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KLIMA/304: Neue US-Studie - Klimawandel wird zu Kriegen führen (SB)


Nationale Sicherheit der USA durch Erderwärmung gefährdet

Alle Aspekte des modernen Lebens werden "destabilisiert"


Die Folgen des Klimawandels gefährden die nationale Sicherheit - dieses Thema wird in letzter Zeit in immer kürzeren Abständen aufgebracht. Allein das liefert einen Hinweis auf die Aktualität der Problematik. Am gestrigen Montag wurde in Washington eine neue Studie vorgestellt. Die Analysten der über 100 Seiten umfassenden Untersuchung warnen davor, das Problem des Klimawandels weiter zu unterschätzen. Aufgrund klimatischer Veränderungen werde es innerhalb und außerhalb der USA zu Migrationen kommen; es würden Kriege um Wasser und andere Ressourcen geführt, und es könnte eine Machtverschiebung unter den Nationen eintreten. Außerdem würden sich Krankheiten rascher ausbreiten, lautet die eindringliche Warnung.

Die apokalyptischen Vorstellungen, wie sie zu Zeiten des Kalten Kriegs als Folge eines Nuklearkriegs entworfen worden seien, könnten sich innerhalb der nächsten dreißig Jahre bewahrheiten, lautet die Einschätzung des Expertengremiums, das vom Center for Strategic and International Studies und dem Center for a New American Security zusammengestellt worden war. Der Klimawandel sei potentiell eine der schwerwiegendsten Herausforderungen der nationalen Sicherheit, mit denen diese oder irgendeine Generation von Politikern konfrontiert werde.

Der Bericht wurde unter anderem vom früheren CIA-Direktor James Woolsey, Nobelpreisträger Thomas Schelling, dem Vorsitzenden der nationalen amerikanischen Akademie der Wissenschaften, Ralph Cicerone, dem früheren Stabschef unter US-Präsident Bill Clinton, John Podesta, und dem Sicherheitsberater des früheren Vizepräsidenten Al Gore, Leon Fuerth, erstellt.

Die Experten hatten drei Szenarien entworfen, deren Bandbreite von einem Temperaturanstieg um 1,3 Grad bis 2040 bis zu 5,6 Grad bis 2100 reichte. Alle Aspekte des modernen Lebens würden destabilisiert, hieß es resümierend (Klimaforscher der Vereinten Nationen haben vor kurzem ihre eigenen Prognosen korrigiert und gehen nun von einer möglichen Erderwärmung von 6,0 Grad bis zum Jahr 2100 aus).

Es handelt sich bei der neuen US-Studie nicht um die erste Warnung dieser Art, wie folgende Auflistung, die nicht den Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, zeigt:

- Robert Gagosian, Direktor der Woods Hole Oceanographic Institution, empfiehlt in seiner Rede auf dem Weltwirtschaftsgipfel 2003 in Davos, daß sich die Regierungen auf einen schnellen Klimawandel "innerhalb der nächsten zwei Jahrzehnte" einstellen sollen.

- Im Februar 2004 veröffentlichten der US-Geheimdienstberater Andrew Marshall, der ehemalige Forschungsmanager beim Ölkonzern Royal Dutch/Shell und CIA-Berater Peter Schwartz und Doug Randall vom Global Business Network der kalifornischen Denkfabrik Monitor Group eine Studie zur Klimaentwicklung, in der sie die Regierung in Washington aufrufen, den Klimawandel "unverzüglich zur wichtigsten politischen und militärischen Frage" zu erklären. Die nationale Sicherheit der USA sei ebenso gefährdet wie die globale Stabilität. Ein "plötzlicher Klimawandel könnte den Planeten an den Rand der Anarchie bringen", schlußfolgerten die drei Experten.

- Die US-Senatoren Dick Durbin, Chuck Hagel und Dianne Feinstein verlangen von der Regierung eine "nationale nachrichtendienstliche Einschätzung zum globalen Klimawandel".

- Mitte April 2007 fordern elf US-Generäle und -Admirale im Ruhestand in ihrem Report "National Security and the Threat of Climate Change" (SecurityAndClimate.cna.org), daß die Folgen des Klimawandels für die nationale Sicherheit in den Strategien der nationalen Sicherheit und nationalen Verteidigung berücksichtigt werden müssen.

