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KLIMA/305: Behörde rät Bundesbürgern, sich Vorräte anzulegen (SB)


Klimawandel erhöht Gefahr einer Mangelsituation auch in Deutschland

Der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) empfiehlt, Lebensmittel zu bevorraten


In dem vor wenigen Tagen veröffentlichten 4. Bericht des UN-Klimarats (IPCC) wird unmißverständlich deutlich gemacht, daß der Klimawandel bereits eingetreten ist und daß durch menschliche Maßnahmen lediglich noch sein Ausmaß beeinflußt werden kann. Doch egal welches Szenario man zugrundelegt, die Prognosen über die Zahl der Menschen, die Hunger oder Durst leiden werden, klingen apokalyptisch.

Hochrechnungen zufolge könnten bis zu zwei Milliarden Menschen im Jahre 2050 unter Wassernot leiden; die Agrarfläche (und damit die Erntemenge) ist kaum noch steigerbar, sie wird wahrscheinlich sogar zurückgehen. Und erst am letzten Montag hat die FAO (Food and Agriculture Organization) erklärt, daß die Zukunft des Fischfangs in der Aquakultur, die ihre Produktion bis 2030 wegen des Bevölkerungswachstums nahezu verdoppeln müsse, liege. Mit anderen Worten: die Meere sind hoffnungslos überfischt, von dort ist keine Linderung der globalen Nahrungsnot zu erwarten.

Wie der Schattenblick gelegentlich unter dem Index KLIMA berichtet hat, bereiten sich die US-Politiker, -Militärs und -Geheimdienstler seit längerem auf künftige Kriege und Bürgerkriege, die durch eine klimabedingte Mangelsituation ausgelöst werden, vor. Selbstverständlich gilt dies auch für andere Länder als die Vereinigten Staaten von Amerika. So teilte jetzt das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) auf seiner Internetseite mit, daß es die Bereiche des Bevölkerungsschutzes, die durch mögliche Klimaänderungen in der Zukunft betroffen sein könnten, erforsche, da "Extremwetterereignisse (...) neue Überlegungen zur Vorsorge, bei den Bewältigungsstrategien und auch bei der Nachsorge" erforderten. Mit Blick auf den Klimawandel sagte BBK-Präsident Christoph Unger, daß jede Bürgerin und jeder Bürger über die Notwendigkeit informiert werden sollte, "erhöhte Vorsorgemaßnahmen wie beispielsweise Lebensmittelbevorratung zu ergreifen".

Das BBK verweist auf die schweren Stürme "Lothar" 1999 und "Kyrill" 2007, die Abschaltung von Kraftwerken im Hitzesommer 2003 und die wachsende Ausbreitung von Krankheitserregern im Zuge der Erwärmung, um zusammengefaßt auf die Gefährdung kritischer Infrastrukturen und allgemein die "Verwundbarkeit unserer Gesellschaft" aufmerksam zu machen. Unter einer kritischen Infrastruktur sind die existentiell wichtigen Versorgungsleistungen in den Bereichen Wasser und Nahrung, aber auch Energie und Medizin zu verstehen.

Das am 1. Mai 2004 gegründete BBK hat sich im Juni dieses Jahres um eine strategische Zusammenarbeit mit den administrativen Kräften von Umweltbundesamt und Deutschem Wetterdienst bemüht. Diese Allianz werde die "Erkenntnisse der Klimaforschung zusammenführen und gefährdete Regionen identifizieren", erklärt das BBK. Darauf aufbauend würden Anpassungsstrategien entwickelt und Aufklärungsmöglichkeiten der Bevölkerung untersucht.

Auch beim dritten Europäischen Katastrophenschutzkongreß, der unter dem Motto "Europäische Strategien und Perspektiven für den Katastrophenschutz" stand und am 30./31. Oktober 2007 in Bonn veranstaltet wurde, war erwartungsgemäß der Klimawandel ein wichtiges Thema der Beratung der Vertreter aus über 40 Ländern.

Was die Bundesbürger im Falle einer Katastrophe zu erwarten haben, läßt sich beispielhaft an der bundesweiten Krisenmanagementübung LÜKEX 2007 (Länderübergreifendes Krisenmanagement Exercise), die am 7./8. November 2007 durchgeführt wurde und an der rund 3000 Personen beteiligt waren, ablesen. Bei dieser Übung wurde "die Zusammenarbeit des öffentlichen und privaten Gesundheitswesens, der polizeilichen und nichtpolizeilichen Gefahrenabwehr, der zivil-militärischen Zusammenarbeit (ZMZ) sowie die Einbindung privater Unternehmen und Organisationen zum effektiven Schutz der Bevölkerung im Fall einer Influenza-Pandemie simuliert", heißt es in einer Mitteilung des Bundesministeriums des Inneren (15.11.2007). "Ziel dieser Übung war die Optimierung der gesamtstaatlichen Maßnahmen im Pandemiefall zur Aufrechterhaltung der lebenswichtigen Grundfunktionen der Gesellschaft."

