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WALD/084: Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung und Vielfalt (FUE Rundbrief)


Forum Umwelt und Entwicklung - Rundbrief 1/2009
Schwerpunkt

Kann REDD der biologischen Vielfalt nützen?
Fachtagung der AG Biodiversität1

Von Friedrich Wulf


Die Reduktion von Emissionen aus Entwaldung und Walddegradierung in Entwicklungsländern wird aktuell - nicht nur in den internationalen Klimaverhandlungen - heftig diskutiert. Mit REDD (Reducing Emissions from Deforestation and Degradation) soll für die zweite Verpflichtungsperiode des Klimaabkommens ab 2012 ein Konzept eingeführt werden, um die CO2-Emissionen aus menschenverursachter Entwaldung maßgeblich zu reduzieren. Auf einer vom Forum Umwelt und Entwicklung organisierten Fachtagung diskutierten VertreterInnen aus Verbänden, Wissenschaft, Politik und Verwaltung über ihre Positionen im Hinblick auf die bevorstehenden Verhandlungen im Rahmen der Klimarahmenkonvention 2009 in Kopenhagen, wo REDD beschlossen werden soll.

2005 wurde ein Vorschlag von Costa Rica und Papua zu «REDD» («Reducing Emissions from Deforestation and Degradation») in die Verhandlungen zur UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) aufgenommen. Bis zur 15. Konferenz dieser Konvention in Kopenhagen im Dezember 2009 müssen sich die Länder der Erde nun auf eine Methode zur Anrechnung des Walderhalts auf den Klimaschutz einigen.


Verpflichtung freikaufen?

Doch der Teufel steckt im Detail. Wegen ganz unterschiedlicher Zielvorstellungen und Interessen der Vertragsparteien, aber auch wegen tatsächlicher methodischer Schwierigkeiten, nahm das Thema an der 14. Klimakonferenz in Posen im Dezember 2008 zwar einen breiten Raum ein - nennenswerte Fortschritte wurden aber keine erzielt.

Eine Schlüsselstellung nimmt die Art und Weise ein, wie der Walderhalt honoriert werden kann. Die ursprüngliche Idee sah vor, dass wie für Emissionseinsparungen im industriellen Bereich Zertifikate für den Walderhalt ausgegeben werden. Diese sollen dann mit den Industriezertifikaten gehandelt werden können. Doch dabei besteht die Gefahr, dass die Industrieländer sich durch den Kauf von billigen «Waldzertifikaten» von der Verpflichtung freikaufen, ihre eigenen Industrieemissionen zu reduzieren. Statt des ursprünglich zu rodenden Waldes würde nun einfach ein anderer gerodet - und so hätten weder Klimaschutz noch der Schutz der biologischen Vielfalt einen Nutzen davon.

Ein Ausweg könnte sein, die Erhaltung der Wälder stattdessen durch einen Fonds zu zieren, der nicht in den Emissionshandel eingebunden ist. So kann eine Zusätzlichkeit zu den bisherigen Einsparungen gewährleistet werden. Nur fehlt hier der Anreiz für die Finanzierung. So entstand der Vorschlag, den Fonds an die CO2-Emissionen der Industrieländer zu koppeln, den Handel von Waldzertifikaten aber getrennt vom Industrie-Emissionshandel zu halten. Wer mehr CO2 produziert, muss mehr Gelder in den Fonds stecken.


muss die grundlegende REDD-Architektur aussehen, wenn es einen Nutzen für Biodiversität und Klima geben soll?

Ein solcher marktgekoppelter Ansatz, wie er derzeit z.B. von Greenpeace (unter dem Namen TDERM oder Forests for climate) vorgeschlagen wurde, fand bei der Tagung der AG Biodiversität "Kann der Klimaschutz den Regenwald retten?" am 26. und 27. Februar in Bonn einhellige Zustimmung. 45 Teilnehmende aus Verbänden, Wissenschaft, Politik und Verwaltung hatten sich getroffen, um gemeinsam zu überlegen, wie REDD gestaltet werden müsse, um einen realen Nutzen zu haben. Für eine Einbeziehung in den Emissionshandel fand sich kein Fürsprecher, auch nicht unter den Regierungsvertretern. Ein weiterer Grund - neben der Möglichkeit des "Freikaufs" für Industrieländer - war die mangelnde Möglichkeit, den Handel in nachhaltige Bahnen zu steuern.

Genau diese wurde im Plenum und im Workshop "Wie kann die Biodiversität besonders berücksichtigt werden?" als einer der wichtigsten Voraussetzungen für eine nachhaltige REDD-Methodik herausgestellt. Urwälder und andere biodiversitätsreiche Gebiete müssen ebenso wie Gebiete mit einer hohen CO2-Speicherung gegenüber anderen Bereichen vorrangig berücksichtigt werden. Es muss also die Möglichkeit bestehen, Prioritäten zu setzen und die Erhaltung der Biodiversität muss eine Voraussetzung für die Mittelzuteilung sein. Mit dem Überschneidungskonzept, das dem Carbon and Biodiversity Atlas des UNEP/WCMC zugrunde liegt oder dem HCV2-Konzept von Greenpeace gibt es hierfür bereits gute fachliche Grundlagen.


