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ATOM/438: Japan schließt Monju, aber baut Schnelle-Brüter-Technologie weiter aus (SB)


Pannen-Brutreaktor und Milliardengrab Monju wird endgültig vom Netz genommen


Die japanische Regierung hat am Mittwoch eine Neuausrichtung ihrer Nuklearwirtschaft beschlossen. Der erstmals 1994 in Betrieb genommene Schnelle Brüter Monju, der seitdem nur an 205 Tagen elektrische Energie produziert, aber rund neun Milliarden Euro gekostet hat, wird endgültig abgeschaltet. Zugleich wird das Konzept der umstrittenen Schnelle-Brüter-Technologie auf zwei Gleisen weiterverfolgt: Zum einen soll der ältere Forschungsreaktor Joyo weiterbetrieben und zum anderen die Kooperation mit Frankreich und dem dort errichteten Schnellen Brüter ASTRID intensiviert werden. [1]

Am 8. Dezember 1995 und damit zehn Jahre nach Baubeginn und drei Monate nach Inbetriebnahme waren aus dem sekundären Kühlkreislauf des Brutreaktors Monju Hunderte Kilogramm Natrium ausgetreten und in Brand geraten. Bis zum 6. Mai 2010 war der Reaktor, der eine elektrische Nettoleistung von 246 MW hat, außer Betrieb. Dann wurde der Reaktor wieder hochgefahren, aber erneut nicht für lange Zeit. Es kam zu einer Serie von Störfällen und unter dem Eindruck der Katastrophe von Fukushima am 11. März 2011 verlangten die Behörden Nachrüstungen, um Monju sicherer zu machen. Im November vergangenen Jahres sprach die Atomaufsicht dem Monju-Betreiber JAEA (Japan Atomic Energy Agency) die Kompetenz ab, den Reaktor zuverlässig am Laufen halten zu können. Da ein Weiterbetrieb rund fünf Milliarden Euro verschlingen würde, ein Ende der Störfälle auch dann nicht absehbar wäre und sowieso festgestellt worden war, daß Monju auf einer tektonischen Bruchlinie gebaut wurde, hat die Regierung nun endgültig den Stecker gezogen.

Das Aus betrifft jedoch nur Monju, nicht die Schnelle-Brüter-Technologie im allgemeinen. Denn sie ist Bestandteil der Idee des nuklearen Brennstoffkreislaufs, bei dem abgebrannte Brennelemente wiederaufbereitet und erneut in den Brennstoffkreislauf eingespeist werden. Auf diese Weise ließe sich mit Hilfe von Schnellen Brütern theoretisch das 50fache an Energie aus der gleichen Menge an Brennelementen herausholen wie bei der herkömmlichen Atomstromproduktion, und Japan wäre von Uranimporten unabhängig. Der gravierende Nachteil: die gesamte Brennstoffkette wäre plutonium-kontaminiert, und die Menge dieses gefährlichen Stoffs, der auf der Erde so gut wie nicht natürlich vorkommt und eine Halbwertszeit von rund 24.000 Jahren hat, nähme weiter zu. Zudem ist die Schnelle-Brüter-Technologie noch nicht ausgereift - eine wohlmeinende Umschreibung dafür, daß solche Reaktoren sogar noch gefährlicher sind als Leicht- und Siedewasserreaktoren.

Die unzähligen kleineren, mittelschweren und - von der Atomlobby für ausgeschlossen gehaltenen - sehr schweren Unfälle (Fukushima Daiichi 2011, Tschernobyl 1986, Three Mile Island 1979, Windscale/Sellafield 1957) jener herkömmlichen Atomreaktoren indes belegen, daß von "ausgereift" auch bei dieser Technologie nicht gesprochen werden kann. Darüber hinaus sorgt die Kernspaltung per se, auch ohne daß ein Störfall oder Unfall eintritt, für radioaktive Kontaminationen und damit Schädigungen von Mensch, Mit- und Umwelt. Selbst kleinste Strahlenexpositionen erhöhen das Erkrankungsrisiko.

Daß die Regierungen Japans und anderer Staaten ungeachtet der absehbaren und unabsehbaren Gefahren für die Bevölkerung überhaupt Atomkraftwerke betreiben, geht unter anderem darauf zurück, daß diese ein Abfallprodukt bzw. eine Begleitfolge des Baus der Atombombe sind. Wer Akws betreibt, verfügt in der Regel über das Know-how und die Technologie, um eine eigene Atombombe zu bauen. Zum anderen bevorzugen Staaten zentralistische Formen der Energieproduktion, bieten sie doch eine passende Gelegenheit, die eigene Verfügungsgewalt auf die existentiell wichtige Energieversorgung der Menschen auszudehnen.

Nur einmal angenommen, jeder Haushalt wäre von der Energieversorgung unabhängig, dann bedürfte es weder des Energiekonzerns noch der Administration, die sich normalerweise einmischt und die Versorgung verwaltet, also in irgendeiner Form Kontrolle ausübt.

Ein dritter Faktor, weswegen die Regierungen sich nicht scheuen, Atomenergie zu produzieren und im Zweifelsfall wie in Japan sogar die riskante Schnelle-Brüter-Technologie einsetzen, hat damit zu tun, daß die maximale Unversehrtheit der Menschen nicht das oberste Gebot ist, nach dem sie handeln. Statt dessen wägen sie ab, indem sie zum Beispiel Grenzwerte für die radioaktive Belastung festlegen. Die richten sich nicht danach, sämtliche Mitglieder der Gesellschaft maximal zu schützen, sondern danach, bis zu welcher Sterberate eine Strahlendosis als akzeptabel angesehen wird. Nach den gesetzlich festgelegten Grenzwerten der radioaktiven Belastung in Deutschland, Japan und anderen Ländern werden unvermeidlich Menschen erkranken und sterben, da sie radioaktiver Strahlung durch die Atomenergie ausgesetzt waren. Das ist statistisch belegbar. Man weiß allerdings nicht, wen es treffen wird oder bei welchem Verstorbenen jene künstliche Strahlenbelastung ausschlaggebend war. Würde man jedoch die Namen der Menschen vorher kennen, die jedes Jahr zu sterben haben, dann würden sich die Menschen dagegen zur Wehr setzen. Das wäre so, als würde die Obrigkeit die Namen derjenigen bekanntgeben, die in diesem Jahr dem Gott des (nuklearen) Feuers geopfert werden sollen.

Im speziellen Fall von Japan wären durchaus Alternativen zur Atomkraft denkbar. Eine Zeitlang wurde in dem Land sogar gar keine Atomenergie produziert, nachdem die Regierung aufgrund des dreifachen GAUs im Akw Fukushima Daiichi beschlossen hatte, alle Meiler abzuschalten und einem Streßtest zu unterziehen. Dadurch stiegen zwar die gesellschaftlichen Kosten für den Import anderer Energieträger wie Erdöl und Erdgas, aber Japan hätte prinzipiell die Chance, auch auf Atomenergie zu verzichten und seine Forschungen ganz darauf zu verlegen, auf andere Weise energieunabhängig zu werden. Monju aus dem Spiel zu nehmen, aber weiter auf Schnelle Brüter zu setzen, entspricht dem generellen Kurs der Regierung von Premierminister Shinzo Abe, der von den ursprünglich 54 Meilern rund 30 wieder in Betrieb nehmen will.


Fußnote:

[1] https://www.heise.de/tr/artikel/Post-aus-Japan-Ausgebruetet-3336259.html

21. Dezember 2016


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