Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → MEINUNGEN

STANDPUNKT/523: Warschau - Kleine Fortschritte, aber nicht der Fahrplan nach Paris (UFZ-Newsletter)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Newsletter Dezember 2013

Standpunkt: Klimaverhandlungen in Warschau -
Kleine Fortschritte, aber nicht der Fahrplan nach Paris.

von Prof. Dr. Reimund Schwarze



UN-Klimakonferenzen haben schon viele emotionale Auftritte erlebt. Warschau 2013 machte da keine Ausnahme: Als der philippinische Chef-Verhandler Yeb Saño vor den Schreckensbildern des Taifuns 'Haiyan' unter Tränen erklärte, er werde so lange fasten, bis ein Vertrag zustande gekommen sei, schien es einen Moment so, dass die Verhandlungen in Warschau mehr werden könnten als der angekündigte kleine Schritt auf dem Weg zum großen Klimaabkommen in Paris 2015. Die darauf folgende Serie von schweren diplomatischen Rückschlägen - der Rückzug Australiens und Japans aus allen klimapolitischen Verpflichtungen, die politische Schwächung der polnischen Verhandlungsführung durch die Regierungsumbildung und schließlich der Auszug der Umweltorganisationen aus den Verhandlungen - brachten die Verhandlungen schnell in alte Bahnen. Und trotzdem gibt es meiner Ansicht nach Fortschritte zu vermelden auf dem Weg zu einem neuen Weltklimaabkommen.

Folgende vier Beschlüsse sind von Bedeutung:
"Durban Platform of Enhanced Action (ADP)" - die Verhandlung zu ADP verdrängt die Diskussion um ein neues Kyoto-Folgeabkommen und wird zum Hauptstrang aller weiteren Verhandlungen. Allerdings endeten die Diskussionen in einem faulen Kompromiss: Die Verbindlichkeit von Emissionsreduktionszusagen wird auf Druck von Schwellenländern wie China und Indien, aber in voller Übereinstimmung mit den USA und Kanada, abgeschwächt. Statt "Reduktionsverpflichtungen" müssen nunmehr nur "Reduktionsbeiträge" an das Klimasekretariat gemeldet werden, und das auch nur bis zum ersten Quartal 2015. Das macht den Zeitplan für die Pariser Verhandlungen extrem eng.

"Reducing Emissions from Deforestation and Degradation (REDD+)" - der Mechanismus soll nachhaltige Maßnahmen zum Waldschutz fördern, die ökologische und auch soziale Kriterien berücksichtigen. Während über Ziele und Methoden seit längerem schon Einigkeit besteht, fehlte es stets am Geld. Dafür wurde in Warschau ein spezieller Fonds bei der Weltbank eingerichtet, für den die USA, Großbritannien und Norwegen insgesamt 280 Millionen Dollar versprachen.

Internationale Finanzzusagen - Der "Green Climate Fund", ein Versprechen der Industrieländer aus Kopenhagen, soll bis 2020 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr für Klimaschutz und Klimaanpassung in Entwicklungsländern bereitstellen. Er bekommt neue Mittel - allein aus Japan zirka 16 Milliarden US-Dollar in den nächsten drei Jahren. Aber die Herkunft und der Verwendungszweck bleiben im Dunkeln bilateraler Privatverträge. Ein kleiner Erfolg ist deshalb, dass der "Adaptation Fund", der ausschließlich aus öffentlichen Geldern gespeist und vom Klimasekretariat verwaltet wird, durch zusätzliches Geld der Industrieländer sein 100-Millionen-Dollar-Ziel erreichen kann.

"Loss and Damage" - Nachdem der Klimagipfel in Doha (2012) das Thema vertagt hatte, beherrschte es die Diskussionen in Warschau. Viele Entwicklungsländer verlangen einen Rechtsanspruch auf Ausgleichszahlungen vor allem für Naturkatastrophen, aber auch für Verluste aus dem langsam einsetzenden Meeresspiegelanstieg. Die USA sind dagegen - aus Angst vor milliardenschweren Forderungen, die daraus zukünftig erwachsen könnten. Nach wütendem Ringen gab es kurz vor Ende der Konferenz einen klärenden Beschluss, der aus meiner Sicht positiv zu bewerten ist. Es gibt jetzt einen "Internationalen Warschau-Mechanismus", der rechtsförmlich "unter" dem Anpassungsprogramm von Cancun angesiedelt ist. Er enthält zunächst nur die Vereinbarung über internationale wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit bei der Abschätzung und Bewältigung von klimawandelbedingten Naturkatastrophen. Aber die Option auf einen Rechtsanspruch auf Entschädigung von ökonomischen und humanitären Klimaschäden bleibt erhalten, indem die Völkergemeinschaft anerkennt, dass Verluste und Schäden "mehr sein können, und in manchen Fällen sind, als Anpassung". Die endgültige Entscheidung darüber, was nun darunter zu verstehen ist, wurde allerdings nach Paris 2015 vertagt.

In der Summe brachte Warschau also kleine, in der Sache jedoch klärende Fortschritte. Die Verhandlungen liefern aber nicht den "Fahrplan nach Paris". Über das Wohl und Wehe eines neuen Weltklimaabkommens 2015 wird erst der Sondergipfel in New York im September 2014 entscheiden. Der UN-Generalsekretär Ban Ki Moon geht dafür ein hohes politisches Risiko ein.


Prof. Dr. Reimund Schwarze arbeitet am UFZ im Bereich "Ökonomie des Klimawandels" und ist Sprecher für dieses Thema im Rahmen der Klimainitiative der Helmholtz-Gemeinschaft. Zudem ist er in gemeinsamer Berufung mit dem UFZ Professor für Internationale Umweltökonomie an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder).
In den letzten Jahren beobachtete er intensiv die Klimakonferenzen der UNO. Zuletzt nahm er vom 11. bis 22. November 2013 als Beobachter an der UN-Klimakonferenz COP 19 in Warschau (Polen) teil.
e-mail: reimund.schwarze@ufz.de

*

Quelle:
UFZ-Newsletter Dezember 2013, Seite 6
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Permoserstraße 15, 04318 Leipzig
Tel.: 0341/235-1269, Fax: 0341/235-450819
E-mail: info@ufz.de
Internet: www.ufz.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Januar 2014