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KLIMA/517: Gekaufte Wahrheit - Superreiche Spender gegen Klimaschutz (SB)


Donors Trust und Donors Capital Fund verteilten Millionenbeträge an "klimaskeptische" Einrichtungen



Klimapolitik ist ein knochenhart umkämpftes Gebiet, auf das verschiedene Gruppen der Gesellschaft Einfluß zu nehmen versuchen, um ihre Partikularinteressen durchzuzsetzen. Dabei geht es doch bei dem Bemühen, die Erderwärmung und den Klimawandel aufzuhalten, um das Überleben womöglich eines beträchtlichen Teils der Menschheit, der sich nicht ausreichend gegen die teils katastrophalen Folgen der klimatischen Veränderungen wappnen kann. Manchen Interessengruppen geht es allerdings vorwiegend um die Wahrung ihres angehäuften Reichtums sowie gesellschaftliche Einflußnahme. Und das zählt in der Welt des Homo oeconomicus mehr, wie jedes Jahr Millionen Verhungernde zu berichten wüßten - wenn man ihre Stimmen nur hören wollte.

In der Arena der Klimapolitik, in der sowohl die Nationalstaaten gegeneinander antreten als auch innerhalb der Staaten Konflikte um Vorherrschaft ausgetragen werden, wird mit harten Bandagen gekämpft, mal mit offenem Visier, mal mit geschlossenem; zudem sind die Fronten keineswegs immer eindeutig auszumachen. Über ein aktuelles Beispiel für klandestine Machenschaften bestimmter Teile aus Wirtschaft und Gesellschaft berichtete die englische Zeitung "The Guardian".

Demnach haben im Zeitraum 2002 bis 2010 anonym bleibende Milliardäre aus konservativen Kreisen der Vereinigten Staaten mittels der gemeinnützigen Organisationen Donors Trust und Donors Capital Fund fast 120 Millionen Dollar an mehr als 100 "klimaskeptische" Gruppen und Organisationen geschleust. [1] Anfangs noch 900.000 Dollar pro Jahr sind die Summen im Laufe der Zeit gestiegen und lagen im Jahr 2010 schon bei 30 Mio. Dollar.

Die Gelder gingen an Institutionen wie den republikanischen Thinktank American Enterprise Institute (mehr als 17 Mio. Dollar) und weniger bekannte Einrichtungen wie das Heartland Institute (13,5 Mio. Dollar). Auch die Organisation Americans for Prosperity, jene Speerspitze der republikanischen Tea-Party-Bewegung, die den beiden republikanischen Multimilliardären David und Charles Koch eng verbunden ist, hat seit 2002 rund 11 Mio. Dollar erhalten. Manche dieser Einrichtungen wären ohne diese Gelder kaum überlebensfähig gewesen, vermutet der "Guardian".

Unter "Klimaskeptikern" bzw. "Klimaleugnern" hat man sich eine breite Strömung von Personen mit unterschiedlichen Interessen und Meinungen vorzustellen, deren gemeinsames Merkmal darin besteht, daß sie nicht an die Hauptverantwortung des Menschen für die globale Erwärmung glauben. Das bedeutet in ihrer Lesart, daß die Einsparungen von menschengemachten Treibhausgasen wie Kohlenstoffdioxid (CO2) reine Zeit- und Geldverschwendung sind. Demgegenüber warnt die große Mehrheit der Klimaforscher, daß der Menschheit nicht mehr viel Zeit bleibt, um die Treibhausgasemissionen so weit zu reduzieren, daß die allgemeine Erderwärmung nicht davongaloppiert - mit katastrophalen Folgen für einen Großteil der Menschheit, respektive die Entwicklungsländer.