Hinter diesen in beamtendeutsch gefaßten Beschreibungen verbergen sich konkrete Maßnahmen, die alle Bundesbürger betreffen. An der Zielsetzung des sogenannten Bevölkerungsschutzes, wie er nicht nur bei einer Pandemie, sondern auch bei Überschwemmungen, Dürren, Stromausfällen, etc. angewendet würde, fällt auf, daß es nicht darum geht, möglichst viele Menschenleben zu retten, sondern darum, die staatliche Sicherheit und Ordnung zu bewahren. Das schließt keineswegs die "Grundversorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Energie und Transporten bei hohen Personalausfällen" aus, auf die das BBK aufmerksam macht, aber "Bevölkerung" ist ein dehnbarer Begriff. Damit ist gewöhnlich nicht zwingend die ausnahmslose Gesamtheit einer Bevölkerung gemeint.

Die US-Katastrophenschutzbehörde FEMA hatte vor zwei Jahren nach den Überschwemmungen durch den Hurrikan Katrina reichlich Kritik einstecken müssen, da die Menschen entweder im Stich gelassen wurden oder unsinnige Behördenanweisungen befolgen mußten. Die administrativen Strukturen der USA und der Bundesrepublik lassen sich selbstverständlich nicht über einen Kamm scheren, aber hinsichtlich der Ziele des Katastrophenschutzes gibt es entscheidende Gemeinsamkeiten. Im Falle einer Pandemie würden beispielsweise Quarantänemaßnahmen ergriffen, was bedeutet, daß ein gefährdetes Gebiet großräumig abgesperrt würde, so daß einige Menschen ein- und andere ausgeschlossen werden ... zum Schutz der Bevölkerung.

Quarantäne ist jedoch keine Schutzmaßnahme der von einer Epidemie Betroffenen, sondern aller übrigen, und das richtet sich gegen die Betroffenen. Im Falle einer Katastrophe wie beispielsweise eine Überschwemmung würden US-amerikanische Behörden ebenso abwägen wie deutsche, welche Menschen gerettet werden und welche nicht. Das Motto würde sinngemäß lauten, MÖGLICHST VIELE Menschen zu retten, und nicht, ALLE Menschen eines Überschwemmungsgebiets zu retten.

So wäre leicht vorstellbar, daß bei einem Deichbruch die öffentliche Ordnung genau dadurch besser geschützt ist, wenn ein Haus oder Dorf mitsamt den Bewohnern dem Wasser überlassen würde, um vielleicht statt dessen den geordneten Rückzug der Menschen im Hinterland zu organisieren. Die professionellen Katastrophenhelfer würden in einem solchen Fall allgemeine Interessen dem persönlichen Existenzinteresse überordnen.

Ein solches Szenario ist keineswegs hergeholt. Es betrifft nicht einmal nur den Katastrophenfall. Anders gesagt: Die Katastrophe ist bereits da, und alle, die dieses Zeilen lesen, gehören zu den Privilegierten, über die keine Quarantäne verhängt wurde.

Denn gegenwärtig leiden nach UN-Angaben 854 Millionen Menschen Hunger, jährlich sterben mehrere Dutzend Millionen an Nahrungsmangel. Diese Menschen sind bereits unter eine Art Quarantäne gestellt. Sie werden ausgegrenzt durch materielle Bauwerke wie die Hightech-Grenzanlagen zwischen Mexiko und den USA, Afrika und den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla, dem relativ reichen Botswana und dem grottenarmen Simbabwe, Israel und dem Gazastreifen, Rumänien und Moldawien, China und Nordkorea oder durch gesetzgeberische Maßnahmen wie die Drittstaatenregelung der EU oder propagandistische Bezeichnungen wie "Wirtschaftsflüchtlinge" für Menschen, die Elendsgebieten entfliehen, und "Illegale", denen es gelungen ist, die Festungsgrenzen zu überwinden.

Die Katastrophe ist da, und sie ist eingegossen in eine vermeintlich alternativlose Weltordnung, die wesentlich gekennzeichnet ist durch das Überleben eines Teils der Menschheit zulasten des anderen. Die Empfehlung des BBK-Präsidenten Unger zu "erhöhten" Vorsorgemaßnahmen kommt zu einer Zeit, in der die Lebensmittelpreise weltweit dramatisch steigen, sich die Schere zwischen Nahrungsbedarf und -angebot der wachsenden Weltbevölkerung immer weiter öffnet und die globalen Getreidevorräte auf den niedrigsten Stand seit ihrer Registrierung geschrumpft sind.

21. November 2007