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GENTECHNIK/292: Monsanto in Vietnam - Kritik an Einsatz von "Agent Orange-Nachfolger" Glyphosat (SB)


Regierung Vietnams unterhält umfangreiches Programm zur Verbreitung der Grünen Gentechnik

Kritische Stimmen gegen Herbizidverwendung, mit dessen Vorläufer die USA Wälder entlaubt haben, können sich nicht durchsetzen



Der Agrokonzern Monsanto möchte in Vietnam Fuß fassen und dort sein gentechnisch verändertes Saatgut vertreiben. Das wird jedoch im Paket mit dem Pflanzenschutzmittel Roundup angeboten, mit dem es eine besondere Bewandtnis hat. Sein Hauptinhaltsstoff Glyphosat tritt damit in die Fußstapfen von Agent Orange, das von 1965 bis 1969 ebenfalls von Monsanto hergestelt wurde. Davon haben die USA während des Vietnamkriegs, bzw. Amerikanischen Kriegs, wie ihn die Vietnamesen nennen, über 45 Mio. Liter über dem Dschungel versprüht, um die Versorgungswege der nordvietnamesischen Kämpfer freizulegen oder auch um die Ackerflächen der Bevölkerung zu zerstören. Zudem wurden weitere Kampfstoffe wie Agent Purple, das noch giftiger ist, ausgebracht, so daß die Gesamtmenge an versprühten chemischen Kampfstoffen 80 Millionen Liter beträgt.

Auch das Herbizid Glyphosat "entlaubt" gewissermaßen die behandelten Flächen, das heißt, es läßt alle Grünpflanzen mit Ausnahme der gentechnisch veränderten Pflanzen von Monsanto verdorren. Agent Orange enthält Dioxin, das eines der gefährlichsten Gifte überhaupt ist. Theoretisch kann mit 80 Gramm Dioxin in der Wasserversorgung eine Großstadt von acht Millionen Menschen entvölkert werden. Die USA haben im Vietnamkrieg die 40.000.000.000fache Menge der für eine Person tödlichen Dosis Agent Orange verbreitet. Zwischen 2,1 und 4,8 Mio. Vietnamesen waren dieser oder anderen Chemikalien direkt ausgesetzt, schrieb Anfang des Jahres die vietnamesische Zeitung "Thanh Nien News" unter Berufung auf Zahlen des Internationalen Roten Kreuzes. [1]

Monsanto hat auf seiner Website eine Stellungnahme zum Thema Agent Orange im Vietnamkrieg veröffentlicht. Der Weltkonzern schreibt, daß die damalige US-Regierung Verträge mit sieben größeren Unternehmen zur Herstellung von Agent Orange abgeschlossen hatte und daß insgesamt fünfzehn Entlaubungsmittel verwendet worden seien. Im Jahr 2009‍ ‍habe das Oberste Gericht der USA entschieden, daß die Unternehmen nicht für die Folgen des militärischen Einsatzes von Agent Orange in Vietnam verantwortlich sind, weil sie Vertragspartner der Regierung waren und deren Anweisungen befolgt hätten. Deshalb sei man der Meinung, daß die Regierungen, die am Einsatz von Agent Orange beteiligt waren, die Verantwortung für die schädlichen Folgen übernehmen müßten. [2]

Während und nach dem Vietnamkrieg stieg die Fehlbildungsrate bei Neugeborenen, die Zahl der Totgeburten, der Nervenschädigungen bei Kindern und Erwachsen, die Krebsrate und die Häufigkeit vieler weiterer Krankheiten deutlich an. Da Dioxin sehr langlebig ist, kommt es auch heute noch zu schweren Beeinträchtigungen, und das bereits in der dritten Generation. Betroffen waren vor allem die Einwohner Vietnams, aber unter anderem auch US-Soldaten, die mit dem Mittel in Kontakt kamen.