Die beiden in einem Vorort Washingtons ansässigen Spendenorganisationen hätten ein regelrechtes Netzwerk an Thinktanks und Aktivistengruppen mit dem Ziel der Polarisierung der Gesellschaft aufgebaut, um Zweifel am Klimawandel als wissenschaftliche Tatsache zu säen, schrieb der "Guardian". Zu den Spendenempfängern jener neoliberalen Ideologen gehörten Organisationen der Republikaner, politische Foren in Alaska und Tennessee, Klimaskeptiker an der Universität Harvard und anderen wissenschaftlichen Einrichtungen. Auch seien DVDs des Films "An unconvenient Truth" (Eine unbequeme Wahrheit) des ehemaligen Vizepräsidenten der USA und Präsidentschaftskandidaten Al Gore aufgekauft worden, um zu verhindern, daß sie in Umlauf gebracht werden.

Die Gelder hätten sogar jene Mittel, die bekanntermaßen von den Koch-Brüdern für die Klimaskeptiker gespendet wurden, weit übertroffen. Dem "Guardian" zufolge mobilisieren inzwischen einige der geförderten Gruppen gegen die Klimapolitik von US-Präsident Barack Obama. Beispielsweise hat Marc Morano vom Nachrichtenportal Climate Depot, das zu dem üppig mit Spenden bedachten Committee for a Constructive Tomorrow (Cfact) gehört, gleich am Morgen nach Obamas jüngsten Rede zur Lage der Nation diejenigen Passagen, die sich aufs Klima bezogen, Stück für Stück zu zerpflücken versucht. Morano hat früher für den republikanischen Senator Jim Inhofe, einem der lautstärksten Klimaskeptiker, gearbeitet. [2]

Inzwischen geht es den beiden Trusts zunehmend darum, zu verhindern, daß auf der Ebene der Bundesstaaten und lokalen Administrationen erneuerbare Energien (aus Wind, Sonne, Biomasse) gefördert werden. Zu diesem Zweck habe das erst 2009 gegründete Franklin Centre for Government and Public Integrity im Jahr 2011 Gelder vom Donors Trust in Höhe von 6,3 Mio. Dollar erhalten, so der "Guardian". [3]

Mit den Geldern sollten die Medien in den Bundesstaaten Illinois, Iowa, Missouri, Nebraska, Nevada, Ohio und Virginia beeinflußt werden. Das Franklin Centre behauptet laut der britischen Zeitung, es unterhalte ein Netzwerk an "citizen journalists" (wörtlich: Bürgerjournalisten, gemeint sind u.a. Blogger) and "watchdog" groups (wörtlich: Wachhundgruppen, gemeint sind unter anderem Gruppen, die der Regierung auf die Finger schauen), das seine Ansichten verbreite und daß es zehn Prozent der Tagesberichterstattung aus den Hauptstädten der Bundesstaaten liefere. Dem Bericht zufolge reklamiert das Franklin Centre für sich, eine Medienkultur der "Transparenz, Verläßlichkeit und des fiskalischen Verantwortungsbewußtseins auf Graswurzelebene" aufrechtzuerhalten. Doch das Project for Excellence in Journalism des Pew Research Centres bezeichne die vom Franklin Centre betriebene Website watchdog.org als "hochgradig ideologisch".

Viele der mit dieser Seite verbundenen Gruppen stammten aus dem ultrakonservativen Lager. Zwei mit dem Centre verbündete Gruppen in North Carolina, die John Locke Foundation und das John W. Pope Civitas Institute, hätten sich dafür eingesetzt, daß der Begriff "sea-level rise" (Meeresspiegelanstieg) nicht mehr benutzt werde. Tatsächlich habe im Juni die Staatsregierung North Carolinas beschlossen, daß keine der Behörden den zukünftigen Meeresspiegelanstieg in seiner Entwicklungsplanung berücksichtigt, wußte der "Guardian" zu berichten.

Außerdem machen sich jene Institutionen gegen die Nutzung von Windenergie in North Carolina stark, indem sie unter anderem Workshops gegen Windparks organisieren. Ein weiterer Verbündeter des Centers, New Jersey Watchdog, versuche zu erreichen, daß der Bundesstaat New Jersey aus einem regionalen Emissionsreduzierungsprogramm aussteigt.

