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STANDPUNKT/185: WWF-Vorwürfe - Kommunikation wichtiger Schlüssel (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 163 - August/September 2011
Die Berliner Umweltzeitung

Alleine kämpfen, gemeinsam machen
Kommunikation wichtiger Schlüssel

von Felix Eick


Zunächst ist wohl zu klären, worum es bei Kommunikation allgemein geht und welche Variablen es gibt. Selbst Wikipedia weiß, dass Kommunikation "teilen, mitteilen, teilnehmen lassen; gemeinsam machen, vereinigen" heißt. Was für ein tolles Wort in der Theorie.

In der Realität kommt es auf die Charaktere, auf die jeweiligen Interessen an. Es ist die Frage, ob sich die Akteure auf Augenhöhe bewegen oder ob eine Seite dominiert. Die Energie muss in die Sache gehen, in ein Für und nicht in ein Gegen. Nur dann wird Kraft für Kreativität frei. Es geht um Sachlichkeit, keine kategorische Kritik, um Zuhören und Dialog. Das gehört zur Fairness den Mitstreiter/-innen gegenüber dazu; funktioniert aber nur beidseitig.


Mit Monsanto Regenwald schützen - haha

Aus der Sicht der Umweltverbände und sonstigen Nichtregierungsorganisationen (NGO) des ökologischen Spektrums ist nun sehr spannend, wie man mit Uran-Minern, Öl (-sand) Firmen, Gentechnik-Konzernen, Palmöl-Plantagen-Betreibern, Atomkonzernen, der Automobil-Branche und Chemiefirmen kommunizieren soll. Es sollte wenigstens einige wenige Zielparallelitäten geben und ein beidseitiges Interesse an beispielsweise Umwelt- und Naturschutzthemen, die nicht eigentlicher Konzernzweck sind. Der substanzielle Änderungswille liegt anfangs einzig bei den Vertretern der Umweltbewegung, während die Industrie in der Regel gerne wie gehabt weitermachen würde. Auch wenn sich später oft zeigt, dass Unternehmen sehr wohl von Umweltengagement profitieren können.

Vielleicht sollte man sich erst einmal auf die halbwegs empfängliche Industrie stürzen, sie gegen die Genannten vereinigen und zeigen, wie erfolgreich der ökologische Weg ist. Diese Kommunikationsaufgabe ist groß genug für den Anfang. Man muss ja nicht bei den Bösesten anfangen.


"Jenseits der Kommunikation"

Der WWF hat sich das vorgenommen, sich in die Höhle des Löwen gewagt und ist grandios gescheitert. Die WWF-Affäre zeigt uns deutlich, dass man nicht zu sehr mit der Industrie kuscheln darf. Lügen und Verheimlichen hat nichts mit Kommunikation zu tun. Genau das Gegenteil konnte man auf dem Attac-Kongress "Jenseits des Wachstums" Ende Mai in Berlin erleben. Auf dem Weltkongress der Bio-Ethanol-Industrie lagen beispielsweise genügend konträre Interessen zwischen WWF und der vertretenen Industrie vor. Doch der WWF ließ sich unterjochen. Auf Augenhöhe hat er sich definitiv nicht bewegt. Ist es nicht also besser, sich mit zwanzig Entscheidungsträgern an einen Tisch zu setzen, die eigentlich anders denken, als über tausend Gleichgesinnte zu versammeln und sich selbst zu feiern?

Der WWF hat auch einiges richtig gemacht. Er hatte beispielsweise keine Angst, sich von seinesgleichen zu unterscheiden und sich auch angreifbar zu machen. Sein Fehler war, dass er sich beinahe vollends vereinnahmen ließ. Er trat zu schwach auf! Ansonsten ist es das, was wünschenswert ist: ein Dialog. Den behaglichen Käfig des eigenen Soziotops zu verlassen, in dem man sich über Ziele weitestgehend einig ist, ist der richtige Weg. Nur so kann es zu einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion, zu dimensionsübergreifender Nachhaltigkeitskommunikation kommen. In diesem Fall haben sich alle Dimensionen massiv der ökonomischen untergeordnet.

Bei Unternehmen wie Monsanto oder Wilmar hat man aber auch einfach keine Chance! Das ist wie mit der Energiewende in Deutschland. Wenn alle Kohle- und Atomkraftwerke für immer abgeschaltet sind, verdienen RWE, E.on, Vattenfall und EnBW hierzulande nur noch einen Bruchteil; wie etwa Monsanto ohne Gentechnik. Natürlich haben sie kein Interesse an der Energiewende. Genauso haben Monsanto und Wilmar kein Interesse an Regenwaldschutz. Es nähme ihnen ebenfalls die Grundlage ihres derzeitigen Gewerbes. Das wäre unternehmerischer Suizid.