Vietnamesische Umweltschützer protestieren gegen die Absicht der Regierung, gentechnisch verändertes Saatgut zuzulassen und wollen verhindern, daß weitere Gentech-Feldversuche durchgeführt werden. [1] Die Rede geht bereits von einer zweiten Kontamination des Landes mit Entlaubungsmittel. Auch bestehen gewaltige ethische Bedenken, daß Geschäfte ausgerechnet mit einem US-Unternehmen, das Rechtsnachfolger jenes Konzerns, der an zentraler Stelle daran beteiligt war, daß ihre Heimat mit Agent Orange verseucht wurde, nun in einer sehr ähnlichen Angelegenheit getätigt werden. Wie schwer das Erbe des Amerikanischen Kriegs in Vietnam wiegt, zeigt sich auch daran, daß vor drei Jahren landesweit der 10. August als "Orange Day" in Gedenken an die Opfer von Agent Orange eingeführt wurde. Am 10. August 1961 war die Chemikalie erstmals über Südvietnam ausgebracht worden, erst zehn Jahre darauf endete der chemische Krieg.

In einem 2006 veröffentlichten Entwurf zur Einführung der Grünen Gentechnik hat die Regierung Vietnams vorgesehen, daß Labor- und Feldversuche bis 2010, die Kultivierung von GM-Pflanzen bis 2015 und schließlich deren Anbau auf 30 bis 50 Prozent der Fläche bis 2020 verwirklicht werden sollen. [3] Nach Angaben der vietnamesischen Regierung wurde den Unternehmen Monsanto, Syngenta und Pioneer gestattet, Versuche mit gentechnisch veränderten Pflanzen durchzuführen. [4] Ein Pilotversuch wurde in der nördlichen Provinz Vinh Phuc, erste Freilandversuche seit 2010 in den südvietnamesischen Provinzen Hung Yen und Ba Ria-Vung Tau mit Hilfe von Monsanto und Syngenta vorgenommen. Bis Ende des Jahrzehnts könnte die Landwirtschaft Vietnams eine ähnliche Entwicklung durchlaufen wie die der Vereinigten Staaten, das heißt, daß dann ein erheblicher Teil der landwirtschaftlichen Fläche mit gentechnisch veränderten Organismen (GMO) kontaminiert ist.

Die GM-Pflanzen haben nur bedingt die in sie gesetzte Erwartung einer Kostenersparnis für die Landwirte erfüllt. In manchen Regionen der USA, in denen beispielsweise Mais oder Soja von Monsanto angebaut wird, konnten die Ertragszahlen gesteigert werden, in anderen dagegen nicht. Die Menge an chemischen Mitteln nahm mitunter zu, da die Unkräuter Resistenzen entwickelten - ein unverkennbarer genereller Trend. In Ländern wie Indien ist Monsanto mit seiner gentechnisch veränderten Baumwolle gescheitert.

Das alles weiß die Regierung Vietnams. Wenn sie dennoch hofft, daß mittels eines mehrjährigen Forschungs- und Feldversuchsprogramms GM-Pflanzen erfolgreich an die lokalen Boden- und Klimaverhältnisse angepaßt werden können, dann dürfte das auch mit dem allgemeinen Nahrungsmangel zu tun haben. Zwar hatte das Land während der globalen Preisexplosion für Nahrungsmittel 2007/2008 den Philippinen geholfen, wo sich viele Menschen keinen Reis mehr leisten konnten und die Regierung Notmaßnahmen ergreifen mußte - Manila hatte damals aus verschiedenen Ländern insgesamt 2,3 Millionen Tonnen Reis im Wert von 1,5 Milliarden Dollar importiert [5] - aber Vietnams Produktionssteigerung der letzten Jahre wird absehbar an ihr Ende kommen.