- Am 9. Mai 2007 fordert US-Luftwaffengeneral Charles Wald bei einer Anhörung vor dem Committee on Foreign Relations des US-Senats zum Thema "Klimawandel und Nationale Sicherheit", daß sich die Regierung auf die "Auswirkungen dramatischer Bevölkerungswanderungen, pandemischer Gesundheitsfragen sowie signifikanter Nahrungs- und Wasserverknappungen als mögliche Folge eines bedeutenden Klimawandels einstellen" soll.

- Im Mai dieses Jahres warnten von der deutschen Regierung eingesetzte Klimaexperten unter anderem, daß der Rückzug des Amazonas-Regenwalds und das Ausbleiben des asiatischen Monsuns unkalkulierbare Risiken für die betroffenen Gesellschaften darstellen.

- Der General im Ruhestand und ehemalige US-Stabschef Gordon R. Sullivan sagte im September 2007 vor einem Kongreßausschuß, daß vom Klimawandel eine erhebliche Bedrohung für die nationale Sicherheit ausgeht und in einem größeren Sinne auch für das Leben auf der Erde, wie wir es kennen.

- Das Nobelpreiskomitee sagt anläßlich der Verleihung des Friedensnobelpreises 2007 an den ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore, der zur Zeit eine Klimaschutzkampagne betreibt, und den Zwischenstaatlichen Ausschuß zum Klimawandel (IPCC) der Vereinten Nationen, daß Veränderungen in der globalen Umwelt die Gefahr von gewaltsamen Konflikten und Kriegen innerhalb von und zwischen den Staaten erhöhen können.

- In der Überarbeitung der Nationalen Sicherheitsdoktrin der USA vom Oktober 2007 wurde, unter Bezug auf die Zerstörungen durch den Hurrikan Katrina vor zwei Jahren, dem Thema Naturkatastrophen eine ungleich größere Bedeutung beigemessen als in der nach den Anschlägen des 11. September 2001 erstellten Version.

Selbstverständlich befassen sich nicht nur die US-amerikanischen Wissenschaftler und Geheimdienste mit den Folgen des Klimawandels für die staatliche Ordnung, und es wäre zu fragen, ob nicht heute schon Maßnahmen erkennbar sind, mit denen zukünftige destabilisierende Prozesse ausgesteuert und aufgefangen werden sollen. Beispielsweise fällt es auf, daß viele Kritiker der Antiterrorgesetze in den westlichen Metropolenstaaten monieren, daß diese völlig überzogen auf das Problem des Terrorismus reagiert hätten. Abgesehen davon, daß der sogenannte Terrorismus nicht zuletzt eine Folge westlicher Interventionen und hegemonialen Strebens sei, würde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.

Womöglich geht es nicht um Spatzen. Viele Entwicklungen und Maßnahmen der Regierungen werden erklärlich, wenn angenommen wird, daß der Globale Krieg gegen Terrorismus (GWOT), der von der US-Regierung ausgerufen wurde und an dem Deutschland im Rahmen der Operation Enduring Freedom beteiligt ist, im wesentlichen ein Vorwand für andere Absichten ist. Viele Repressionen und Kriegshandlungen ergeben dann einen Sinn, wenn davon ausgegangen wird, daß sich hier Interessensgruppen im weltweiten Maßstab auf bestehende und kommende Ressourcenkriege in Stellung bringen. Allem Anschein nach bereiten sich die Staatsapparate auf die gefürchteten "anarchischen" Verhältnisse, auf Bürgerkriege, regionale Konflikte und Ressourcenkriege unter den Nationen vor.

Zu den auffälligsten Vorwänden gehören Gesetzesmaßnahmen der US-Regierung, die den Einsatz der Streitkräfte im Landesinnern wesentlich erleichtern sollen. Die Optionen gehen weit über den Katastrophenschutz hinaus. Auch in Deutschland versuchen Politiker, allen voran Innenminister Wolfgang Schäuble, durchzusetzen, daß die Bundeswehr künftig im Innern und nicht mehr nur zur Landesverteidigung aufmarschieren darf. Die Zunahme der öffentlichen Gelöbnisse, die Observierung von G-8-Demonstranten durch Soldaten und Kampfjets weisen in eben diese Richtung.

Es sollte kein Zweifel daran bestehen, daß die Regierungen längst begonnen haben, sich auf destabilisierende Entwicklungen aufgrund des Klimawandels vorzubereiten - und es sollten ebensowenig Zweifel aufkommen, daß dies von ihnen nicht freiwillig öffentlich thematisiert wird.

6. November 2007