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GENTECHNIK/275: Dengue-Fieberseuche als Folge des Soja-Anbaus? (SB)


Monsanto "schuld" an Dengue-Fieber-Epidemie?

Unkritische Berichterstattung über eine durchaus kritikwürdige Grüne Gentechnik


Seit Jahrzehnten sorgt der Chemieriese Monsanto aus St. Louis in Kansas für Negativschlagzeilen. Sei es die PCB-Vergiftung der Bewohner von Anniston oder die Produktion der Grundstoffe für im Vietnamkrieg eingesetzte Entlaubungsmittel wie Agent Orange, sei es die tierquälerische und die menschliche Gesundheit gefährdende Produktionssteigerung bei Milchkühen durch die Hormonbehandlung mit rBGH oder der Vorstoß in die Saatgutzüchtung mittels der gentechnischen Hybridisierung von Mais, Soja, Baumwolle und weiteren Nutzpflanzen. Nun wird im Zusammenhang mit der schweren Dengue-Fieber-Epidemie in Südamerika behauptet, daß sie in einem zeitlichen und räumlichen Zusammenhang mit der Einführung und Ausbreitung gentechnischer veränderter Soja des Unternehmens Monsanto auf diesem Kontinent steht. Die Behauptung geht auf die Schweizer News-Website "20 Minuten" zurück [1], die sich ihrerseits auf einen Artikel des investigativen argentinischen Journalisten Horacio Verbitsky bezieht. [2]

Die Autorin Karin Leuthold von "20 Minuten" berichtet über die Dengue-Fieber-Epidemie, die seit 2004 in mehreren Ländern Südamerikas wütet, wobei gegenwärtig der Norden von Argentinien, Paraguay, Bolivien und Brasilien besonders schwer betroffen sind. Nach Behördenangaben haben sich dort 7.700 Menschen infiziert, Experten gehen aber von einer sehr viel höheren Zahl aus. Die Website vitanet.de [3] meldete am 4. Mai fast 15.000 Erkrankte allein in den nordargentinischen Provinzen Jujuy, Salta, Chaco, Cordoba, Santa Fe und Catamarca. Und im brasilianischen Bundesstaat Bahia seien bis Ende April mehr als 50.000 Menschen infiziert worden; 41 von ihnen seien gestorben. Im vergangenen Jahr wurden in Brasilien sogar über eine Viertelmillion Dengue-Infizierte registriert. [4]

Dengue-Fieber wird ähnlich wie Malaria durch den Stich einer Mücke übertragen, in diesem Fall von der Ägyptischen Tigermücke (Aedes aegypti). Je nach Schwere der Infektion bekommen die Betroffenen schwaches Fieber oder starke Fieberschübe, Schüttelfrost, Kopf-, Glieder-, Gelenk- und Muskelschmerzen. Teilweise treten innere Blutungen auf, weshalb die Infektionskrankheit zu den hämorrhagischen Fiebern (wie Ebola, Marburg, Krim-Kongo-, Westnilfieber, etc.) gerechnet wird. Die Lethalität von Dengue-Fieber ist verglichen mit anderen hämorrhagischen Fiebern niedrig. In Argentinien starben seit Ende März neun Personen an der Krankheit. Weder gibt es einen Impfstoff gegen Dengue-Fieber noch eine spezifische antivirale Behandlung. Eine wichtige generelle Gegenmaßnahme besteht darin, die Brutgebiete der Mücken trockenzulegen. Stehende Gewässer, Pfützen, offene Regentonnen und andere Gefäße, beispielsweise auf Müllhalden, sind die idealen Brutplätze der Aedes aegypti.

Nun wird behauptet, daß der argentinische Agronom Alberto Lapolla die Ausbreitung der Mücke mit dem Vormarsch gentechnisch veränderter Soja des Unternehmens Monsanto verglichen und festgestellt hat, daß sich die Gebiete "fast metergenau" überschneiden. [2] Beim Anbau der Gentech-Soja wird in der Regel das Herbizid Roundup eingesetzt, das unter anderem den Wirkstoff Glyphosat enthält. Die Soja ist gegen Roundup immun, alle anderen Pflanzen sind es nicht (es sei denn, bestimmte Flächen werden längere Zeit "Roundup-Streß" ausgesetzt, dann können sich Resistenzen bilden) und sterben ab. Das verschafft der Soja Vorteile, sie kann konkurrenzlos gedeihen, was zu einer höheren Ernte führen kann (ist aber nicht zwingend).

