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KLIMA/374: Dürre im Murray-Darling-Becken Australiens (SB)


Dürre in der Kornkammer Australiens

Klimawandel nimmt in Australiens neuem Weißbuch eine wichtige Stellung ein


Australien kann sich nicht aus dem eisernen Griff der Dürre befreien. In einigen Landesteile regnet es seit zwölf Jahren weit unterdurchschnittlich, in anderen herrscht seit 2001 nahezu ununterbrochen schwerer Wassermangel. Da ganze Regionen mittels Bewässerung der vormaligen Halbwüste oder Wüste abgetrotzt wurden, schmälert der akute Wassermangel die landwirtschaftliche Produktion unmittelbar. Farmer müssen ihre Höfe aufgeben, "die Natur" holt sich die bewirtschafteten Flächen wieder zurück.

Die folgenschwersten Einbrüche erlebt die australische Landwirtschaft im Murray-Darling-Becken, der Kornkammer des Landes, die eine Ausdehnung von über eine Million Quadratkilometer hat. Das entspricht der Fläche Deutschlands und Frankreichs zusammen. Die beiden Flüsse Murray und Darling mitsamt ihren über 20 Zuflüssen tragen wesentlich dazu bei, daß Australien zum weltweit sechstgrößten Weizenexporteur aufstieg.

Das weitläufige, ausgeklügelte System von Rohrleitungen, Kanälen, Rückhaltebecken und anderen Maßnahmen der Wasserregulierung in dieser Großregion kann mit einem Adersystem verglichen werden, ohne einen ständigen Fluß wird die Landwirtschaft kollabieren. Genau das geschieht zur Zeit. War das Murray-Darling-Becken bislang für jährliche Einnahmen in Höhe von 15 Milliarden austr. Dollar (ca. 8,26 Mrd. Euro) gut, so müssen in diesem Jahr voraussichtlich 5 Milliarden austr. Dollar (ca. 2,75 Mrd. Euro) Einbußen hingenommen werden, wie die Medien des Landes kürzlich berichteten. [1] Nach Angaben der Reserve Bank hat sich die Verschuldung der Landbevölkerung in den letzten zehn Jahren fast verdoppelt. Mit Blick auf die globale Wirtschaftskrise, die auch vor Downunder nicht Halt macht, rechnen Experten wie Ray Najar, Generalmanager der Murray Darling Association, sogar mit Einnahmeverlusten von 7 Milliarden austr. Dollar.

Das bleibt nicht ohne soziale Folgen. Trotz der Subventionierung durch den Staat müssen etliche der rund 60.000 Farmer in dieser Region aufgeben, weil ihr Betrieb einfach nicht mehr zu halten ist. Die Selbstmordrate unter Farmern liegt hier doppelt so hoch wie im Landesdurchschnitt, und die Menschen wandern wieder ab. Die größte Abwanderung mit 130 Personen zwischen 2007 und 2008 erlebten die Bezirke Berri und Barmera im Bundesstaat Southern Australia. Auch aus anderen Bezirken ziehen die Farmer fort; ein ausgeglichenes Verhältnis von Zu- und Abwanderung gilt bereits als positiv - und das in einem Land, in dem mehr noch als beispielsweise in den USA der Mythos der Besiedlung und Landerschließung (durch die Weißen) gepflegt wird.

Die australischen Behörden warnen, daß die Aufgabe von landwirtschaftlicher Fläche im Murray-Darling-Becken, das ab der zweiten Hälfte der 1880er Jahre durch staatliche Fördermaßnahmen verstärkt von weißen Farmern besiedelt wurde, die schwerste Krise ist, die jemals die australische Landwirtschaft heimgesucht hat. Die nationale Versorgung sei bedroht! Ray Najar prophezeite, daß sich die Not im nächsten Haushaltsjahr erheblich verschlimmern wird, falls die Dürre anhält und kein Wasser für die Bewässerungswirtschaft zur Verfügung steht.

