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ATOM/417: In Fukushima mutieren die Schmetterlinge (SB)


Neue Studie über Strahlenfolgen des Fukushima-GAU auf Bläulinge



Zu den vielen medialen Beruhigungspillen, die permanent weltweit verteilt werden, um die Folgen der mehrfachen Kernschmelze in dem am 11. März 2011 havarierten Nuklearkomplex Fukushima-Daiichi zu verharmlosen, wird vermutlich auch eine neue Studie über die Zunahme von Mutationen bei Schmetterlingen kein wirksames Gegengewicht bilden können. Das fast schon somnambule Schweigen über die Strahlenfolgen scheint sogar noch die harmlosere Variante der Vermeidung zu sein. Schon länger melden sich Stimmen, die in jener Katastrophe einen Beweis für die Sicherheit von Atomkraftwerken sehen, da angeblich niemand durch die Strahlung ums Leben gekommen sei. Offensichtlich besteht nicht nur in Japan ein reges Interesse an dem Eindruck, daß die Welt in Ordnung ist und es zum Vorteil der Menschen sei, wenn sie sich klaglos und vor allem widerstandsfrei in den vorherrschenden Verhältnissen einfinden.

Während die japanische Regierung mehr damit befaßt ist, die Massenproteste der Bevölkerung gegen das Wiederhochfahren von Atomkraftwerken zu unterdrücken als die Gefahr erneuter Havarien, berichten japanische Wissenschaftler der Ryukyu-Universität in Okinawa über ihre Entdeckung von Mutationen bei Schmetterlingen, die im Larvenstadium dem radioaktiven Fallout ausgesetzt waren. Nun bereits in der dritten Generation zeigten die Schmetterlinge vom Typ Bläuling (Zizeeria maha) immer mehr Abnormalitäten.

Zwölf Prozent der Schmetterlinge, die im Larvenstadium radioaktivem Fallout ausgesetzt waren, wiesen Mißbildungen wie kleinere Flügel und Deformationen an den Augen auf. In der zweiten Generation der im Labor weitergezüchteten Schmetterlinge lag die Mutationsrate bereits bei 18 und in der dritten Generation bei 34 Prozent, obgleich jeweils ein Elternteil aus einem unverstrahlten Umfeld stammte, berichtete "Science Reports" [1]. Bei vergleichenden Experimenten mit Schmetterlingen, die nicht dem Fukushima-Fallout ausgesetzt waren, aber im Labor schwach radioaktiv bestrahlt wurden, kam es zu ähnlichen Mutationen. Darin sieht Joji Otaki, assoziierter Professor der Ryukyu-Universität, eine Bestätigung, daß die Mutationen bei den Bläuling-Generationen durch den Nuklearunfall ausgelöst worden sind. Hierzu paßt auch, daß unter 240 Schmetterlingen, die von den Forschern im September vergangenen Jahres in Fukushima gefangen wurden, mehr als die Hälfte (52 Prozent) Abnormalitäten aufwiesen.

Otaki erklärte gegenüber AFP [2], es sei noch zu früh, um die Ergebnisse ihrer Untersuchung auf andere Arten, einschließlich der menschlichen, zu übertragen. Der Forscher kündigte an, sie wollten weitere Untersuchungen an anderen Tierarten durchführen.

Dennoch legen die Ergebnisse der Forschergruppe nahe, daß eine Entwarnung voreilig ist. Zumal im vergangenen Jahr berichtet wurde, daß Menschen in der Fukushima-Region Nasenbluten, violette Hautflecken, vergrößerte Schilddrüsen, Zahnfleischbluten und andere Symptome, die typischerweise bei einer Verstrahlung auftreten, zeigten. Veränderungen der Schilddrüsen bei japanischen Kindern wurde auch in diesem Jahr wieder gemeldet.

Obgleich die Verstrahlung in Folge der beiden Atombombenabwürfe am 6. und 9. August 1945 auf Hiroshima und Nagasaki durch die USA eine andere war als die durch die Fukushima-Katastrophe, läßt sich eine entscheidende Parallele ziehen: Abgesehen von akuten Strahlenschäden der unmittelbar betroffenen Menschen, die zumindest eine Zeitlang überlebt haben, traten in den folgenden Generationen Erbveränderungen auf.

Die aktuelle Studie sagt nichts über Strahlenschäden bei Menschen aus, sondern über die bei Schmetterlingen aus. Aber genügt das nicht? Genügt es nicht, um die Warnung zu bekräftigen, daß Atomkraftwerke eine potentielle Gefahr darstellen und sich diese Gefahr erhöht, wenn sie ausgerechnet in der Nähe von tektonischen Bruchzonen errichtet werden, wie das nicht nur in Japan der Fall ist?

Atomkraftwerke sind anscheinend einer der folgenschwersten Irrtümer des vermeintlichen technologischen Fortschritts. Mit der Produktion von Atomstrom wuchs die Abhängigkeit von Akws und wurde die Notwendigkeit geschaffen, einen gefährlichen Strahlenstoff wie Plutonium in die Welt gebracht wurde, der nun über Tausende von Generationen sicher verschlossen werden muß. Hinzu kommt, daß die Profite aus der Atomtechnologie wie in der übrigen kapitalgetriebenen Wirtschaft privatisiert und die Nachteile wie Umwelt- und Gesundheitsschäden von der Gesellschaft getragen werden.

Welche Folgen der Flügelschlag eines einzigen Schmetterlings hat, der verstrahlt wurde und mutiert ist, weiß man ebenso wenig wie, was der Flügelschlag eines Schmetterlings, der mangels Flügel nicht zur Ausführung gelangt, anrichten kann.


Fußnoten:

[1] "The biological impacts of the Fukushima nuclear accident on the pale grass blue butterfly", Atsuki Hiyama, Chiyo Nohara, Seira Kinjo, Wataru Taira, Shinichi Gima, Akira Tanahara, Joji M. Otaki, Scientific Reports 2, Article number: 570, doi:10.1038/srep00570, 9. August 2012
http://www.nature.com/srep/2012/120809/srep00570/full/srep00570.html

[2] "Fukushima caused mutant butterflies: scientists", AFP, 14. August 2012
http://www.terradaily.com/reports/Fukushima_caused_mutant_butterflies_scientists_999.html

14. August 2012