Ein Hauptfehler war vielleicht, dass der WWF alleine unter hunderten Unternehmen und Industrievertretern war. Sein Kompromiss war dann eben, um nur ein Beispiel zu nennen, von 14.000 Hektar Regenwald auf Borneo 80 Hektar zu retten und den Rest den Palmöl-Landwirten zu überlassen. Das ist schon fast ein Achtungserfolg bei diesem unmöglichen Vorhaben. Man hat sich krass überschätzt!


Tympanon Kommunikation errichten

Eine der großen Aufgaben ist es, ein verbindendes Tympanon auf die Säulen der Nachhaltigkeit zu setzen. Das kann das Medium Kommunikation leisten, dazu muss aber aufgehört werden verkrustete NGO-Debatten zu führen. Proletenhaft "auf die Tonne zu hauen" bringt wenig. Das wird nicht ernstgenommen von empfänglichen politischen und wirtschaftlichen Entscheidungsträgern. Es lohnt sich nicht, nur um mit einer weißen "Ökoweste" dazustehen, nicht von seiner Position abzurücken. Es ist unabdingbar, sich auch in die Interessen der Gegenseite hineinzudenken. Man macht sich angreifbar, erreicht aber auch mehr.

Es ist selbstverständlich unmöglich, hier umfassende Antworten zu geben. Negative Beispiele für Kommunikation gibt es zu Genüge. Die Rede ist exemplarisch von den Methoden des WWF, den herkömmlichen NGO- Debatten und den Greenwashing-Kampagnen der Industrie.

Netzwerke sind ein ganz zentrales Instrument, um die denkbare fünfte Säule der Nachhaltigkeit "good communication" zu etablieren. Traumhaft und umsetzbar wäre doch ein Entscheidungsprozess mit den Teilnehmern Gewerkschaft, NGOs, Unternehmen und Abgeordneten aller wichtigen Parteien in geeigneten Fragen. Diese Repräsentanten der vier Dimensionen der Nachhaltigkeit könnten aber auch nur eine nachhaltige Kommunikation erreichen, wenn jeder wiederum Sozialität, Demokratie, Ökologie und Wirtschaftlichkeit im Kopf hätte.


Wenige gute Beispiele

Wirklich gute Beispiele gelungener Kommunikation für einen Schulterschluss mit der Ökonomie zu finden, ist nicht leicht. Denn man kann sich bei keiner Kooperation sicher sein, dass das kommunikativ Ausgehandelte tatsächlich der Umwelt zu Gute kommt. Sind Kooperationen wie "Danone Ecosystem Fund", "GOGREEN" der Deutschen Post oder die des NABU mit Volkswagen oder E-Plus Greenwashing oder hilfreich?

Es gibt schon viele Projekte nach dem Motto: "Von jedem verkauften Produkt geht ein Cent an...". Glaubt man wirklich daran, dass das Geld auch ankommt beziehungsweise nicht in der Verwaltung oder bei der Bank landet? Durch transparentere Kommunikation und eigeninitiierte Unternehmenseinblicke kann diesen Zweifeln begegnet werden.

Ein positives Beispiel für das Ausloten sinnvoller Allianzen ist Bündnis 90/Die Grünen. Die Grünen kommunizieren in dem Sinne gut, dass sie Teilerfolge feiern in Richtung gesellschaftlicher Transformation und trotzdem massiven Stimmzuwachs verzeichnen können. Das geht vielen aus der Umweltszene schon zu weit, denn die Grünen haben es geschafft, Mainstream zu werden. Sie haben sich eine einigermaßen komfortable Position geschaffen, um jetzt hoffentlich Vorhaben wie die Energiewende immer stimmgewaltiger vorantreiben zu können. Den Grünen ist der Schulterschluss mit der Wirtschaft weitestgehend gelungen, da sie mittlerweile als Verhandlungspartner auf Augenhöhe gelten und ernstgenommen werden.

Also Gründenkende, wo wollen wir mit - also mit - der Gesellschaft hin?


Bildunterschrift der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildung der Originalpublikation:
Echte Kommunikationsgenies: Die Roboter im Berliner Kommunikationsmuseum


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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 163 - August/September 2011, S. 17
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 230, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
Tel.: 030/44 33 91-47, Fax: 030/44 33 91-33
E-mail: raberalf@grueneliga.de
Internet: www.raberalf.grueneliga-berlin.de

Erscheinen: zu Beginn gerader Monate
Abonnement: 10 Euro/halbes Jahr


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. September 2011