpark Modhupur in Bangladesh oder die gewaltvollen Kone rund um CDM-Aufforstungsprojekte wie dem Plantar Projekt in Brasilien oder dem Mount Elgon im östlichen Uganda sind nur die bekannteren der zahlreichen Beispiele dafür, dass Wald- und Plantagenprojekte häufig auf Kosten der Lokalbevölkerung gehen.


Wer zerstört den Wald?

Soll Entwaldung dauerhaft verringert werden, müssen die Ursachen der Abholzung genau untersucht werden. Erst nach sorgfältiger Analyse können gemeinsam mit der Bevölkerung vor Ort Lösungen entwickelt werden. In Brasilien verdrängen der Ausbau von Infrastruktur, die Rinderzucht oder der Anbau von Soja den Wald. In Indonesien überwiegt hingegen die Umwandlung von Wald in Plantagen für Papier sowie der Anbau von Palmöl für Kosmetika, Nahrungsmittel und Agrarkraftstoffe. Großkonzerne, Hand in Hand mit lokalen Entscheidungsträgern, proren vom Raubbau. Hingegen werden häufig die Waldbewohner selbst für die Waldzerstörung verantwortlich gemacht. Ihre Rolle ist sehr umstritten und regional sehr unterschiedlich. Doch sind rund 200-300 Millionen der vom Wald abhängigen Menschen Landlose, die Brandrodungswanderfeldbau betreiben. Ist die Bevölkerungsdichte besonders groß, kommt es zur Übernutzung der Wälder.


Ohne Landrechte keine nachhaltige Nutzung

Einer nachhaltigen, langfristigen Nutzung der Flächen steht dabei entgegen, dass die Menschen keine langfristigen Nutzungsrechte am Land haben. So wird kurzfristig so viel aus dem Boden geholt wie möglich und nicht in die Zukunft investiert. Verbriefte Landrechte bieten hingegen Anreize zu langfristig umweltgerechter Nutzung. Armut und fehlender Zugang zu Land sowie gezielte Umsiedlung oder Verdrängung durch Konzerne treiben die Menschen zudem in die Wälder und in neue, ihnen unbekannte Anbauzonen. Ohne Kenntnisse ihrer Umwelt können sie das Land nicht nachhaltig nutzen. Auch gesetzliche Rahmenbedingungen befördern die Rodung der Wälder durch die Landbevölkerung. In vielen Ländern ergibt sich erst nach Rodung das Recht, das Land zu nutzen oder gar Landrechtstitel zu erhalten. Landrechtsreformen und die Errichtung und Stärkung von Landrechtstiteln für bewaldetes Land sind also entscheidend für dessen Schutz. Rechtsstaatlichkeit und Bekämpfung der Korruption sind ebenso nötig.

Sicher verbinden aber nicht alle waldreichen Staaten und Palmöl- oder Papierkonzerne diese Dinge mit REDD.


Problemlösung Nachhaltigkeitskriterien?

Die internationale Gemeinschaft könnte beim Schutz der Wälder, wie beim CDM, darauf pochen, dass Nachhaltigkeitskriterien eingehalten werden. Projekte müssten dann der ökologischen, sozialen und ökonomischen Entwicklung des Landes dienen. Doch die Verhältnisse vor Ort können so nur bedingt verändert werden, da Nachhaltigkeitsstandards nach dem Souveränitätsprinzip durch die nationalen Regierungen festgelegt werden. In anderen Verhandlungsfeldern pochen Regierungen der Entwicklungs- und Schwellenländer zudem darauf, keine Konditionalitäten akzeptieren zu müssen. Daher ist es sehr unwahrscheinlich, dass ausgerechnet in Fragen der Landrechte Einmischungen von außen erwünscht sind. Umgekehrt sind es bisher Australien, USA und Neuseeland gewesen, die die Rechte der Indigenen Bevölkerung bei REDD abgelehnt haben und nicht diejenigen Staaten, die es direkt betreffen wird. Große Herausforderungen sind also noch zu bewältigen, bevor die Diskussion sich auf Berechnungsmethoden und das Monitoring beschränken sollte.


Schutz auf der Einen - Zerstörung auf der anderen Seite?

