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LAIRE/076: Walschützer ziehen Klage gegen U.S. Navy zurück (SB)


Nach dem vernichtenden Urteil des Obersten Gerichts der USA

Navy darf umstrittene Sonargeräte einsetzen

NGOs um Schadensbegrenzung bemüht


Die US-Navy hat sich mit einem Zusammenschluß von Walschützern, die gegen den Einsatz von aktiven Sonargeräten im mittleren Frequenzbereich geklagt hatten, darauf geeinigt, daß die Auswirkungen des Einsatzes militärischer Sonargeräte auf Meeressäuger genauer erforscht werden sollen, aber daß darüber hinaus der Navy keine weiteren Beschränkungen auferlegt werden.

Mit dem umstrittenen Sonar der US-amerikanischen Seestreitkräfte werden regelmäßig kurze, explosionsartige Schallwellen ausgesandt. Aus dem Reflexionsmuster schließen Soldaten auf die Präsenz und Entfernung von U-Booten möglicher Widersacher. Walschützer gehen davon aus, daß das Sonar zu Gewebezerstörungen in Hörorganen und zu Orientierungsverlusten von Meeressäugern führen kann.

Vergangene Woche Freitag hatten die Kläger, zu denen der Natural Resources Defense Council (NRDC), der International Fund for Animal Welfare, die Cetacean Society International, die League for Coastal Protection, die Ocean Futures Society und der Meeresforscher Jean-Michel Cousteau gehören, ihre am 19. Oktober 2005 bei einem kalifornischen Gericht eingereichte Klage gegen die Navy zurückgezogen. Kläger und Beklagte haben sich darauf geeinigt, daß die Navy ihr im August 2005 aufgenommenes Umweltanalyse- und -forschungsprogramm fortführt, teilte das Pressebüro der U.S. Navy am 27. Dezember mit [1]. Die Navy werde eine Reihe von Schutzmaßnahmen, wie sie früher mit der National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) ausgearbeitet worden seien, ergreifen.

Frank R. Jimenez, Rechtsanwalt der Navy, zeigte sich zufrieden, daß nach drei Jahren des Prozessierens "endlich eine zufriedenstellende Lösung" gefunden wurde. Die Navy begrüße eine Einstellung, die sich mehr auf wissenschaftliche Forschungen als auf Prozesse stütze, erklärte er [1]. Die Einigung sieht unter anderem vor, daß die Navy, die eigenen Angaben zufolge im Haushaltsjahr 2008 26 Mio. Dollar in ein Forschungsprogramm für Meeressäuger investiert hat, in den nächsten drei Haushaltsjahren insgesamt 14,75 Mio. Dollar aus dem Forschungsbudget für Meeressäuger abzweigen wird, um die Kläger bei ihrer Arbeit zu unterstützen. Die Einigung bestätige die Verpflichtung der Navy, einen Ausgleich zu schaffen zwischen ihrer Bedeutung im Umweltschutz und der Verantwortung, das öffentliche Interesse an nationaler Sicherheit zu schützen, indem sie die Fähigkeit zu realistischen Übungen bewahre, heißt es in der Presseerklärung.

Auch der NRDC zeigte sich zufrieden ob des Ergebnisses. Die Erklärung auf der Website der Organisation klingt ähnlich wie die der Navy: "Nach Jahren des Prozessierens gegen die US-Navy wegen ihrer Weigerung, Umweltfolgenabschätzungen für Sonar-Übungen durchzuführen, wurde am Samstag eine Einigung erzielt, durch die die Navy verpflichtet wird, ein Programm mit vollständigen Umweltgutachten in größeren Übungsgebieten auf der ganzen Welt abzuschließen." [2]

Außerdem müsse die Navy zuvor geheimgehaltene Informationen über den Sonar-Einsatz freigeben und sei verpflichtet, fast 15 Mio. Dollar für die Erforschung der Meeressäuger nach den Vorstellungen des NRDC und der Mitkläger freizugeben.

