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ATOM/358: Röttgen will Sondergewinne der Industrie nicht antasten (SB)


CDU-Umweltminister gegen Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken

... vor allem aber gegen staatlichen Zugriff auf Sondergewinnen aus abgeschriebenen Akws


Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hat in seiner eigenen Partei und bei seinem Koalitionspartner für Ärger gesorgt, indem er einen zügigen Ausstieg aus der Atomenergie forderte. Ausgerechnet Röttgen, der am 1. Januar 2007 Hauptgeschäftsführer beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) werden, aber sein Mandat im Deutschen Bundestag noch bis Herbst 2009 weiterführen wollte. Diese Doppelfunktion in Politik und Wirtschaft stieß auf breite Kritik innerhalb wie außerhalb der Regierung, so daß er von seinem Plan abließ und nicht in die Industrie ging.

Röttgen schwenkt auf Anti-Atomkurs ein. Er zimmert an seinem Image, indem er den Umweltminister gibt, der Ecken und Kanten besitzt und sich vermeintlich für die Belange großer Teile der Bürger einsetzt - notfalls auch gegen die Parteilinie.

Die Union müsse sich "gut überlegen, ob sie gerade die Kernenergie zu einem Alleinstellungsmerkmal machen will", hatte Röttgen am Wochenende gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" gesagt und bekräftigt, daß die Bundesregierung bis zum Herbst ihr energiepolitisches Konzept über den Ersatz der Kernenergie durch erneuerbare Energien vorstellen will.

Mit der Behauptung, daß die gesellschaftlichen Widerstände gegen die Atomkraft zu groß seien und sie auch nach vierzig Jahren keine "hinreichende Akzeptanz in der Bevölkerung" genießt, verbreitete der Minister einen Allgemeinplatz. Röttgen möchte allerdings, und das wirkt zunächst überraschend, im Herbst einen Ausstieg aus der Atomenergie beschließen und nicht etwa ihre Fortführung sicherstellen.

Gegenwärtig steht es einem CDU-Umweltminister gut zu Gesicht, wenn er sich gegen eine Laufzeitverlängerung für Atommeiler auf 40 oder 60 Jahre ausspricht. Zum einen, weil die Wahlen in Nordrhein-Westfalen vor der Tür stehen und der Unionskollege Ministerpräsident Jürgen Rüttgers jede Unterstützung gebrauchen kann, um an der Regierung zu bleiben. Zum anderen hat Röttgen mit dem Ausstiegsgerede seine wesentlichere Aussage zu kaschieren versucht. Er warnte davor, die Milliardeneinnahmen der Energiekonzerne aus ihren abgeschriebenen Atomkraftwerken anzutasten. Der Staat müsse jeden Anschein vermeiden, er schöpfe Sondergewinne ab und mache dafür Zugeständnisse bei der Sicherheit, erklärte der Minister und stellte sich damit gegen Wirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP), der "mindestens die Hälfte der Sondergewinne abschöpfen" will, die aufgrund einer Laufzeitverlängerung eingefahren werden, Mit den Einnahmen sollten unter anderem die erneuerbaren Energien gefördert werden.

Brüderle will somit nur einen geringen Teil dessen zurückholen, was die Akw-Betreiber seit Jahrzehnten vom Staat geschenkt bekommen. Die Atomwirtschaft erhielt seit den 1960 Jahren Subventionen im zweistelligen Milliardenbereich. Darüber hinaus übernimmt die Regierung teilweise die Kosten für die Stillegung von Atomkraftwerken und die Beseitigung verstrahlter Hinterlassenschaften. Jüngstes Beispiel ist die geplante Sicherung bzw. möglicherweise Rückholung von über 125.000 Fässern mit Atommüll aus dem Bergwerk Asse. Dem noch nicht genug sind die Rücklagen der Stromkonzerne steuerfrei, und für die Akws muß auch keine dem Schadensrisiko angemessene Haftpflichtversicherung abgeschlossen werden - von den vielen indirekten Subventionen der Akw-Betreiber gar nicht erst zu reden. Es geht zusammen um viele, viele Milliarden Euro, welche die Energiekonzerne vom Staat erhalten haben.

Somit lautet die eigentliche Botschaft Röttgens nicht, daß der Atomausstieg beschleunigt wird, sondern daß die Gewinne der Wirtschaft nicht angetastet werden. Eine Forderung, die sich sicherlich gut macht, falls der Umweltminister eines Tages in die Wirtschaft wechseln will.

8. Februar 2010