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GENTECHNIK/307: Höhere Fettleber-Inzidenz nach Roundup-Zufuhr (SB)


Versuchstier Mensch

Industrie nimmt höheres Krankheitsrisiko durch die Produktion von Genfood in Kauf


Wer eine Fettleber entwickelt, setzt sich trotz der vielen möglichen Ursachen hierfür leicht dem Verdacht aus, zuviel Alkohol zu trinken oder sich "ungesund" zu ernähren. Fette Mahlzeiten, Kuchen und Süßigkeiten, zu viele Soft Drinks sowie zuviel Fruktose in Nahrungsmitteln und Getränken gelten als mögliche Ursachen für Fettleber. Da kann es allzu leicht zu einer Schuldzuweisung an die Betroffenen kommen, insbesondere dann, wenn sie gleichzeitig über ein höheres Körpergewicht verfügen, als es von Ernährungsexperten empfohlen wird. Sie müßten ihre Ernährungsweise und ihren Lebensstil ändern, lautet dann die ärztliche Empfehlung.

Eine Forschergruppe um Dr. Michael Antoniou vom King's College London hat nun anhand von Tierversuchen festgestellt, daß eine wenngleich geringe, jedoch länger anhaltende Zufuhr der Nahrung mit dem Unkrautvernichtungsmittel Roundup eine Fettleber auslösen kann. Die peer-reviewte Studie wurde Anfang des Monats im Wissenschaftsjournal "Scientific Reports" veröffentlicht. [1] Roundup ist das weltweit am meisten verbreitete Herbizid und wird vor allem im Zusammenhang mit dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen verwendet.

Die Forscher hatten Rattenweibchen zwei Jahre lang extrem geringe Mengen Roundup, die um das Zigtausendfache unterhalb der von den Gesetzgebern weltweit festgelegten Grenzwerte lagen, zugeführt. Dr. Antoniou erklärte: "Unsere Studienergebnisse sind sehr besorgniserregend, da erstmals ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der langfristigen Aufnahme einer umweltrelevanten Konzentration von Roundup und einer schweren Krankheit, der Nichtalkoholischen Fettleber, nachgewiesen wurde." Der Wissenschaftler rät dazu, die Sicherheitsbestimmungen für glyphosathaltige Herbizide zu überdenken. [2]

Glyphosat ist der Hauptinhaltsstoff von Roundup und steht schon länger in Verdacht, wahrscheinlich in Verbindung mit anderen Inhaltsstoffen, Krebs und andere Krankheiten auszulösen. Darüber wurde und wird noch immer in der Fachwelt eine Debatte geführt, an der auch Antoniou beteiligt ist. Er hat in dieser wie auch in früheren Studien mit dem französischen Molekularbiologen Gilles-Éric Séralini von der Universität von Caen zusammengearbeitet. Jener wiederum ist Hauptautor einer im September 2012 veröffentlichten, weit über die Fachwelt hinaus beachteten Studie. Kurz zusammengefaßt: Séralini hatte eine höhere Krebsanfälligkeit von Rattenweibchen, die zwei Jahre lang mit gentechnisch verändertem Mais der Sorte NK603 gefüttert wurden, festgestellt. [3]

Damit hatte er eine Diskussion ausgelöst, die bis heute anhält und dazu beigetragen hat, daß die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) die Zulassung von Glyphosat noch nicht verlängert, sondern eine Überprüfung und Auswertung der wissenschaftlichen Studien in Auftrag gegeben hat.

In der aktuellen Antoniou-Studie wurden Gewebeproben analysiert, die aus einer früheren Studie Séralinis stammen. Dieser hatte eine höhere Inzidenz von Leber- und Nierenschäden bei Ratten, die täglich eine winzige Menge Roundup erhielten, gegenüber Tieren aus einer Vergleichsgruppe festgestellt. In der Antoniou-Studie wurden nun die Gewebeproben nach speziellen molekularbiologischen, biochemischen und statistischen Verfahren analysiert. Es konnte aufgezeigt werden, daß die langfristige Aufnahme einer Glyphosatmenge von 4 Nanogramm pro Kilogramm Körpergewicht, was 75.000mal unterhalb des EU-Grenzwerts und 437.500mal unter dem US-Grenzwert liegt, das Risiko einer Fettleber deutlich erhöht.

Falls sich die Ergebnisse der Studie an Rattengewebe auf Menschen übertragen lassen, stünde damit Glyphosat im Verdacht, einer der bislang unterschätzten Risikofaktoren für Nichtalkoholische Fettleber (non-alcoholic fatty liver disease - NAFLD) zu sein, von der etwa jeder vierte Europäer und US-Amerikaner betroffen ist. Zu den Symptomen von Fettleber zählen unter anderem Müdigkeit, Muskelschwäche, Schwindelanfälle, Bauchschmerzen und Gelbfärbung der Haut. Fettleber gilt als Risikofaktor für Übergewicht, Diabetes, einen hohen Cholesterinspiegel sowie erhöhte Triglyceridwerte, muß aber nicht zwingend mit diesen Folgeerkrankungen einhergehen.

Bereits vor über zwölf Jahren machte der US-Autor Jeffrey M. Smith in seinem Buch "Trojanische Saaten" darauf aufmerksam, daß seit der Einführung der gentechnisch veränderten Nahrung in den USA in den neunziger Jahren die Fälle von ernährungsbedingten Krankheiten, die Rate von starkem Übergewicht und die Häufung von Krebs- und Diabetes-Erkrankungen zugenommen haben. Einen Beweis für einen Zusammenhang zwischen Genfood und diesen Krankheiten gebe es nicht, räumte Smith ein, versäumte es aber auch nicht zu erwähnen, daß dieser Zusammenhang noch gar nicht untersucht worden ist.

Fazit: Weil inzwischen eine Vielzahl an Studien zur Wirkung von Glyphosat erschienen ist, reiht sich die aktuelle Studie in diesen Reigen ein. Nicht einmal die verschiedenen Séralini-Studien haben die Befürworter der Grünen Gentechnik davon überzeugen können, daß gentechnisch veränderte Nahrung potentiell gesundheitsgefährdend ist. Denn in anderen Studien konnte so ein Nachweis nicht erbracht werden. Es geht dabei also ganz wesentlich um die Erlangung der Deutungshoheit, und das hat mehr mit wirtschaftspolitischen und hegemonial-administrativen Interessen zu tun als mit irgend etwas anderem. Wollte man nach einem Exempel dafür suchen, warum industriell produzierte Nahrung ein schleichendes, höheres Krankheitsrisiko birgt, dürfte es so scheinbar unspektakulär aussehen wie die Antoniou-Studie.


Fußnoten:

[1] Mesnage R, Renney G, Séralini GE, Ward M, Antoniou MN: Multiomics reveal non-alcoholic fatty liver disease in rats following chronic exposure to an ultra-low dose of Roundup herbicide. Scientific Reports, 2016; 6:39328.
http://www.nature.com/articles/srep39328

[2] http://gmwatch.org/news/archive/17402

[3] http://enveurope.springeropen.com/articles/10.1186/s12302-014-0014-5

27. Januar 2017


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