Glyphosat tötet angeblich nicht nur Unkräuter, lesen wir: "Das Glyphosat tötet Fische, Frösche und Kröten, d.h. alle natürlichen Fressfeinde der Moskitos, von denen sie sich ernähren", schrieb Lapolla laut "20 Minuten" zum Abschluß seines Berichts. Demnach sind die Amphibien in den Flüssen und Seen rund um die Sojaplantagen so gut wie ausgerottet, so daß sich die Dengue-Mücke ungestört vermehren kann.

"Die Rache der Mücken" titelte das Schweizer News-Portal recht reißerisch. Doch man weiß eigentlich nicht so recht, für was die Mücken Rache genommen haben sollen. Nicht minder merkwürdig mutet die Weiterverbreitung der "20 Minuten"-Meldung auf anderen Websites an. "Dengue-Fieber-Epidemie aufgrund von Soja-Anbau", titelte die Internetseite Optikur.de recht gewagt. Solche monokausalen Abhängigkeiten - Soja-Anbau für Dengue-Fieber verantwortlich - lassen sich in der Regel in der Natur nicht nachweisen, beziehungsweise man kann umgekehrt als sicher annehmen, daß dabei bestimmte Faktoren ausgeblendet werden, um ein gewünschtes Ergebnis zu präsentieren.

Eine Behauptung von Optikur.de innerhalb des Textes hält ebenfalls einer Überprüfung nicht stand: "Bei diesem Pestizid, Glyphosat, handelt es sich um ein starkes Gift, das alle übrigen Pflanzen und Tiere außer dieser Sojapflanze auf dem angewendeten Gebiet vernichtet."

Glyphosat tötet zwar in der Regel alle anderen Pflanzen in der besprühten Region ab, nicht aber "alle Tiere", wie hier behauptet. Das soll es auch gar nicht. Damit soll nicht bestritten werden, daß in verschiedenen wissenschaftlichen Studien nachgewiesen wurde, daß Glyphosat insbesondere für Frösche und andere Amphibien extrem schädlich sein kann, aber "alle Tiere" in einer besprühten Region werden durch die Chemikalie sicherlich nicht ausgelöscht.

Für eine ernstzunehmende epidemiologische Studie über die Ausbreitung des Dengue-Fiebers in Südamerika im Zusammenhang mit dem Vormarsch der Gen-Soja genügt es nicht, die Angaben zweier entsprechender Ausbreitungskarten miteinander zu korrelieren. Allein der Umstand, daß die Dengue-Epidemie in südamerikanischen Großstädten wie Sao Paulo oder Buenos Aires grassiert, widerspricht der behaupteten Abhängigkeit des Dengue-Fieber vom Gen-Sojaanbau, denn in den Städten wird keine Landwirtschaft betrieben und kein Glyphosat versprüht. Darüber hinaus werden hier Regionen über einen Kamm geschoren, in denen entweder sehr viel, wenig oder keine Soja angebaut wird. Solche Generalisierungen dienen zwar der Präsentation des gewünschten Ergebnisses, aber sie sind leicht zu widerlegen. Gegnern der Gentechnik in der Landwirtschaft wird mit Behauptungen, wie sie oben genannte Quellen aufstellen, ein Bärendienst erwiesen.

Außerdem wird in Horacio Verbitskys Bericht nicht nur Glyphosat genannt, sondern auch andere Pflanzenschutzmittel wie 2-4-D, Atrazin, Endosulfan, Paraquat, Diquat und Clorpirifos. Das bedeutet nicht, daß Verbitskys bzw. Lapollas Behauptungen an den Haaren herbeigezogen sind. Glyphosat soll zwar nicht über offenen Wasserflächen versprüht werden, wie das Unternehmen Monsanto [6] auf seiner Website als Antwort auf eine Studie des US-Forschers Rick A. Relyea von der Universität Pittsburgh beteuert - der hat herausgefunden, daß Glyphosat auch in niedriger Konzentration schwere Schäden bei Fröschen und anderen Amphibien auslöst [7] -, aber in der Praxis läßt es sich kaum vermeiden, daß erstens angrenzende Gewässer eines Felds ebenfalls behandelt werden und daß zweitens Winddrift die Chemikalie verbreitet. Zudem wird ein Landwirt immer bemüht sein, eine größere Fläche als die, auf der er Saat ausgebracht hat, zu besprühen, um ein allzu rasches Eindringen der Unkräuter von außen zu verhindern. Eine Kontamination von Gewässern ist somit unvermeidbar. Monsanto beschönigt die Verhältnisse, unter den seine Pflanzenschutzmittel versprüht werden.