Aus nachvollziehbaren Gründen ist die Naturschutzorganisation um den Eindruck bemüht, sie gehe erhobenen Hauptes aus dem Konflikt hervor. Daran bestehen jedoch Zweifel. Das Kernanliegen der Kläger bestand darin, den Einsatz jener destruktiven Sonargeräte in Weltregionen, in denen Meeressäuger wie Wale oder Delphine leben, zu unterbinden. Dieses Ziel wurde nicht erreicht. Mit der Einigung, daß die Navy die Auswirkungen der Sonargeräte auf Meeressäuger erforschen soll, bleiben den Militärs viele Möglichkeiten offen, sich von einschränkenden Auflagen freizuhalten.

Es fällt auf, daß der NRDC nicht erwähnt, daß die fast 15 Mio. Dollar Forschungsgelder über drei Jahre verteilt werden, und daß auf der Website umgekehrt betont wird, die Navy habe anerkannt, daß Sonarpulse zu Verletzungen der Meeressäuger führen können. Das ist jedoch keineswegs eine neue Mitteilung. Bereits am 22. November 2005 hatte Eugene H. Buck in einem Navy-Forschungsbericht an den Kongreß die Möglichkeit, daß Schallpulse von aktiven Sonargeräten zu organischen Schädigungen und Verhaltensänderungen führen können, eingeräumt [3].

Die aktuelle Einigung zwischen Tierschützern und Militärs kam offensichtlich deswegen zustande, weil das Oberste Gericht der USA im vergangenen November bei einer ähnlichen Klage der Walschützer gegen die Verwendung des Sonargeräts zugunsten der Navy entschieden und damit die Urteile untergeordneter Gerichte aufgehoben hatte. Das Oberste Gericht befand, daß Übungen zur Sicherung und Verbesserung der Verteidigungsfähigkeit wichtiger sind als der sich aus dem Abschalten des Sonars ergebende Schutz der Meeressäuger [4]. Damit tendierten die Chancen der Walschützer auf Erfolg vor Gericht gen Null, und so blieb ihnen anscheinend nichts anderes übrig, als sich weitgehend den Vorstellungen der Navy anzuschließen.

Mit der Einigung zugunsten der Navy wird ein Rechtsverständnis tiefer befestigt, bei dem das US-Militär von Verpflichtungen aus Umweltabkommen zum Schutz der Arten, der Meeressäuger, zur Reinhaltung der Luft, etc. ausgenommen wird. Das Militär soll die Gesellschaft schützen, stellt sich aber gewissermaßen außerhalb der Gesellschaft, indem es eine Sonderbehandlung beansprucht. Das ist insofern bedenklich, als daß damit eine prinzipielle Einstellung zum Ausdruck gebracht wird. Außerdem wird der aufkeimenden Unruhe innerhalb der Vereinigten Staaten darüber, daß das Militär künftig gegen die eigene Bevölkerung vorgehen könnte, sollten Armut und Hunger im gleichen rasanten Tempo zunehmen wie im vergangenen Jahr, Nahrung geliefert.

Wenn eine Gesellschaft vor dem eigenen Militär, von dem sie eigentlich Schutz erwartet, geschützt werden muß, kann mit dem gesamten System etwas ganz gehörig nicht stimmen. Im aktuellen Fall wurde das Interesse nicht weniger US-Einwohner, die nicht wollen, daß Meeressäugern Schaden zugefügt wird, zugunsten der Position des Militärs übergangen.


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Anmerkungen:

[1] http://www.navy.mil/search/display.asp?story_id=41605

[2] http://www.nrdc.org/media/2008/081228.asp

[3] http://www.history.navy.mil/library/online/sonar_mammal.htm

[4] Siehe in diesem Pool den Beitrag "LAIRE/072: US Supreme Court - Navy darf Meeressäuger verletzen (SB)"

2. Januar 2009