Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → REDAKTION


GENTECHNIK/304: Demnächst Gentech-Anbau in Deutschland (SB)


Kabinettsbeschluß macht bundesweites GVO-Anbauverbot faktisch unmöglich

Kontaminationen mit gentechnisch veränderten Pflanzen gehen immer nur in eine Richtung ...


Die Bundesregierung hat die Hürden für ein bundesweites Anbauverbot gentechnisch veränderter Pflanzen (GVO) so hoch gelegt, daß es in der Praxis kaum zu einem solchen Verbot kommen wird. Am Dienstag verabschiedete das Kabinett einen entsprechenden Gesetzentwurf, wonach sechs Ministerien und die Mehrheit der Bundesländer einem GVO-Verbot auf Bundesebene zustimmen müssen. Darüber hinaus müssen zwingende umwelt- oder agrarpolitische Gründe dafür genannt werden, warum dem Allgemeinwohl durch den Anbau von GVO erhebliche Nachteile drohen. Im kommenden Monat könnte sich der Bundesrat mit dem Entwurf befassen, Anfang nächsten Jahres dann der Bundestag, wie das genethische Netzwerk meldete. [1]

Faktisch wird mit diesem Entwurf die sogenannte Opt-out-Regelung zur Ländersache, was darauf hinausläuft, daß damit das Gentechnikverbot in Deutschland gekippt ist. Denn es braucht nur ein einziges Bundesland keinen Antrag auf "opt-out" zu stellen, dann könnte Deutschland nicht mehr behaupten, gentechnikfrei zu sein. Und es gibt mehrere Bundesländer, denen nicht an einem Verbot gelegen ist. Also wird Deutschland zu einem Flickenteppich an GVO-Regelungen.

Nun verhält es sich aber so, daß damit nicht nur ein ungeheuer großer bürokratischer Aufwand droht, sondern daß sich mit der Zeit ganz Deutschland in ein GVO-Land verwandeln wird. Denn Kontaminationen über Pollenflug oder ungewollte Aussaat werden kaum zu vermeiden sein. Und die Kontamination geht immer nur in eine Richtung, von den einzelnen Gentech-Regionen in bis dahin noch nicht betroffene Gebiete. Niemals umgekehrt, denn man kann ein GVO-Gebiet nicht mit gentechnikfreiem Saatgut "kontaminieren". Somit werden Tatsachen geschaffen, die über kurz oder lang darauf hinauslaufen, daß die Macht des Faktischen die GVO-Verbreitung bestimmt.

Rund zwei Jahrzehnte lang haben sich die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland und anderen EU-Mitgliedstaaten erfolgreich gegen die Einführung und Verbreitung von GVO in der Landwirtschaft zur Wehr gesetzt - mit der Opt-out-Regelung ist es der Gentechniklobby gelungen, den Widerstand ins Leere laufen zu lassen.

Gewiß, Umweltverbände, Gentechnikkritikerinnen und -kritiker, bäuerliche Initiativen und viele mehr haben auf EU-Ebene für die Opt-out-Regelung, die den administrativen Hintergrund für den gestrigen Kabinettsbeschluß bildet, gekämpft. Das war zweifellos ein Erfolg. Doch der erscheint nur deshalb so groß, weil zuvor bestimmte Interessen innerhalb der EU die düstere Perspektive eines völligen Verzichts auf ein GVO-Verbot verbreitet hatten.

Wahrscheinlich wird es etliche Jahre dauern, bis das hier geschilderte Worst-case-Szenario eintritt, aber in der Praxis wird sich erweisen, daß die Gentechniklobby am Ende den längeren Atem hat. So stellt sich heraus, daß es nicht, wie befürchtet, die Freihandelsabkommen mit Kanada und den USA - das vor wenigen Tagen unterzeichnete CETA und das noch auszuhandelnde TTIP - sind, die als Türöffner für GVO in der Landwirtschaft der Europäischen Union dienen, sondern Beschlüsse wie der des Kabinetts am 1. November 2016.

Ein Schuft, wer glaubt, daß dabei nicht nur der Duft frisch gebrühten Kaffees über den Kabinettstisch geweht ist, sondern auch der Geist der "regulatorischen Kooperation". Sollen doch künftig transatlantische Gremien Gesetzesvorhaben dahingehend abklopfen, ob sie Handels- und Investitionshemmnisse darstellen. Dem sei Opt-out vor.


Fußnote:

[1] http://www.keine-gentechnik.de/nachricht/32223/

2. November 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang