Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

KLIMA/477: Waldbrände - Alaska wandelt sich von einer Kohlenstoff-Senke zu einer -Quelle (SB)


Waldbrände setzen natürliche Kohlenstoffspeicher der subarktischen Breiten frei


Waldbrände auf der Nordhalbkugel beschleunigen die Erderwärmung. Zugleich treten sie als Folge dieses globalen Trends immer häufiger auf und nehmen eine immer größere Fläche ein. So hat die wachsende Intensität von Waldbränden den US-Bundesstaat Alaska in den zurückliegenden zehn Jahren von einer Kohlenstoffsenke in eine Quelle dieses Treibhausgases gewandelt. Das berichtete eine Forschergruppe um Merritt Turetsky, Assistenzprofessorin am Fachbereich integrative Biologie der kanadischen Universität von Guelph in Ontario, am Sonntag im Wissenschaftsmagazin "Nature Geoscience". [1]

Die Forscherin und ihre Kollegen fanden heraus, daß bei den Waldbränden in Alaska nicht nur die oberflächliche Vegetation vernichtet wird, sondern daß das Feuer, je mehr es sich ausbreitet, die Biomasse bis zu 30 Zentimeter tief vernichtet. Dadurch wird neben dem in der pflanzlichen Substanz gebundenen Kohlendioxid vermutlich auch das sehr viel klimawirksamere Methan aus dem Permafrostboden freigesetzt. Je stärker der Dauerfrostboden auftaut, desto anfälliger wird er für Feuer und desto mehr Klimagase werden freigesetzt.

Co-Autor Eric Kasischke, Professor für Biogeographie an der Universität von Maryland in den USA, der das Forschungsprojekt in den neunziger Jahren initiiert hatte, erklärte, daß die Entwicklung vermutlich nicht endlos so weitergehe. Nach mehreren Jahrzehnten könnte sich der Waldtyp vollständig gewandelt haben, was dann zu weniger Waldbränden führen dürfte. Ein solcher Wandel löse allerdings einen Kaskadeneffekt aus, von dem alle Lebewesen im Norden betroffen seien. Die Forscher gehen davon aus, daß durch die vielen Brände mehr Kohlenstoff in die Atmosphäre gelangt ist als zuvor über einen Zeitraum von zehn Jahren im Boden gespeichert wurde.

Bei der Studie wurden die Daten von fast 200 Wald- und Moorbränden in Alaska kurz nach dem Durchzug der Flammen aus dem Zeitraum 1950 bis 2009 untersucht. Die Forscher wollten bestimmen, wieviel Biomasse dabei verbrannt wurde. Es wurde festgestellt, daß sich die Waldbrandfläche im Innern Alaskas in den letzten zehn Jahren verdoppelt hat. "Eine nur wenige Grad wärmere Erdoberfläche löst für die Kanadier fundamentale Veränderungen aus, beispielsweise vermehrte Dürren im Sommer, längere schneefreie Jahreszeiten und einen Wandel der Landwirtschaft", erklärt Turetsky mit Blick auf die gegenwärtigen Klimaverhandlungen in Cancún. "Die Leute bekommen viel über den Klimawandel zu hören, aber wenn sie ihn ernster nähmen, wenn sie begriffen, daß er unmittelbaren Einfluß auf ihr Leben nehmen kann, dann, glaube ich, wird es den Politikern einleuchten, daß es erforderlich ist, diese gesellschaftlichen Sorgen zu berücksichtigen." [2]

Es ist zu vermuten, daß sich die Beobachtungen aus Alaska auf andere Permafrostgebiete in Nordamerika, Europa und Asien übertragen lassen. Die Waldfläche Alaskas ist 18,5 Mio. Hektar groß. In diesem Sommer wurde allerdings allein in Rußland eine Waldfläche von mehr als 50 Mio. Hektar durch Feuer zerstört. Ganze Dörfer fielen den Flammen zum Opfer, mehr als 50 Personen starben.

Sollten die subarktischen Breiten der Nordhalbkugel generell zu einer Kohlenstoffquelle geworden sein oder werden, verstärkte dies zusätzlich den Effekt des Eisverlustes in nordpolaren Breiten. Eisfreies Wasser absorbiert mehr Wärme der Sonne als die vormaligen weißen Schnee- und Eisflächen, die den Großteil der Strahlung reflektieren. Auch dieser Verstärkungseffekt verleiht dem Gesamtsystem eine hohe Dynamik, die sich der Vorhersagbarkeit weitgehend entzieht. Die Wissenschaft vermag kaum zu bestimmen, wo genau Schwellenwerte oder Kippunkte zur Wirkung gelangen, bei deren Überschreiten eine unaufhaltsame Entwicklung hochdynamischer klimatischer Prozesse ausgelöst werden, bis ein neues, relativ stabiles Niveau eintritt.

Waldbrände stellen einen wichtigen Faktor im Rahmen komplexer Wechselwirkungen mit teils sich selbst verstärkenden Prozessen dar, die im Gesamtzusammenhang zu einer globalen Veränderung beitragen, die Klimawandel genannt wird.


*


Anmerkungen:

[1] Nature Geoscience, online, DOI: 10.1038/ NGEO1027.

[2] Übersetzt nach: "Climate change causing more violent wildfires: study", Vancouver Sun online, 5. Dezember 2010
http://www.vancouversun.com/technology/Climate+change+causing+more+violent+wildfires+study/3931748/story.html

6. Dezember 2010