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LAIRE/209: Waldgrenze, Ödfraß und Profit ... (SB)


Das Besetzercamp im Hambacher Forst wird von der Polizei geräumt



Die Polizeipressestelle des Rhein-Erft-Kreises teilt mit: Am frühen Dienstagmorgen haben mehrere Hundertschaften begonnen, das Camp der Waldbesetzer im Hambacher Forst zu räumen [1].

Aktivistinnen und Aktivisten in unbekannter Zahl haben sich auf diesen seit längerem erwarteten Tag X mit einer Reihe von Formen des gewalfreien Widerstands vorbereitet [2]. Einige sind in die Bäume geklettert, andere in Erdtunnel gekrochen, viele haben sich an Betonblöcke angekettet. In allen Fällen setzen die Menschen ihre körperliche Unversehrtheit und ihr Leben dafür ein, daß der mehrere Jahrhunderte alte Wald nicht abgeholzt wird, nur weil der Energiekonzern RWE die Braunkohle, die dort in etwa 400 Meter Tiefe lagert, von der nordrhein-westfälischen Landesregierung geschenkt bekommen hat.

RWE darf den Rohstoff kostenlos abbauen, mit ihm klimaschädliche Energie produzieren und kann diese anschließend verkaufen. Man hat es hier folglich mit einer für das kapitalistische Wirtschaftssystem typischen Win-win-Situation zu tun: der Konzern gewinnt doppelt. Rund 1,8 Mrd. Euro Gewinn hat RWE laut seinem Geschäftsbericht im vergangenen Jahr gemacht [3].

Keine Gewinner ohne Verlierer, keine Profite ohne Verluste: Die Restfläche des ursprünglich einmal 5.500 Hektar großen Mischwaldgebiets wird innerhalb der nächsten Monate weiter reduziert, damit anschließend die Räumbagger die Devastierung der Landschaft vollenden können.

Pflanzen werden vernichtet, Tiere vertrieben. Auch die Menschen, die den Wald vorübergehend zu ihrer Bleibe machten, um ihn zu schützen, müssen weichen. Vielleicht dauert es ein, zwei Tage, bis sie geräumt sind, aber am Ende dürfte die Staatsgewalt obsiegen. Die Waldbesetzerinnen und -besetzer gehören ebenfalls zu den Verlierern ...

Zumindest ist das die Rolle, die ihnen von den Exekutivorganen zugedacht wird. Bei der Polizei lägen nahezu 100 Strafanzeigen vor, von denen viele einen Bezug zum Waldbesetzercamp beziehungsweise deren Bewohner haben, heißt es in der Pressemitteilung. Sollen die Leserinnen und Leser etwa den Eindruck gewinnen, daß die bloße Menge an Strafanzeigen bereits eine Schuldaussage zuläßt? Sollen so gesellschaftliche Außenseiter geschaffen werden?

Es gibt gute Gründe, weswegen die geräumten Menschen die Rolle der Verlierer nicht anzunehmen brauchen. Sie haben sich für etwas eingesetzt, das sich zwar konkret am Hambacher Forst festmachen läßt, das aber als Absicht, Idee oder Standpunkt nicht beseitigt werden kann. Der Hambacher Forst wird für immer vom Erdboden verschwunden sein - wohingegen die Utopie einer Lebensweise, in der die Fesseln der gesellschaftlich angepaßten Existenz als energiebedürftiger Konsument in Angriff genommen werden, erhalten bleibt. Das Bemühen der Besetzerinnen und Besetzer, etwas anderes zu machen, entzöge sich somit von vornherein jedwedem Versuch einer Räumung.


Fußnoten:

[1] "Waldbesetzer müssen ihre Baumhäuser und Zelte verlassen - Kerpen", Polizeipressestelle Rhein-Erft-Kreis, 13. November 2012, 07:55 Uhr
http://www.presseportal.de/polizeipresse/pm/10374/2362118/pol-rek-waldbesetzer-muessen-ihre-baumhaeuser-und-zelte-verlassen-kerpen

[2] Näheres dazu unter: LAIRE/208: "Land Grabbing" in Deutschland - Energiekonzern vernichtet uralten Wald (SB), 23. Oktober 2012
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/meinunge/umme-208.html

[3] Geschäftsbericht 2011, RWE Power, abgerufen am 13.11.2012
http://www.rwe.com/web/cms/mediablob/de/1299142/data/634422/7/rwe/investor-relations/berichte/2011/RWE-Geschaeftsbericht-2011.pdf

13. November 2012