An so einer Stelle locken die Biotechkonzerne mit vielversprechenden Angeboten - insbesondere in der Anfangszeit, wenn in einem weiteren Land GM-Saat gegen Bedenken und Widerstände der Bevölkerung durchgesetzt werden soll. Allerdings muß man sagen: So wenig, wie die Grüne Gentechnik bewiesen hat, daß sie die Erntemenge generell zu steigern vermag, so wenig konnten Gentechnikkritiker das Gegenteil beweisen. Pauschal kann man nicht sagen, daß für die Gentech-Saat mehr Pestizide benötigt werden.

Dennoch können die Kritiker für ihren Standpunkt inzwischen einige gewichtige gute Gründe vorbringen: Einmal ausgesät, lassen sich die GM-Pflanzen nur schwer eindämmen; die gesundheitlichen Folgen eines langfristigen Verzehrs von GM-Produkten sind nach wie vor nicht ausreichend erforscht; Glyphosat steht im Verdacht, das Amphibiensterben zu forcieren; GM-Saat unterwirft die Bauern einem besonders strengen Lizenzsystem und bringt sie in besonderer Weise in Konzernabhängigkeit; die Grüne Gentechnik fördert den Monokulturanbau und die weitere Monopolisierung der Nahrungsproduktion.

Herbizide wie Roundup, die den Wirkstoff Glyphosat enthalten, belasten Umwelt und Gesundheit möglicherweise doch stärker, als die Agrokonzerne bei der ursprünglichen Einführung der GM-Saat ab Mitte der neunziger Jahre in den USA angegeben hatten. Hinzu kommt, daß Glyphosat auch zur Reifesteuerung kurz vor der Ernte verwendet wird. Man nennt dies in der Landwirtschaft "Sikkation" (Austrocknung), und die administrativen Bestimmungen der Europäischen Union zur Verwendung von Sikkationsmitteln erweisen sich bei genauerer Betrachtung als ziemlich lückenhaft und widersprüchlich. [6] Im Februar dieses Jahres hatten die Grünen im Bundestagsausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz den Antrag gestellt, die Zulassung des Pestizidwirkstoffs Glyphosat auszusetzen und eine Neubewertung vorzunehmen. [7]

Ungeachtet der hier nur auszugsweise wiedergegebenen Bedenken hinsichtlich der Grünen Gentechnik müssen die Chancen der vietnamesischen Umweltbewegung und -aktivisten, die Einführung der Gentechsaat und damit den flächendeckenden Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln von Monsanto und anderen Unternehmen noch verhindern zu können, als gering eingeschätzt werden. Vietnam unterhält gute Wirtschaftsbeziehungen zu den USA, für einen plötzlichen Kurswechsel der Regierung gibt es keine Anhaltspunkte. Die moralisch-ethischen Bedenken, ausgerechnet mit dem Rechtsnachfolger des Agent Orange-Produzenten Monsanto Geschäfte zu machen, wiegen zumindest bei ihr anscheinend nicht sehr schwer. Darüber hinaus erlebt Vietnam zur Zeit einen wirtschaftlichen Aufschwung, vom dem zwar längst nicht alle, aber eine wachsende Zahl von Einwohnern profitieren. Von ihnen ist kein "arabischer Frühling" und keine "Occupy-Bewegung" zu erwarten. Die Regierung gilt als gefestigt, das von ihr propagierte Wirtschaftsmodell wird kaum in Frage gestellt. Doch das müßte es grundlegend, wollte man die industrielle Landwirtschaft mitsamt ihrer ökologisch möglicherweise verheerendsten Variante, der Grünen Gentechnik, abschaffen.