Wie unterschiedlich Waldschutzprogramme in ihrer sozialen Ausgewogenheit sein können, zeigt sich am brasilianischen Klimaschutzprogramm. Durch das neue Klimaschutzprogramm soll die jährliche Entwaldungsrate bis 2028 um 70% gesenkt werden. Unter den Maßnahmen t sich sogar das Ziel, weitere Reservate zur nachhaltigen Nutzung des Waldes auszuweisen, so dass Entwicklung und Umweltschutz Hand in Hand gehen würden. Nach wie vor würden so allerdings 5000 km2 Wald im Jahr verloren gehen, das ist die doppelte Fläche des Saarlandes. Längst nicht genug aber immerhin ein erster Schritt und ein Hoffnungsschimmer für diejenigen, die im und vom Wald leben wollen. Zudem sollen allerdings auch massiv Plantagen aufgeforstet werden. Vier Fünftel des neu angepflanzten Baumbestandes dürfen nicht- heimische Arten sein (z.B. Eukalyptus). Dies bedeutet die Ausbreitung der grünen Wüsten, wie sie von den brasilianischen sozialen Bewegungen genannt werden. Monokultur mit hohem Wasserverbrauch und Pestizideinsatz, Vertreibung von Kleinbauern und Indigenen, prekäre Arbeitsverhältnisse - das ist bereits heute bei Plantagenprojekten zu beobachten. Zugleich konterkarieren die Maßnahmen im Klimaprogramm die Ziele, die Entwaldungsraten zu reduzieren, da es auf höhere Beimischungsquoten für Agarkraftstoffe im Land, die Steigerung des Exports von Agrarethanol sowie die Wasserkraft setzt.

Der Wert des Waldes wird allein daran gemessen, was seine Integration in den Weltmarkt wert ist. Dabei ist der Schutz des Amazonaswaldes im ureigenen Interesse der brasilianischen Regierung. So kommt etwa der Niederschlag im Süden aus Amazonien. Mit Amazonien geht auch der Regen im Süden und mit ihm die exportorientierte Landwirtschaft massiv zurück.


Gerechtigkeit im Wald

Waldschutz unter dem UN-Klimaschutzabkommen ist derzeit der einzig sichtbare Weg für ein internationales Waldschutzabkommen und muss daher unbedingt vorangetrieben werden. Eine falsch eingeleitete Politik birgt allerdings enorme Risiken für die vom Wald abhängigen Armen.

Statt Menschen aus ihrer Heimat zu verdrängen, sollte der Waldschutz den Menschen bessere Lebensbedingungen und Rechte bringen. Langfristige Waldschutzpolitik sollte darauf zielen, dass keine Konzessionen zur Zerstörung wertvoller Waldgebiete mehr vergeben werden und das Land denen zugesprochen wird, die Gewohnheitsrechte haben. Diese Menschen müssen darin unterstützt werden, ihr Land umweltgerecht und ertragreich zu nutzen. Dies würde auch verhindern, dass einfach an anderer Stelle abgeholzt wird. Die lokale Bevölkerung muss verbindliche Mitspracherechte erhalten und zuvor voll informiert werden. Starke Gemeinschaften sind in der Lage, ihren Wald gegen Holzfäller und Großkonzerne verteidigen zu können. Dafür brauchen waldreiche Staaten auch offizielle Unterstützung aus den Industrieländern. Im Gegenzug müssen sich die beteiligten Staaten mindestens zur Wahrung der Menschenrechte verpflichten.

Allerdings darf nicht vergessen werden, dass der große Druck auf den Wald besonders den globalen Konsumenten geschuldet ist. Dazu gehört insbesondere unser hoher Fleisch- und Papierkonsum, sowie in zunehmendem Maße der Anbau von Agrotreibstoffen. Zudem forciert die Staatsverschuldung vieler Entwicklungsländer eine nicht-nachhaltige, exportorientierte Landwirtschaft, die zum Abholzen der Wälder führt. In diesem Sinne sollte auch die Frage nach Entschuldung neu gestellt werden.

Die Autorin ist Referentin für Klimawandel und Entwicklung bei MISEREOR.
Weitere Infos unter: www.misereor.de; www.klima-und-gerechtigkeit.de


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Herausgeber: Projektstelle Umwelt & Entwicklung
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E-Mail: info@forumue.de
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2009