Der Soziologe Robert Brulle von der Drexel Universität bezeichnet die Bemühungen verschiedener Institutionen und ihrer Förderer, eine andere Klima- und Umweltpolitik durchzusetzen, als "Gegenbewegung" oder "organisierte Anstrengung" eines Teils der konservativen Bewegung der Vereinigten Staaten. Man wisse nicht, woher viele der Gelder stammten, aber man wisse sehr wohl, daß Donors Trust nur ein Beispiel für die "dunklen Gelder" dieser Bemühung ist. [1]

Verteilt auf mehrere Berichte liefert der "Guardian" weitere Beispiele für dieses Netzwerk an Klimaskeptikern, wobei auch Überschneidungen mit den von den Koch-Brüdern finanzierten Einrichtungen bestehen. Die Daten zu den Spendengeldern an die Anti-Klimaschutzgruppen wurden von der Umweltorganisation Greenpeace zusammengestellt. Man kann vermuten, daß nach der Veröffentlichung der Guardian-Berichte jene Klimaskeptiker versuchen werden, an dieser Stelle ihre Hebel anzusetzen und Greenpeace Eigeninteresse anzudichten.

Wenngleich man sich bei einer international tätigen Umweltschutzorganisation, die mit Spendensummen von mehreren Millionen Euro umgeht und darauf setzt, mit spektakulären, medienwirksamen Aktionen auf sich (und einen mutmaßlichen Mißstand) aufmerksam zu machen, immer fragen sollte, ob bei einer solchen Professionalisierung des Umweltschutzes nicht auch ökonomische Interessen verfolgt und quasi-administrative Funktionen als Umweltwächter beansprucht werden, wäre einer solchen Kritik an Greenpeace in diesem Fall entgegenzutreten. Denn sie lenkte nur davon ab, um was es geht: Der republikanischen Politik nahestehende Geschäftsleute, die unter anderem mit den klimaschädlichen Energieträgern Erdöl und Erdgas Profite machen, verwenden die eingestrichenen Gelder, um das, was sich als wissenschaftliche Wahrheit gesellschaftlich durchsetzt, zu kaufen.

Ein solches Verhalten ist bei weitem kein Alleinstellungsmerkmal der konservativen Kräfte der USA, und die Grenzen zwischen Meinungsbekundung, klandestiner Einflußnahme via Spendengelder und Bestechung politischer Entscheidungsträgern sind nicht immer eindeutig auszumachen. Bekanntlich sind auch die Einträge beim vielbesuchten Online-Lexikon Wikipedia nicht frei von solchen Einflußversuchen, um es sehr vorsichtig zu formulieren. Wenn es einem Lobbyisten oder einer PR-Agentur gelingt, dort einen Administrator-Posten zu besetzen, säße derjenige an einer einflußreichen Quelle der gesellschaftlichen Meinungsbildung.

Die oben erwähnten Trusts handeln nicht ungesetzlich, wenn sie die Namen der Spender nicht nennen, deren Gelder sie nach Absprache nur Einrichtungen mit einer konservativen politischen Orientierung zukommen lassen. Man kann mit einiger Berechtigung vermuten, daß viele sogenannte Diskurse zu gesellschaftlich umstrittenen Fragen auf eine ähnliche der hier beispielhaft am Klimawandel aufgezeigten Weise beeinflußt werden, sobald wirtschaftliche oder politische Interessen [4] im Spiel sind.


Fußnoten:

[1] http://www.guardian.co.uk/environment/2013/feb/14/funding-climate-change-denial-thinktanks-network

[2] http://www.guardian.co.uk/environment/2013/feb/14/donors-trust-funding-climate-denial-networks?intcmp=239

[3] http://www.guardian.co.uk/environment/2013/feb/15/media-campaign-windfarms-conservatives

[4] http://schattenblick.com/infopool/umwelt/redakt/umkl-516.html

17. Februar 2013