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KLIMA/640: Umwelt - bis an den Rand in Menschenhand ... (SB)




Die beiden Forscher vor einem Poster mit Diagrammen und erläuternden Texten - Foto: © 2014 by Schattenblick

Climate Engineering Conference 2014 - Critical Global Discussions des IASS in Berlin: Prof. Alan Robock (links) läßt sich von Dr. Peter Irvine die Ergebnisse seiner Berechnungen zum "termination shock" erläutern
Foto: © 2014 by Schattenblick

Es besteht die Gefahr, daß eines Tages die Verzweiflung wegen der fortschreitenden Erderwärmung so sehr anwächst, daß die Wissenschaft gefragt werden könnte, ob nicht rasch wirksame, technische Gegenmaßnahmen existieren, um die Entwicklung aufzuhalten. Darauf müsse man vorbereitet sein, lautete einer der Standpunkte, die im August 2014 auf der Climate Engineering Conference 2014: Critical Global Discussions des IASS (Institute for Advanced Sustainability Studies) in Berlin diskutiert wurden. [1] Schon damals hatte sich die Wissenschaft nicht nur damit befaßt, welche Geoengineering-Maßnahmen für eine solche Verzweiflungssituation in Frage kommen und welche nicht, sondern auch mit der Frage, was passiert, hörte man mit dem einmal angefangenen Geoengineering plötzlich wieder auf.

Es würde ein "termination shock" eintreten, lautete das Ergebnis. Die globalen Temperaturen schössen über den Ausgangswert, an dem ursprünglich mit dem Geoengineering begonnen wurde, deutlich hinaus.

In einer vor kurzem im Journal Nature Ecology & Evolution [2] erschienenen Studie wird der Frage nachgegangen, welche Auswirkungen so ein "termination shock" auf die Umwelt hat. Prof. Alan Robock von der Rutgers University in New Jersey, der 2014 an der Geoengineering-Konferenz in Berlin teilgenommen hat, ist Co-Autor der aktuellen Studie. In einem Bericht auf space.com (AFP) sagte er: "Eine rasche Erwärmung nach einem Geoengineering-Stopp wäre eine enorme Bedrohung für Natur und Artenvielfalt." [3]

Unter Geoengineering werden verschiedene Methoden zusammengefaßt, in diesem Fall ist die Beeinflussung der Sonneneinstrahlung - SRM: Solar Radiation Management - gemeint. Studienleiter Prof. Christopher Trisos von der University of Maryland und seine Kolleginnen und Kollegen haben ein Szenario gewählt, bei dem 50 Jahre lang zwischen 2020 und 2070 oberhalb des Äquators mit Flugzeugen jährlich fünf Millionen Tonnen Schwefeldioxidpartikel in der Stratosphäre verteilt werden. Dadurch würde ein Teil der Sonneneinstrahlung, der normalerweise bis zur Erdoberfläche durchgekommen wäre, bereits an dieser Stelle ins Weltall reflektiert. In dieser Simulation würde die globale Durchschnittstemperatur um ein Grad Celsius gesenkt.

Angenommen wird, daß die Menschheit weiterhin Kohlenstoffemissionen verringert, aber nur so viele, daß die globale Temperatur den Berechnungen zufolge um drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit steigt. Das liegt etwas über dem Wert, der dabei herauskäme, wenn die Staaten ihre selbsternannten Verpflichtungen vom Vorfeld der Verhandlungen zum Klimaschutzabkommen von Paris aus dem Jahr 2015 erfüllten, jedoch noch deutlich oberhalb des vereinbarten Zwei-Grad- bzw. möglichst sogar 1,5-Grad-Ziels.

Die Forschergruppe hat untersucht, was passiert, wenn plötzlich keine Schwefelaerosole mehr in die Stratosphäre injiziert würden. Wie schnell müßten dann Tiere und Pflanzen abwandern, um innerhalb einer für sie angemessenen Klimazone zu bleiben?

Die Ergebnisse sind dramatisch. Die Temperaturen stiegen binnen eines Jahrzehnts um global 0,8 Grad (heute etwa ein Zehntel so schnell); weltweit würden sich die Klimazonen um zehn Kilometer pro Jahr verschieben (viermal schneller als heute auf dem Land; sechsmal schneller als in den Ozeanen). Amphibien, Landsäugetiere und viele andere Arten wären nicht in der Lage, sich schnell genug neue Lebensräume zu suchen. Pflanzen wären dazu in den meisten Fällen schon gar nicht fähig. Und selbst wenn es Tieren gelänge, in eine Klimazone zu wandern, in der die Temperaturen für sie angenehm wären, könnte es sein, daß sie in die entgegengesetzte Richtung hätten wandern müssen, um eine Region mit für sie ausreichenden Niederschlägen zu erreichen.

