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SCHUTZGEBIET/661: 25 Jahre Nationalpark Wattenmeer - eine Bilanz (NPN)


Nationalpark Nachrichten - Oktober-Dezember 2010
Informationsblatt aus dem Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer

25 Jahre - eine Bilanz


Am 1. Oktober 2010 besteht der Nationalpark ein Vierteljahrhundert. Dr. Detlef Hansen, Leiter der Nationalparkverwaltung, ist von Anfang an dabei und hat das heutige Gesicht dieses größten europäischen Nationalparks wesentlich mitgeprägt. Er blickt zurück auf eine der größten Erfolgsgeschichten Schleswig-Holsteins.

"Beim Blick über den Deich schauen wir in einen Naturraum der Superlative. Nirgendwo auf der Welt hat sich unter dem Einfluss der Gezeiten eine vielfältigere Landschaft entwickelt, die sich noch heute ständig verändert und sich in einem weitgehend vom Menschen unbeeinflussten Zustand erhalten hat, schutzwürdig und schutzbedürftig zugleich. So war es nur folgerichtig, dass der schleswig-holsteinische Landtag durch Gesetz beschloss, am 1. Oktober 1985 den Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer einzurichten.

25 Jahre später, am 1. Oktober 2010, trifft der Meeresgrund noch immer den Horizont, bestimmen Ebbe und Flut den Ablauf in dieser amphibischen Welt. Und doch hat sich der Nationalpark mal unmerklich, mal augenfällig verändert, Dies betrifft nicht nur Tiere und Pflanzen, auch die Einstellung der Menschen zu ihrem Nationalpark hat sich verändert, Der Weg von der Idee bis zur Umsetzung des Nationalparks war mühsam und steinig, wie bei Einführung der meisten Großschutzgebiete in Deutschland. Skepsis und Ablehnung gegenüber dem Neuen bestimmten die Diskussion auch an der schleswig-holsteinischen Westküste, Aufkleber "Nationalpark - Nein Danke!!" wurden verteilt.

Auch wenn die damals noch jungen Naturschutzgesetze ausdrücklich vorsahen, dass naturverträgliche Nutzungen in Nationalparks nicht ausgeschlossen sind, bestand an der Küste doch Furcht vor der Einschränkung traditioneller Nutzungen. In Deutschland war Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre noch völlig unbekannt, welche Aufgaben und Ziele ein Nationalpark vorrangig zu erfüllen hatte.

Dass die Entscheidung für den ersten deutschen Wattenmeer-Nationalpark richtig war, ist heute unstrittig. Mehr als 85% der Menschen in Schleswig-Holstein - auch der Küstenbewohner - halten es für wichtig oder sind sogar stolz darauf, den Nationalpark vor ihrer Haustür zu haben! Die Menschen haben erkannt, welche Chancen der Nationalpark für Mensch und Natur gleichermaßen hat, Die Nationalparkgeschichte ist eine der Erfolgsgeschichten des Naturschutzes in Schleswig-Holstein, mit Strahlkraft über die Ländergrenzen hinweg, wie die aktuelle Diskussion um die Einrichtung des dänischen Wattenmeer-Nationalparks und die Anerkennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbestätte durch die UNESCO im Jahre 2009 belegen.

Vor dem Hintergrund weltweit diskutierter Themen wie Schutz der Biodiversität, Klimawandel und Umweltzerstörung rücken Nationalparks und Biosphären-Schutzgebiete in Deutschland und weltweit in den Mittelpunkt der Naturschutzpolitik. Wir sind Teil eines weltweiten Netzes von Großschutzgebieten, in denen sich Natur nach ihren eigenen Gesetzen entwickeln kann, ohne zu fragen, was sie dem Menschen nutzt. Natur Natur sein lassen, ist das starke Leitbild der Nationalparks weltweit. Im Wattenmeer hat dieses Ziel seine Grenzen nur dort, wo Leib und Leben der Menschen bedroht sind. Notwendiger Küstenschutz wird durch den Nationalpark deshalb nicht in Frage gestellt.

Das Nationalparkamt, anfangs in der blauen Baracke an der Eider, heute als Nationalparkverwaltung im Tönninger Schlossgarten untergebracht und seit 2008 Teil des neu gegründeten Landesbetriebes für Küstenschutz, Nationalpark und Meeresschutz, setzte auf Information, Aufklärung und Beteiligung der Menschen. Arbeitskreise wurden gegründet und mit den beiden seit 1997 öffentlich tagenden Nationalpark-Kuratorien wurde die Mitsprache der Nutzer und Kommunen sichergestellt. Entscheidungen wurden transparent. Mit den Jahren wurde deutlich, dass der geforderte Interessenausgleich zwischen Schutz und Nutzung mit Vernunft und Augenmaß möglich ist.

