NATURSCHUTZ heute - Sommer 2018
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.
Müll als Beifang
Bei der Entsorgung in Deutschland unterstützt der NABU Fischer mit dem
"Fishing for litter"-Projekt.
von Nicole Flöper
Über eine Tonne an Abfällen - die hat Björn Fischer in Heikendorf innerhalb von sechs Monaten an Land gebracht. Seit über einem Jahr macht der Fischer beim NABU-Projekt "Fishing for Litter" mit, das ihm ermöglicht, den Müll aus dem Meer in einem Container des NABU kostenfrei am Hafen zu entsorgen. "Ich habe schon immer den Abfall mit an Land gebracht, geändert hat sich in all den Jahren nichts", sagt Fischer. "Klasse ist, dass durch den NABU ausgewertet wird, was für Abfälle das sind und woher sie kommen, denn wir Fischer werden oft als die Verursacher des Mülls dargestellt."
Das Problem Müll im Meer
Die Bilanz nach sieben Jahren "Fishing for Litter": rund 30 Tonnen
Abfälle. Seit 2011 hat das Projekt einen festen Platz in der
NABU-Meeresschutzarbeit. Begonnen hat alles in Burgstaaken auf
Fehmarn, mittlerweile beteiligen sich 17 Fischereihäfen mit 160
Fischern an dem Projekt, neun in der Nordsee und acht in der Ostsee.
Das Projekt unterstützt Fischer bei der Entsorgung der Abfälle, die
sie beim Fischfang mit an Land bringen. Hintergrund ist, dass nicht
nur der Fisch, sondern auch der Müll, den sie mit herausfischen, ins
Eigentum der Fischer übergeht. Somit sind sie ebenfalls verantwortlich
für die Entsorgung, der dann in der Vergangenheit leider manchmal auch
zurück ins Meer gegangen ist. "Fishing for Litter setzt bei diesem
Problem an", erklärt Nils Möllmann, beim NABU zuständig für das
Projekt. Den Ursprung hat die Idee in den Niederlanden und Belgien
gehabt und ist anschließend auch von Großbritannien aufgegriffen
worden. In Deutschland setzte der NABU das Vorhaben um. "Die Fischer
sind für den aufgefischten Müll natürlich nicht ursächlich
verantwortlich, daher ist es umso ärgerlicher, wenn sie den Aufwand
haben die Maschinen an Bord von Schnüren, Draht und Garn zu befreien
und die Zusatzkosten der Entsorgung tragen müssen."
Viele Abfälle kommen von Land über die Flüsse. "In der Nordsee wird bei den Funden sehr deutlich, dass wir mit dem Rest der Anrainerstaaten der Nordsee und des Ärmelkanals bezogen auf Wind, Wetter und Gezeiten, in einem Boot sitzen. Sie stammen zum Teil von weit weg und reichen vom Wasserball vom nächsten Strand, Spezialteilen aus der Muschelzucht in der Bretagne bis zu Hochzeitsluftballons aus East Anglia mit Antwortkarte und Foto", sagt Möllmann.
Wissenschaftliche Auswertung der Fundstücke
Zusammen mit einem wissenschaftlichen Team der Hochschule
Magdeburg-Stendal, mit Mitarbeitern von Landesbehörden und vielen
NABU-Freiwilligen und Aktiven wertet Nils Möllmann die Fundstücke
jährlich aus. Da sie nicht alle Abfälle sortieren können, werden
zweimal im Jahr möglichst große Stichproben aus beiden Meeren
begutachtet. Die Fundstücke werden per Hand sortiert. Kategorisiert
wird in zwei Schritten zunächst nach der OSPAR
(Meeresschutzübereinkommen zum Schutz der Meeresumwelt des
Nordostatlantiks)-100-Fundstückliste und in einem zweiten Schritt nach
Typ der gefischten Stoffklassen wie beispielsweise Holz, Leder, Gummi
und Plastik. Außerdem wird alles gewogen. 41.000 Fundstücke - das ist
die aktuelle Zahl für die Nordsee. Dort ist Kunststoff auf Platz 1. In
der Ostsee sind dafür Metall und Kunststoffe fast gleichauf. "Neu ist
unsere Top-Ten-Fundstückliste, an der wir ablesen können, gegen
welchen Müll man dringend vorgehen muss. Einwegprodukte sind dabei ein
klar identifiziertes Problem", so Möllmann. Leider dauere es oft
Jahre, bis EU, Bundesregierung oder Handel etwas unternehmen würden.
Erfolge waren zuletzt die Auslistung der Plastiktüte oder der aktuelle
Vorstoß einer Plastiksteuer.
Die Bilanz nach sieben Jahren "Fishing for Litter": rund 30 Tonnen Abfälle.
"Die Auswertungen aus Fishing for Litter liefern uns Zahlen zu unseren Argumenten, und die sind wichtig, um auf politischer Ebene etwas zu erreichen. Wir arbeiten beispielsweise mit beim Runden Tisch Meeresmüll der Bundesregierung", erklärt Möllmann. "Außerdem sind wir froh über die guten Kontakte zu den Fischern, so konnten wir auch andere wissenschaftliche Studien beispielsweise zu alternativen Fangmethoden zusammen durchführen. Denn wir teilen die Liebe und Sorge um den Zustand der Meere, wenn auch aus unterschiedlichen Motiven."
Recycling von Fischernetzen
Zusammen mit der Hochschule Magdeburg-Stendal werden seit vier Jahren
die Wiederverwertungsmöglichkeiten des Kunststoffabfalls untersucht.
"Aus den Netzen und Tauen haben wir Granulat, sogenannte Rezyklate,
hergestellt, aus denen Produkte entstanden sind: Brillengestelle und
Brieföffner", sagt Gilian Gerke, Professorin im Fachbereich Wasser,
Umwelt, Bau und Sicherheit, Arbeitsgruppe: Rohstoffwerkstatt. Das
Verfahren sei jedoch sehr aufwändig, da viel händisch sortiert werden
müsse. Zuerst muss der Kunststoffabfall, in diesem speziellen Fall
Dolly Ropes, das sind so genannte Scheuerfäden, nach Farben sortiert
und dann gereinigt werden. Je nach Alter sind die Teile stark
verschmutzt, etwa mit Sand und Ton, oder von Pflanzen und Muscheln
bewachsen. Nach der Waschung werden sie zerkleinert und dann noch
einmal gereinigt. "Diese Forschungen werden die Ursache allerdings
nicht lösen", so Gerke, "das Plastik darf erst gar nicht im Meer
landen."
Wichtig ist Björn Fischer, dass die Menschen nicht achtlos ihren Müll in die Gegend werfen. "Ich habe das meinen Kindern beigebracht, aber es gibt immer noch Leute, denen das egal ist. Auch einfach mal fremden Müll aufheben, den man auf dem Weg oder am Strand sieht - das sollten mehr Menschen tun", findet Fischer.
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Quelle:
Naturschutz heute - Sommer 2018, Seite 36 - 37
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des Naturschutzbundes Deutschland (NABU) e.V.
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ist der Bezug im Jahresbeitrag enthalten.
veröffentlicht im Schattenblick zum 6. September 2018
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