Die Auswirkungen jenes "termination shocks" fielen sogar noch gravierender aus, wenn die Menschheit ihre Treibhausgasemissionen nicht reduzieren würde. Am zuverlässigsten sei Klimaschutz, wenn die Menschen ihre CO2-Emissionen zügig und drastisch verringerten, lautet das Resümee der Forschergruppe.

Die Studie geht von der Annahme aus, daß die Geoengineering-Methode funktioniert. Das wurde jedoch bislang nirgends bewiesen. Man hat zwar beobachtet, daß 1991 durch den schwefelreichen Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo die globale Durchschnittstemperatur zwei Jahre lang um rund 0,1 Grad verringert wurde, nachdem sich die Vulkanaschewolken in der Stratosphäre um die Erde gelegt hatten, aber das ist lediglich ein Indiz und kein Beweis.

Kein Gegenstand dieser Studie war die Frage, welche Konsequenzen bereits das Geoengineering (und nicht erst dessen Ende) auf Natur und Artenvielfalt hätte. Denn die Abschattung der Erde auch nur um einen geringen Prozentsatz kann regional zu empfindlichen Ernteeinbußen führen. Zudem wären Einflüsse auf das globale Klimageschehen, das heißt auf Meeresströmungen, den Monsun und wiederkehrende Phänomene wie El-Nino, zu erwarten. Auch die Ozonschicht wäre gefährdet.

Die "Neben"wirkungen des Geoengineerings sind noch gravierender: Nur einmal angenommen, die landwirtschaftlichen Erträge in Ländern wie Indien oder China würden einknicken, dann entständen nationale Konflikte mit jenen Ländern, die die Klimaschutzmaßnahmen fortsetzen wollen. Oder ein Land würde mehrere Jahre hintereinander von Naturkatastrophen heimgesucht - müßte es nicht annehmen, daß das mit dem Geoengineering zu tun hat? Gewaltkonflikte zwischen den Staaten sind vorprogrammiert.

Forschungen zur Machbarkeit von Geoengineering durchzuführen bedeutet, sie in irgendeiner Form gutzuheißen. Das wird mit dem Argument, man müsse für den Ernstfall vorbereitet sein, verschleiert. Zwei Jahre nach dem Beschluß des Übereinkommens von Paris zeichnet sich unmißverständlich ab, daß die Politik nicht die erforderlichen Schritte einleitet, um die Erderwärmung zu stoppen. Beispiele hierfür sind die Ankündigungen der US-Regierung, aus dem Pariser Abkommen auszusteigen, und der deutschen Regierung, sowohl ihre eigenen Klimaschutzziele als auch die der Europäischen Union zu verfehlen. Der Ernstfall ist längst eingetreten.

Davon zeugen die Entwicklungen in den verschiedenen Natursystemen, vom Schwund des arktischen Meereises über die beschleunigte Auflösung des Permafrostes bis zum Ausbleiben der Regenfälle in Ostafrika. Da den politischen Entscheidungsträgern selbstverständlich nicht entgangen ist, daß die Wissenschaft an einem Plan B forscht - schließlich werden sie dafür von ihnen bezahlt -, wird gehörig Druck aus dem Kessel gelassen. Vom Standpunkt der kapitalgestützten Industrie und ihrer Lobbyisten in den Regierungen erscheint das jährliche Ausbringen von fünf Millionen Tonnen Schwefelaerosolen in der Stratosphäre sogar als ein überaus attraktives Geschäftsmodell. Dadurch würde sich eine Wirtschaftsbranche, die aufgrund der technischen Voraussetzungen vermutlich zur Monopol- oder Oligopolbildung neigte, unverzichtbar machen. Die gesamte Menschheit wäre gewissermaßen in Geiselhaft, da ein Ausstieg aus dem Geoengineering jenen "termination shock" auslösen würde, den selbstverständlich niemand verantworten will.

Eine vermutlich recht wirksame und anscheinend noch gar nicht in Erwägung gezogene Maßnahme, um die Politik endlich in Bewegung zu versetzen, sähe so aus: Alle Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler weltweit müßten sich darin einig sein, fortan nicht die geringsten Forschungen zu dem hier beschriebenen Geoengineering und artverwandten drastischen Methoden der Klimamanipulation zu betreiben. Dadurch würden sie der Politik unmißverständlich zu verstehen geben, daß mit ihnen kein Plan B zu machen ist. Keine wissenschaftliche Karriere mit Hilfe des Geoengineerings!


Fußnoten:


[1] Eine umfassende Nachbereitung der CEC'14 durch die Schattenblick-Redaktion finden Sie, mit dem kategorischen Titel "Klimarunde, Fragestunde" versehen, unter INFOPOOL → UMWELT → REPORT → BERICHT und INFOPOOL → UMWELT → REPORT → INTERVIEW.

[2] https://www.nature.com/articles/s41559-017-0431-0

[3] http://www.spacedaily.com/reports/Dimming_the_Sun_to_cool_Earth_could_ravage_wildlife_study_999.html


30. Januar 2018


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