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SCHUTZGEBIET/814: Ettersberg - Neues Naturschutzprojekt der NABU-Stiftung bei Weimar (Naturschutz heute)


NATURSCHUTZ heute - Heft 3/15
Mitgliedermagazin des Naturschutzbundes (NABU) e.V.

Sonnenschein über dem Ettersberg
NABU-Stiftung beginnt neues Naturschutzprojekt bei Weimar.

von Frauke Hennek


Weit öffnet sich der Blick in das Blau und Grün des Thüringer Beckens, ist man erst den Hang des 478 Meter hohen Großen Ettersbergs hinaufgestiegen. Die Luft ist würzig vom Geruch der Kräuter, die am sonnenverwöhnten Südhang des Ettersbergs wachsen: Wiesen-Salbei, Kreuzblümchen, Thymiane blühen hier. Aber auch Orchideen wie die Bienenragwurz, das Purpur-Knabenkraut oder die Grünliche Waldhyazinthe kann der botanisch Interessierte in den Wiesen und entlang der lockeren Waldsäume entdecken. Große Teile des Naturschutzgebietes "Südhang Ettersberg" bei Weimar will die NABU-Stiftung in den kommenden Jahren kaufen und als NABU-Naturparadies dauerhaft bewahren.

408 Hektar des Südhanges sind als Naturschutzgebiet ausgewiesen und bieten nahezu 500 Pflanzenarten und über 90 Vogelarten eine Heimat. 26 Libellenarten, 18 Heuschreckenarten und viele holzbewohnende Käferarten zeugen vom hohen naturschutzfachlichen Wert des Gebietes. Neben den weiten Kalkmagerrasen liegt das am Reichtum besonderer Geländestrukturen wie tief eingeschnittene Erosionstälchen, Erdfälle, Tümpel, kleine Steinbrüche und zu Tage tretende Kalkgesteinsschichten. Hinzu kommen weitere Streuobstwiesen im Osten des Geländes sowie die Waldinsel des Blumberger Waldes, die von Trockenrasen eingefasst ist.

Wertvolle Nische für Tier- und Pflanzenarten

Zu Füßen des Südhangs liegt Weimar, das die UNESCO 1998 zum Weltkulturerbe erklärte. Zum kulturellen Erbe der Stadt gehören neben den Traditionen der Weimarer Klassik um Wieland, Goethe, Herder und Schiller auch das Bauhaus und die Nationalversammlung von 1919. Oberhalb des Südhangs erinnert unübersehbar der Glockenturm der Gedenkstätte Buchenwald daran, dass der Ettersberg nicht nur die lichten Epochen, sondern auch die ersten Kapitel der deutschen Geschichte erlebt hat.

Zwischen diesen beiden Polen aus Licht und Schatten liegt das Naturschutzgebiet und bietet gefährdeten Tier- und Pflanzenarten eine wertvolle Nische. Mit etwas Glück lassen sich Grauammer, Sperbergrasmücke, Schwarzkehlchen, Raubwürger oder auch der Wendehals beobachten. Seltene Blumen wie Hauhechel, Ästige Graslilie oder Kreuz-Enzian und eine Vielfalt von Tagschmetterlingen bringen Farbe in die Landschaft. Wer auf den Spuren der großen Weimarer Dichter und Denker wandeln will, durchstreift von den Vororten Weimars aus auf naturbelassenen Feldwegen die nur wenig erschlossene Landschaft.

NABU rettet Naturparadies für kommende Generationen

Große Teile des Naturschutzgebietes dienten seit 1935 verschiedenen Streitkräften als militärisches Übungsgelände und waren daher öffentlich nicht zugänglich. Das bewahrte sie davor, bebaut oder intensiv land- und forstwirtschaftlich genutzt zu werden, aber führte auch zu einer hohen Munitionsbelastung. Blindgänger, Übungsmunition und Gebäuderuinen sind inzwischen weitestgehend geräumt, so dass die Thüringer Landentwicklungsgesellschaft als Eigentümer 2014 mit der Suche nach einem Käufer begann. Denn im Unterschied zu den bedeutenden Naturschutzflächen des Bundes, die als Nationales Naturerbe kaufpreislos an Naturschutzorganisationen übergeben werden, befindet sich das Gebiet in einem Sondervermögen des Landes mit den von den Sowjetstreitkräften genutzten Liegenschaften und kann nur zum Verkehrswert verkauft werden. Die Zukunft des Naturschutzgebietes lag damit im Ungewissen: Würde sich auch der neue Eigentümer verantwortungsbewusst um den Erhalt der Artenvielfalt sorgen oder wären ständige Auseinandersetzungen mit den Naturschutzbehörden zu befürchten gewesen?

Um diese Zukunftssorgen auszuräumen und das Naturparadies für kommende Generationen zu retten, hat sich die NABU-Stiftung für den Erwerb der 289 Hektar im Eigentum der Landesentwicklungsgesellschaft beworben. So wird künftig sichergestellt, dass der neue Eigentümer die wertvollen Lebensräume mit ihren seltenen Tieren und Pflanzen nicht wirtschaftlichen Interessen opfert. Genauso groß wie die Sorge vor einer Intensivierung ist die Sorge vor einer zu geringen Nutzung der weiten Wiesen, die nur durch den Hunger einer lokalen Schafherde offen gehalten werden. Für die NABU-Stiftung steht das Wohl der Tier- und Pflanzenwelt an allererster Stelle. Dafür will sie sich künftig um die Beibehaltung und naturschutzfachliche Steuerung der derzeitigen Schafbeweidung kümmern und Waldflächen wie den Blumberger Wald zu einem artenreichen Urwald von morgen entwickeln. Mit dem NABU-Regionalverband Weimar/Apolda und der Naturschutzbehörde Weimar hat sie hierbei vor Ort zwei engagierte Partner gefunden.

Mit Hilfe eines Spendenaufrufs des NABU-Bundesverbandes konnte die Stiftung Ende April den ersten Kaufvertrag für das neue Naturparadies am Südhang des Ettersbergs unterschreiben. Damit sind die ersten 88 Hektar des Naturschutzgebietes bereits fest in NABU-Hand. Bis 2018 will die NABU-Stiftung die restlichen Flächen in Obhut bringen. Der Zeitplan der kommenden Kaufverträge wird dabei von der Verfügbarkeit ausreichender Spenden bestimmt.

Mehr zum Ettersberg unter www.naturerbe.de


Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:

• Kreuzenzian

• Mit etwas Glück lassen sich Grauammer, Sperbergrasmücke, Schwarzkehlchen, Raubwürger oder auch der Wendehals beobachten.

• Der Ettersberg ist der Hausberg Weimars. Große Teile des Südhangs wurden lange Zeit militärisch genutzt. Hier hat sich ein vielfältiges, kleinräumiges Mosaik vor allem trocken-warmer, aber auch feuchter Lebensräume entwickelt.

• Niemals vergessen: Am Ettersberg erinnert die Nationale Mahn- und Gedenkstätte Buchenwald an das NS-Konzentrationslager, das hier von 1937 bis 1945 bestand. Mehr als 56.000 der dort Inhaftierten wurden umgebracht. Weitere 7.000 Menschen starben, als die sowjetische Militärverwaltung an gleicher Stelle bis 1950 ein Internierungslager betrieb.

• Die Saat-Esparsette stammt ursprünglich aus dem Mittelmeerraum und mag es daher warm und sonnig.

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Quelle:
Naturschutz heute - Heft 3/15, Seite 24-25
Verlag: Naturschutz heute, 10108 Berlin
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veröffentlicht im Schattenblick zum 11. August 2015

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