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KLIMA/353: NASA-Forscher Hansen stilisiert Obama zum Messias (SB)


Vier Jahre zur Rettung des Planeten?

US-Klimaforscher sieht Barack Obama als Weltführer in Sachen Klimapolitik


Taktisch geschickt hat sich Barack Obama, der am 20. Januar in das Amt des US-Präsidenten eingeschworen werden soll, als Hoffnungsträger aufbauen lassen. Das betrifft auch die Klimapolitik. Zu den vielen Appellen, die ihn in den letzten Monaten erreicht haben, gehört die Erklärung des führenden NASA-Klimaforschers Jim Hansen, Obama habe nur vier Jahre Zeit, die Erde zu retten. Das klingt fast so comichaft, als würde Gotham City den Schattenriß von Batman an den Himmel strahlen, damit der Superheld unlösbare Probleme der Exekutive bewältigt, oder Metropolis nach Superman rufen, weil es vom Gestalt gewordenen Bösen bedroht wird. Nur mit dem keineswegs unbedeutenden Unterschied, daß das Problem, das Obama lösen soll, echt ist. Der Klimawandel findet statt, und nur weil Klima der Inbegriff für Wandel ist, widerspricht das nicht der Behauptung der Mehrheit der Wissenschaftler, daß der Mensch mit seiner weltumspannenden, industriealisierten Verbrennungstechnologie die Klimaentwicklung entscheidend beeinflußt hat. Das wird ja von einigen Zeitgenossen, die sich gern mit dem Begriff "Skeptiker" schmücken, geleugnet. Es sollte jedenfalls nicht wundern, daß sich die Eigenschaften des Gasgemisches der Erdatmosphäre ändern, wenn das Verhältnis seiner Bestandteile zueinander verändert wird.

Die britische Zeitung "The Observer", die Hansens Erklärung wiedergab [1], hat ihre Überschrift "President 'has four years to save Earth'" recht plakativ formuliert. In dem Artikel selbst formulierte es der Klimaforscher weniger reißerisch: "Wir können es uns nicht mehr leisten, den Wandel auf die lange Bank zu schieben. Wir müssen innerhalb der neuen Administration einen neuen Weg einschlagen. Es bleiben nur vier Jahre für Obama, dem Rest der Welt ein Beispiel zu geben. Amerika muß die Führung übernehmen."

Nur die USA besäßen die Kraft, die Welt anzuführen und die Zunahme der Treibhausgase zu stoppen, meinte der Leiter des Goddard Institute of Space Studies, der neben vielen Ehrungen nun auch noch die 2009 Carl-Gustaf Rossby Research Medal, die höchste Auszeichnung der Amerikanischen Meteorologischen Gesellschaft (AMS), erhalten soll.

Weltführerschaft - das ist eine Rolle, die sich die Vereinigten Staaten von Amerika sowieso gerne zuschreiben. "Full spectrum dominance" nennen es beispielsweise die Militärstrategen, und sie meinen damit die Vorherrschaft der USA zu Wasser, zu Lande, in der Luft und im Weltraum. Globalhegemonie wird selbstredend auch im Bereich der Wirtschaft und Kultur angestrebt - bedenkt man, daß vor vielen Jahren das Nomadenvolk der Tuareg seine traditionelle jährliche Wanderung verschoben hat, um die letzte Folge der US-Fernsehserie "Dallas" nicht zu verpassen, und diese Entwicklung seitdem in vielen Kulturen weiter vorangeschritten ist, könnten sich die USA bestätigt sehen.

Wenn nun der US-Bürger und Staatsbedienstete Hansen von seiner Regierung Weltführerschaft verlangt, dann ist das mit einer gehörigen Portion Skepsis zu betrachten. Warum sollte ein Staat, der 25 Prozent der weltweiten Treibhausgasemissionen erzeugt und indirekt für weitere Treibhausgasemissionen in Ländern wie China, das Waren für den Export in die USA produziert und dadurch ein ungünstiges Klimakonto erwirtschaftet, verantwortlich ist, die Führung übernehmen?

Hansen ist ein typischer Vertreter einer breiten Mehrheit, die Fragen des Klimaschutzes von der Frage des Sozialkampfs abgekoppelt betrachtet und das hegemoniale Projekt der USA auch auf die Klimapolitik ausdehnen möchte. Mit dem Argument, daß ohne die Vereinigten Staaten Vereinbarungen wie das Klimaschutzabkommen von Kyoto nahezu wirkungslos bleiben und deshalb die USA mit ins Boot geholt werden müssen, unterstellt diese auch in Deutschland breite Fraktion, daß es ein solches Boot gibt und daß alle Menschen darin Schutz finden.

Dieses eine Boot für die Menschheit ist jedoch weit und breit nicht in Sicht. Statt dessen drängen sich ins Sichtfeld: 1,5 Mio. Palästinenser, die mehrere Wochen im Gaza-Gefängnis bombardiert wurden; die unter dem vermeintlichen Bedarf der Landesverteidigung gegründete Bundeswehr, die sich an der Besatzung Afghanistans und an Feldzügen gegen dessen Bewohner beteiligt; ein zerrütteter, verrohter Irak, der im Anschluß an eine Dekade des UN-Sanktionsregimes mit einem verheerenden Krieg jenes Landes, dem nun die Führung in der Klimapolitik angetragen wird, überzogen wurde. Die Opfer all dieser Machenschaften befanden sich ganz sicher nicht mit im Boot. Ebenso wenig wie mehrere tausend, teils aus Umwelt- bzw. Klimagründen abwandernde Flüchtlinge, die beim Versuch, den Atlantik oder das Mittelmeer zu überqueren, um Europa zu erreichen, ertrinken. Oder wie die rund eine Milliarde Menschen, die chronisch hungern und von denen jedes Jahr mehrere Dutzend Millionen verrecken, weil sie nicht genügend zu essen haben.

Ein solches Boot gibt es nicht, es ist ein Truggebilde, für jene geschaffen, die als Opfer der vorherrschenden Raub- und Vernichtungsordnung vorgesehen sind. Barack Obama zum Kapitän jenes Boots zu ernennen, bedeutet somit, den Trug weiterspinnen und die bestehenden Verhältnisse, die für viele Menschen vernichtend sind, zu akzeptieren und legitimieren zu wollen.

Dessen ungeachtet ist Hansen zuzustimmen, wenn er eindringlich vor der bereits stattfindenden klimatischen Entwicklung warnt. Eine wichtige Frage wird jedoch von ihm und anderen sogenannten Klimaexperten ausgespart: Wenn schon die gegenwärtige Weltordnung kleinere privilegierte Regionen auf Kosten großflächiger Verelendungsräume geschaffen hat, warum sollte dann irgend jemand darauf hoffen, daß das gleiche System, nur mit einem grünen Anstrich versehen, ein anderes Ergebnis zeitigte?


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Anmerkung:

[1] Robin McKie: "President 'has four years to save Earth'. US must take the lead to avert eco-disaster", The Observer, 18. Januar 2009
http://www.guardian.co.uk/environment/2009/jan/18/jim-hansen-obama

19. Januar 2009