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STANDPUNKT/016: Energiekonzept-Entwurf - Germanwatch-Antwort an BDI-Präsident Keitel (GW)


Germanwatch e.V. - 17. September 2010

Keitel: Klientel- statt Klimapolitik
Energiekonzept-Entwurf: Germanwatch-Analyse und Antwort an BDI-Präsident Keitel

Von Christoph Bals, Politischer Geschäftsführer von Germanwatch


Wer legt in Deutschland die Richtlinien für die Energie- und Klimapolitik fest? BDI-Präsident Hans-Peter Keitel beansprucht im Interview mit der Süddeutschen Zeitung diese Rolle für den BDI. Er erklärt, warum die Kanzlerin, die sich dieser angemaßten Richtlinienkompetenz des BDI nicht völlig beugte, durch Zeitungsanzeigen in Millionenhöhe, mit dem "Energiepolitischen Appell" pro Laufzeitverlängerung und Kohle, auf Linie gebracht werden musste: "Die Wirtschaft hat die Regierung in den vergangenen Wochen mit ihren Argumenten nicht immer erreicht."

Für wen spricht Keitel eigentlich hier? Wirklich für "die Wirtschaft"? Trotz persönlicher Anrufe an die Spitzen der Unternehmen und erheblichem Gruppendruck haben nur acht der 30 DAX-Unternehmen den Appell mitgezeichnet. Tagtäglich bekommen wir bei Germanwatch vor allem von Mittelständlern Anrufe: Was soll diese rückwärtsgewandte Debatte, wo es doch darauf ankommt, uns für die Zukunft zu positionieren?

Dennoch: Keitel lässt keinen Zweifel daran, dass er auch künftig für die deutsche Klimapolitik die Richtlinienkompetenz beansprucht. So gehen ihm die ehrgeizigen Ankündigungen für Altbautensanierung sowie Stromeinsparungen im neuen Energiekonzept der Bundesregierung zu weit. "Wir werden der Regierung in der nächsten Zeit darlegen, was machbar ist. Da wird im parlamentarischen Verfahren noch nachgearbeitet werden."

Nicht nur ein eigentümliches Demokratieverständnis beim BDI-Chef kommt hier zum Vorschein. Auch fragt sich, was der Teil der Wirtschaft, der am Aufbruch ins Zeitalter der Energieeffizienz und Erneuerbaren Energien teilhaben will, dazu sagen wird, wenn hier im Namen "der Wirtschaft" die eigene Zukunft blockiert wird.

Nicht zuletzt in der internationalen Klimapolitik zeigt der BDI-Chef der Regierung, wo der Hammer hängt und dass Ambition nicht angesagt sei. "Wir hatten vor dem Umweltgipfel von Kopenhagen eine glasklare Verabredung mit der Politik". Das Motto: Keine einseitigen Schritte Deutschlands.

Michael Otto, der Chef des Otto-Konzerns und der 2 Grad Unternehmer-Initiative, meint heute demgegenüber: "Wenn wir den Schwellenländern zeigen, dass sich mit Klimaschutz und technologischen Durchbrüchen Wohlstand mehren lässt, dann erhöhen wir auch die Chancen für ein ambitioniertes internationales Klimaschutzabkommen." Doch Keitel pfeift Umweltminister Röttgen zurück, der mit ähnlichen Argumenten fordert, dass sich die EU endlich zu einem 30 Prozent-Kohlendioxid-Reduktionsziel bis 2020 durchringt. Er sei sehr überrascht. Und: "Wir halten das für unvernünftig."

Die deutsche Regierung als Befehlsempfänger der Großkonzerne? Der BDI als Klientel-Lobbyverein für ein paar wenige an Kohle und Atom verdienende Unternehmen? Hans-Peter Keitel, der seine Karriere 1975 bei Lahmeyer, einer Beteiligung von RWE, begann, hat Ziel und Maß verloren.


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Quelle:
Pressemitteilung, 17.09.2010
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veröffentlicht im Schattenblick zum 19. September 2010