Murray und Darling führten im Februar, also gegen Ende des Südsommers, nur noch zehn Prozent ihrer normalen Wassermenge. [2] An durchschnittlich vier von zehn Tagen erreicht der Murray gar nicht mehr den Ozean südlich von Adelaide, was bereits zu einem scharfen Konflikt zwischen den Farmern am Unter- und Oberlauf wegen der Menge des entnommenen Wassers geführt hat. Anfang dieses Jahres hat es zwar in Südostaustralien stellenweise gut geregnet, aber viel zu wenig, um die Reservoirs auch nur einigermaßen aufzufüllen. Reis, Zitrusfrüchte, Baumwolle, Alfalfa, Gemüse und der Gartenbau gelten als besonders gefährdet, 80 Prozent der Eukalyptusbäume sind bereits tot oder stehen unter starkem Dürrestreß. Wohingegen die Weizenerzeuger in nördlichen Regionen des Murray-Darling-Beckens in diesem Jahr noch Glück hatten, da es dort zu einigen kräftigen Niederschlägen gekommen war. [2]

Von einem "katastrophalen Verlust" der Landwirtschaft, sollte es in der kommenden Saison (auf der Südhalbkugel ist das 2009/10) nicht regnen, spricht auch der Experte für natürliche Ressourcen Prof. Wayne Meyer von der Universität Adelaide - und das, obgleich Australien in dieser Saison (2008/09) immerhin den Normalstand von 20 Millionen Tonnen Weizen produziert hat. In den vergangenen Jahren waren es nur jeweils 13 Millionen Tonnen. Dafür sieht es mit der Reisproduktion schlecht aus. Wurden im Murray-Darling-Becken früher eine Million Tonnen Reis eingefahren, waren es im vergangenen Jahr lediglich 18.000 Tonnen. [3]

Das Murray-Darling-Becken umschließt 14 Prozent der australischen Landmasse, es werden hier jedoch 39 Prozent des Agrarumsätze Australiens erzielt. Hier werden 53 Prozent des Getreides, 95 Prozent der Orangen und 54 Prozent der Äpfel erzeugt. Auf das Gebiet entfallen nur sechs Prozent der jährlichen Niederschlagsmenge, die hohen Ertragszahlen gehen auf den hohen Grad an Bewässerungswirtschaft zurück. Nach Angaben der führenden australischen Forschungsorganisation CSIRO (Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation) ist die Durchschnittstemperatur im Murray-Darling-Becken seit den 1950er Jahren um 0,88 Grad Celsius gestiegen. [3] Die fast zwei Dutzend Flüsse des Beckens führen inzwischen 40 Prozent weniger Wasser, das Volumen sank von 23.000 Gigaliter auf knapp über 14.000 Gigaliter, was ziemlich genau jener Menge entspricht, die die Regierung den kleineren und größeren Städten und den Farmern des Beckens zurspricht. Mit anderen Worten, die Menschen verbrauchen genauso viel Wasser, wie die Flüsse hergeben. Auf lange Sicht kann das nicht funktionieren, denn es bedeutet, daß die Flüsse verschwinden.

Eine weitere Verringerung der Niederschlagsmenge hätte nicht nur für Australien, sondern auch darüber hinaus für einige Nahrungsmittelimportnationen schwerwiegende Folgen. Die verheerende Mißernte des australischen Reisanbaus, der sich ausschließlich auf das Murray-Darling-Becken beschränkt, hatte zur rapiden globalen Preissteigerung für Getreide im vergangenen Jahr beigetragen und für einige Unruhen in südostasiatischen Reisimportländern wie Philippinen gesorgt.