Der Agronom Alberto Lapolla, ehemaliger Dozent an der Universität von Buenos Aires, arbeitet seit Jahren zum Thema "Sojafizierung" Südamerikas und warnt vor den sozialen, ökologischen und ökonomischen Folgen, wie unter anderem hier [8] nachzulesen ist. Soja wächst auf rund 60 Prozent der argentinischen landwirtschaftlichen Fläche, fast alle Sojapflanzen sind gentechnisch verändert, was bedeutet, daß bei ihrem Anbau die Substanz Glyphosat versprüht wird. Im Jahr 2006 schrieb Lapolla, daß in Argentinien in der zurückliegenden Saison mindestens 150 Millionen Liter Glyphosat, 20 Millionen Liter 2-4-D und 6 Millionen Liter Endosulfan eingesetzt wurden - die beiden letztgenannten gelten als hochgradig krebserregend.

Wenngleich Pflanzenschutzmittel wie Roundup wissenschaftlichen Studien zufolge zum Amphibiensterben beitragen können, wäre es eine sehr verkürzte Darstellung, die aktuelle Dengue-Fieber-Epidemie in Südamerika ausschließlich auf die Verbreitung von Gen-Soja zurückzuführen. Plausibler erscheint da schon der relativ aktuelle Aufsatz (in spanisch) von Brenda Junín vom 17. April dieses Jahren auf ecoportal.net. [9] Darin kritisiert sie die sträfliche Vernachlässigung der öffentlichen Gesundheit Argentiniens, die fehlende Ausbildung von Spezialisten, die Kumpanei zwischen Behörden und Agroindustrie, und benennt viele weitere Mißstände, welche die Ausbreitung des Dengue-Fiebers begünstigt hätten.

Nicht zuletzt wäre in diesem Kontext der Klimawandel zu nennen. Aedes aegypti vermehrt sich besonders gern in feucht-heißen Umgebungen (was die Mücke allerdings nicht davon abgehalten hat, Menschen in kühleren Regionen Südamerikas mit Dengue-Fieber zu infizieren). Das Aussterben der Amphibien und damit der natürlichen Feinde der Mücke ist ein weiterer Faktor, der die Ausbreitung der Seuche begünstigt hat, aber es ist sicherlich nicht der einzige.


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Anmerkungen:

[1] "Dengue-Fieber. Die Rache der Mücken", 20 Minuten, 3. Mai 2009
http://www.20min.ch/news/wissen/story/Die-Rache-der-Muecken-29342795

[2] "El escandaloso expediente de la soja transgénica. Verano del '96", Horacio Verbitsky, 28. April 2009
http://www.ecoportal.net/content/view/full/85660

[3] "Schwere Dengue-Fieber-Epidemie in Südamerika", 4. Mai 2009
http://www.vitanet.de/aktuelles/Reise-und-Gesundheit/20090504-Schwere-Dengue- Epidemie-in-Suedamerika/

[4] "Dengue puts in check to the region, pushed by the global heating", 31. März 2009
http://www.ecoportal.net/content/view/full/85072

[5] "Dengue-Fieber-Epidemie aufgrund von Soja-Anbau", 4. Mai 2009
http://www.optikur.de/news/dengue-fieber-epidemie-aufgrund-von-soja-anbau- 14541.htm

[6] Monsanto response to "The Impact of Insecticides and Herbicides on the Biodiversity and Productivity of Aquatic Communities, Ecological Applications" by Relyea (2005), 6. April 2005
http://www.monsanto.co.uk/news/ukshowlib.phtml?uid=8800

[7] Relyea, Rick A.: "The Impact of Insecticides and Herbicides on the Biodiversity and Productivity of Aquatic Communities", Ecological Applications 15 (2): 618-627
doi: 10.1890/03-5342

sowie im selben Jahr:

Relyea, Rick A.: "The Lethal Impact of Roundup on Aquatic and Terrestrial Amphibians", Ecological Applications, 15(4), 2005, pp. 1118-1124
doi: 10.1890/04-1291

Im vergangenen Jahr hat Relyea seine Arbeit spezifiziert und seine früheren Ergebnisse bestätigt:

Relyea, Rick A., Diecks, Nicole: "An Unforseen Change of Events: Lethal Effects of Pesticides on Frogs at Sublethal Concentrations", Ecological Applications 18(7), 2008, 1728-1742
doi: 10.1890/08-0454.1

[8] "Argentina Soya-fication", Alberto Lapolla, 23. Juli 2006
http://www.zmag.org/znet/viewArticle/3519

[9] "Dengue: it was this one avoidable epidemic?", Brenda Junín, 17. April 2009
http://www.ecoportal.net/content/view/full/85395

5. Mai 2009