Plantagen sind kein Wald - und sie nützen weder Klima noch Biodiversität

Als weitere wichtige Stellschrauben wurden die Walddefinition, die Frage, ob nur vermiedene Entwaldung oder auch vermiedene Degradation und Aufforstungen mitbetrachtet werden sollen und die Frage der Betrachtungsebene - national oder projektbasiert - identifiziert. Keines der bestehenden Modelle unterschiedet zwischen Monokultur-Plantagen und Urwald - und so gibt es noch keinen Anreiz, letzteren zu erhalten. Dabei sind Monokulturen, insbesondere von Exoten wie Eukalyptus - im Vergleich zum ursprünglichen Wald nicht nur ökologische Wüsten, sie binden oft auch nur einen Bruchteil des Kohlenstoffs, der im gerodeten Wald gebunden und bei der Rodung freigesetzt wurde. Für einen brauchbaren REDD-Mechanismus müssen Plantagen zum einen durch die derzeit angewandte Walddefinition wie auch dadurch beschränkt werden, dass sich REDD nur auf Entwaldungen und Degradierungen bezieht.


Nationale Ebene oder Projekte?

Veränderungen der Entwaldungsrate sollten auf nationaler Ebene gemessen und bewertet werden, damit es nicht durch Verlagerung (leakage) der zu rodenden Gebiete zu einer Scheinlösung kommt. Zur Umsetzung der Maßnahmen sind im Rahmen eines Schritt-für-Schritt-Ansatzes jedoch auch regionale Projekte zu fördern, wobei die Einbeziehung aller Beteiligten - namentlich der lokalen Bevölkerung - eine Selbstverständlichkeit sein sollte und ein wesentliches Element für den Erfolg der Maßnahmen ist.


Und nun?

Viele Fragen zu REDD sind trotz des raschen Herannahens der Konferenz im Dezember, auf der seine genaue Form beschlossen werden soll, noch immer offen - auch die dargestellten. Biodiversität spielt bei den Verhandlungen kaum eine Rolle, die Wälder dienen in den Köpfen vieler Delegierter nur als Kohlenstoffspeicher. Daher sollten die Gelegenheiten dieses Jahr, wie etwa die 5. Sitzung der NonAnnex-I Länder3 ab dem 30. März in Bonn - genutzt werden, um die Vorschläge für ein biodiversitätsfreundliches REDD den Delegierten nahezubringen.

Der Autor ist Projektleiter für Politik und Internationales bei Pro Natura - Friends of the Earth Schweiz und einer der beiden Koordinatoren der AG Biodiversität des Forums Umwelt und Entwicklung.

1 Die Tagungsbeiträge sind unter www.forum-ue. de/index.php?id=148 abrufbar.
2 High Conservation value
3 Ad hoc Working group on long-term cooperative action


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Unter welchen Bedingungen kann REDD der Biologischen Vielfalt nützen?

Wenn REDD nicht nur den Klimawandel bremsen, sondern auch der Erhaltung der Wälder dieser Erde dienen soll, müssen bei seiner Gestaltung bestimmte Bedingungen berücksichtigt werden:

• Es darf nicht in den Emissionshandel integriert werden
• Es sollte eine fondsbasierte, evtl. marktgekoppelte Lösung angestrebt werden, die Steuermöglichkeiten bietet
• Bei der Zuteilung der Mittel und der de-facto Bewahrung von Wäldern müssen biodiversitätsreiche Lebensräume und solche mit hoher Kohlenstoffspeicherkapazität Vorrang genießen
• Bewahrung von bestehenden Wäldern - insbesondere von Urwäldern und nachhaltig genutzten Wäldern - sollte Vorrang vor Wiederaufforstungen haben
• Monokultur-Plantagen und Neuaufforstungen sollen nicht berücksichtigt werden; die Walddefinition sollte entsprechend angepasst werden Bemessungsgrundlage ist die tatsächliche Verringerung des Waldeinschlags auf Landesebene gegenüber einem "Business as usual"- Szenario
• Die Mittelvergabe sollte zumindest teilweise erst bei nachweisbaren Erfolgen stattfinden und von der Einhaltung der Biodiversitätskriterien abhängig gemacht werden.


Das Forum Umwelt & Entwicklung wurde 1992 nach der UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung gegründet und koordiniert die Aktivitäten der deutschen NRO in internationalen Politikprozessen zu nachhaltiger Entwicklung. Rechtsträger ist der Deutsche Naturschutzring, Dachverband der deutschen Natur- und Umweltschutzverbände (DNR) e.V. Diese Publikation wurde vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) offiziell gefördert. Der Inhalt gibt nicht unbedingt die Meinung des BMZ wieder.


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Quelle:
Forum Umwelt & Entwicklung - Rundbrief 1/2009
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veröffentlicht im Schattenblick zum 10. August 2009