Die Weltgetreidereserven schwinden. Nach Angaben der FAO (Food and Agriculture Organization) der Vereinten Nationen reichen sie heute nur noch für 55 Tage, vor zehn Jahren waren es noch mehr als 110 Tage. Sollte die Weltbevölkerung auf neun Milliarden Menschen bis 2050 steigen, wie Experten voraussagen, dann wird ein großer Teil der Menschheit hungern. Es ist nicht zu erkennen, daß die Landwirtschaft noch einmal einen Schub erfährt und künftig nicht nur die bereits heute eine Milliarde hungernden Menschen miternährt, sondern auch weitere Milliarden, welche die Erde voraussichtlich dann bevölkern werden. Der Nahrungsbedarf wird in den nächsten vierzig Jahren um 110 Prozent wachsen. [3]

Die australische Kornkammer ist nicht die einzige auf der Welt, in der die Flüsse deutlich weniger Wasser führen als einst. Das Indus-Ganges-Gebiet Indiens, der Gelbe Fluß und seine Zuflüsse in China, das Volta-Becken in Tschad, der Colorado in den USA, sie alle verzeichnen teils erhebliche Wasserverluste, was zur Folge hat, daß die Landwirtschaft einbrechen, die Böden verkarsten, die Grundwasserspiegel sinken und verbliebene Restseen versanden werden.

Hatte der frühere konservative australische Premierminister John Howard im Angesicht der fortgesetzten Dürre noch verkündet, jetzt helfe nur noch, für Regen zu beten, hat sein Nachfolger Kevin Rudd von der Australian Labor Party ein umfangreiches Wasser-Management-Programm aufgelegt und Klimaschutzmaßnahmen beschlossen. Die erste Amtshandlung Rudds im Dezember 2007 war die Ratifizierung des Kyoto-Protokolls. Aber es ist keineswegs alles eitel Sonnenschein bei der neuen Regierung. So hat das australische Militär unter Rudd ein neues Weißbuch [4] erarbeitet. Das wurde vor wenigen Tagen vorgestellt. In dem Weißbuch "Defending Australia in the Asia Pacific Century: Force 2030" macht das australische Verteidigungsministerium keinen Hehl, daß zu seinen künftigen Aufgaben auch die Sicherung von Ressourcen gehört.

Das Wort Klimawandel - climate change - wird 15 Mal erwähnt, ein Kapitel trägt die Überschrift "New Security Concerns: Climate Change and Resource Security". Darin wird klipp und klar erklärt, daß der Klimawandel und seine Folgen eine Bedrohung für Australien bilden, die es notwendig machen könnte, die Australischen Streitkräfte ADF einzusetzen. Nicht erwähnt wird, daß sich Australien künftig darauf einstellt, Klimflüchtlingsströme abzuwehren.

Vor dem Hintergrund der vergangenen und wahrscheinlich bevorstehenden Ernteeinbrüche kommt der erklärten Absicht des australischen Verteidigungsministeriums, gegebenenfalls die Armee bei der Bewältigung von Klimawandelfolgen einzusetzen, eine besondere Bedeutung zu. Australien schlägt hier einen ähnlichen Kurs ein wie die NATO und die Europäische Union, die den Klimawandel unter anderem als "Verstärker" bestehender Probleme identifiziert haben und sich militärisch auf die Bewältigung künftiger Versorgungsengpässe einstellen wollen.


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Anmerkungen:

[1] "Food bowl on brink of $5bn catastrophe", 27. April 2009.
http://www.news.com.au/adelaidenow/story/0,22606,25390014-2682,00.html

[2] "Drought in Australia food bowl continues: govt", Reuters, 3. Februar 2009
http://www.marketskeptics.com/2009/02/texas-and-florida-hit-hard-by- winter.html

[3] "Australia´s Food Bowl, Like The World´s, Is Drying Up", Circle of Blue, 9. März 2009
http://www.circleofblue.org/waternews/world/australia-drought-water-warning/

[4] "Defending Australia in the Asia Pacific Century: Force 2030"
http://www.defence.gov.au/whitepaper/

4. Mai 2009