Die USA, die sich in Zukunft stärker dem pazifischen Raum widmen wollen, streben eine "strategische Partnerschaft" mit Vietnam an. Das gelte insbesondere für Wirtschaft, Handel, Investitionen, Wissenschaft und Technologie, Bildung und Ausbildung sowie humanitäre Unterstützung, sagte (in dieser Reihenfolge!) der im US- Außenministerium für Angelegenheiten in Ostasien und dem Pazifischen Raum zuständige Staatssekretär Kurt Campbell am 2. Februar dieses Jahres bei seinem Besuch in Vietnam. [8]

Die Bemühungen Monsantos und anderer US-Unternehmen, Geschäfte mit dem südostasiatischen Land zu machen, passen nahtlos zur Politik der Regierungen beider Länder. Wohingegen kritische Stimmen wie die von Shalini Bhutani von GRAIN und Daniel Ocampo von Greenpeace anscheinend keine Breitenwirkung haben. Bhutani warnt vor der aggressiven Verkaufspolitik der US-Biotechkonzerne, und der bei Greenpeace für nachhaltige Landwirtschaft in Südostasien zuständige Ocampo rät, daß sich Vietnam erst einmal darüber klar werden sollte, ob GM-Getreide überhaupt geeignet ist, um Ernährungssicherheit für die Bevölkerung herzustellen. Denn sie sei nicht geschaffen worden, um die Ernte zu steigern, sondern um herbizidtolerant zu sein und Pestizide einzubauen. [9]

Abschließend könnte man sagen, daß die US-Regierung mit dem eiligen Abzug ihrer Soldaten und Diplomaten 1975 aus Saigon (heute: Ho-Chi-Minh-Stadt) eine Schlacht verloren, aber den Krieg inzwischen mit anderen Mitteln gewonnen haben: In Vietnam, das als politisches System eine sozialistische Volksrepublik gewählt hat, unterscheidet sich die Verwertung menschlicher Lohnarbeit im Prinzip nicht von der in anderen, eng an den Weltmarkt gebundenen Volkswirtschaften. Damit haben die USA das Kriegsziel, den Kommunismus zu bezwingen, nachträglich erfüllt.


Anmerkungen:

[1]‍ ‍"Monsanto´s GM crop debate reopens Agent Orange wounds", Thanh Nien News, 13 Januar 2012
http://www.thanhniennews.com/index/pages/20120113-monsanto-gm-crop-debate-reopens-agent-orange-wounds.aspx

[2]‍ ‍"Agent Orange: Background on Monsanto's Involvement", Monsanto, aus dem Internet abgerufen am 10. Februar 2012
http://www.monsanto.com/newsviews/Pages/agent-orange-background-monsanto-involvement.aspx

[3]‍ ‍"Just don´t do it", Thanh Nien News, 22. August 2011
http://www.thanhniennews.com/index/pages/20110822142919.aspx

[4]‍ ‍"Just don´t do it. Vietnam beware!", Thanh Nien News, 13. Januar 2012
http://www.thanhniennews.com/index/pages/20120113-monsanto-gm-crop-debate-reopens-agent-orange-wounds.aspx

[5]‍ ‍"Hunger in den Philippinen. Ursachen der Hungerkrise in 2008 - Wer hungert warum?", Roman Herre, aus dem Internet abgerufen am 12. Februar 2012
http://www.vernetzte-er.de/dev/index.php?option=com_content&view=article&id=39&Itemid=44

[6]‍ ‍"KOLLATERALSCHADEN/005: Sikkation - Ein Grund zu fragen (SB)", Schattenblick, 16. November 2010
http://schattenblick.com/infopool/umwelt/redakt/umko0005.html

[7]‍ ‍62. Sitzung des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, Berlin, 7. Februar 2012
http://www.bundestag.de/bundestag/ausschuesse17/a10/tagesordnungen/TO_62__Sitzung_8_2_2012.pdf

[8]‍ ‍"US Assistant Secretary of State tours VN", VGP, 2. Februar 2012
http://news.gov.vn/Home/US-Assistant-Secretary-of-State-tours-VN/20122/13174.vgp

[9]‍ ‍"Losing food sovereignty", Thanh Nien News, 15. Oktober 2010
http://www.thanhniennews.com/index/pages/20101017161427.aspx

12.‍ ‍Mai 2012