Unerlässliche Voraussetzung dafür sind und waren klare Zielvorgaben und rechtlich verbindliche Standards, Unser Nationalparkgesetz (NPG) von 1985, das 1999 auf der Grundlage der mehrjährigen Ökosystemforschung im Wattenmeer novelliert wurde, hat sich als verlässliche Rechtsgrundlage erwiesen, "Klare Grenzen geben gute Nachbarschaft": sagte ein Eiderstedter Bürgermeister in der hitzigen Debatte um die Novelle des NPG. Die nach ökologischer Empfindlichkeit eingerichteten Schutzzonen, die seeseitige Erweiterung um ein Schweinswalschutzgebiet vor Sylt und Amrum und klare "Spielregeln": was im Nationalpark erlaubt ist und was nicht, machen unser Nationalparkgesetz zu einer verlässlichen Grundlage.

Der Nationalpark war von Anfang an ein wichtiges Argument im internationalen Nordseeschutz, Dass das Einbringen von Dünnsäure, Klärschlamm, Schadstoffen, Öl und Müll gestoppt und zumindest im Bereich der Nordsee deutlich reduziert wurde, ist maßgeblich der Gründung der drei Küstennationalparks und der vertrauensvollen Zusammenarbeit auf trilateraler Ebene zu verdanken. Die Arbeit des Gemeinsamen Wattenmeersekretariats in Wilhelmshaven ist dabei besonders herauszustellen.

Gleichzeitig wurden Lösungen für Nationalpark-unverträgliche Nutzungen gefunden: die Jagd im Nationalpark wurde bis Ende der 1980er Jahre schrittweise eingestellt, die Herzmuschelfischerei mit ihren gravierenden Eingriffen in den Wattboden beendet, die Waffenerprobungen in der Meldorfer Bucht wurden auf wenige Tage im Jahr reduziert, der Luft-/Bodenschießplatz im Syker Königshafen aufgrund der Wiedervereinigung überflüssig, die Mindestflughöhe für zivilen wie militärischen Flugverkehr wurde deutlich angehoben.

Die Natur, die Menschen in Schleswig-Holstein und unsere Gäste haben in den letzten 25 Jahren eindrucksvoll vom Nationalpark profitiert. Die Geschichte des Nationalparks zeigt, dass eine nachhaltige Regionalentwicklung gelingt, dass sich glaubhafter Nordseeschutz auch wirtschaftlich bezahlt macht, Anrainer profitieren von den Angeboten und der Infrastruktur des Nationalparks: ein funktionierendes Besucherlenkungs- und Informationssystem (Informationseinrichtungen, Pavillons, Lehrpfade und Internetangebote), fachkundige Schutzgebietsbetreuung durch Ranger der Nationalparkverwaltung und Mitarbeiter der Naturschutzverbände und vielfältige Naturerlebnisangebote der Nationalpark-Partner. Mehr als eine Million Gäste nutzen diese Angebote jährlich. Mit der Anerkennung des Wattenmeeres als Weltnaturerbe wird die Nachfrage nach Naturerlebnisangeboten weiter steigen. Intakte Natur ist heute eins der entscheidenden Kriterien, nach denen Gäste ihren Urlaubsort auswählen. Nationalparks und Weltnaturerbestätten garantieren diese Wertigkeit und stehen für erlebbare Natur.

Der Nationalpark ist ökologisch weitestgehend intakt. Er hat in den letzten 25 Jahren seine Rolle in der Region gefunden und genießt heute breite Zustimmung in der Bevölkerung. Ich möchte all jenen danken, die ihren Teil dazu beigetragen haben, dass wir heute stolz Bilanz ziehen können.

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Im wattenmeer betritt man den Meeresboden. Für Urlauber ein außergewöhnliches Erlebnis, Postbote Knud Knudsen (links), der zur Hallig Süderoog unterwegs ist, liebt dies auch nach vielen Jahren noch.
Die Nationalpark-Ranger Martin Kühn und Rainer Rehm erläutern bei den Ringelganstagen, wartum und wie die Vögel beringt werden.


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Quelle:
Nationalpark Nachrichten 10-12/2010, Seite 1-2
Herausgeber:
LKN / Nationalparkverwaltung Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer
Schlossgarten 1, 25832 Tönning
Tel.: 04861/616-0, Fax: 04861/616-69
www.wattenmeer-nationalpark.de

Die Nationalpark Nachrichten erscheinen etwa 4 mal jährlich und sind kostenlos


veröffentlicht im Schattenblick zum 17. Oktober 2010