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KLIMA/645: Land unter - vergessen, verraten und ignoriert ... (SB)




Am Straßenrand vor einem Gebäude ein Auto, zur Hälfte von pflanzlichem Schwemmgut überdeckt - Foto: Facebook / Fiji Government

Zyklon Josie hinterläßt weitreichende Zerstörungen
Foto: Facebook / Fiji Government

Im November letzten Jahres haben Politik und Medien den Eindruck zu erwecken versucht, als nähmen sie die Sorgen der Republik Fidschi vor dem Klimawandel ernst. Damals hatte das Land die Ratspräsidentschaft für die UN-Klimaschutzverhandlungen inne. Aus technischen Gründen fand die 23. Conference of the Parties (COP 23) allerdings in Bonn statt.

Am Osterwochenende zog der Zyklon Josie über Fidschis Hauptinsel Viti Levu hinweg, hat dort weitläufige Überschwemmungen ausgelöst und teils schwere Zerstörungen angerichtet. Fünf Menschen kamen ums Leben. Doch die aktuelle Warnung des damaligen COP-23-Vorsitzenden und Premierministers Frank Bainimarama, sein Land kämpfe "ums Überleben", vermochte nur noch kurzzeitig die Randspalten der hiesigen Gazetten zu füllen. Das Interesse an Fidschi ist erloschen.

Am Ende des Tages werden die vom Klimawandel bedrohten Länder mit dem für sie existentiellen Problem allein gelassen. Der Green Climate Fund und andere Finanzzusagen der relativ wohlhabenden Staaten werden sich als bloßes Trostpflästerchen erweisen. Denn das unaufhaltsam steigende Meer kann nur zeitweilig durch Baumaßnahmen davon abgehalten werden, flache Inseln und Küstenabschnitte zu überschwemmen, und Tropenstürme werden weiterhin ihre nasse Fracht über Mensch, Tier und Umwelt "auskübeln", um zwei typische Folgen der globalen Erwärmung zu nennen.

Für Bainimarama befindet sich Fidschi im Überlebenskampf, da der Klimawandel "nahezu dauerhaft" tödliche Wirbelstürme erzeugt. Eine erschreckende neue Ära von Wetterextremen sei angebrochen, sagt der ehemalige General. Dieser Gefahr sei man nun permanent ausgesetzt und müsse sich ihr stellen [1].

Der Nationale Katastrophenschutz hatte auf Viti Levu 35 Evakuierungszentren eingerichtet, die Platz für rund 2000 Flüchtlinge boten. Die Aufräumarbeiten dürften sich noch Wochen hinziehen, die Beseitigung der Schäden an Straßen, Brücken und Häusern dagegen werden sehr viel länger dauern. Josie ist ein gutes Beispiel dafür, wie gefährlich auch weniger energiereiche Wirbelstürme sein können. Er war als Kategorie 1 eingestuft, als er auf Fidschi eintraf. Der Wind blies gar nicht mal so kräftig. Doch die Überschwemmungen aufgrund der tagelangen Regenfälle haben die Menschen überrascht.

Vor zwei Jahren hatte der Zyklon Winston Fidschi einen schweren Schlag erteilt. 44 Menschen starben, das Bruttoinlandsprodukt des Landes sackte um ein Drittel ab. Zum Vergleich: Wenn das Wachstum der Wirtschaft Deutschlands auch nur eine Stelle hinter dem Komma geringer ausfällt als prognostiziert, gilt die Lage bereits als angespannt.

Im Vorfeld der COP 23 hatte Bainimarama die "gesamte Welt" aufgerufen, gemeinsam "der größten Herausforderung unseres Zeitalters" zu begegnen. Das sei man sich selbst gegenüber, aber auch gegenüber zukünftigen Generationen schuldig, bevor es zu spät sei [2].

Heute kann man sagen: Es ist bereits zu spät. Jedenfalls dann, wenn die wirtschaftlich führenden Staaten den bei den COP-Verhandlungen eingeschlagenen, das Kernproblem permanent vermeidenden Kurs des möglichst billigen Klimaschutzes beibehalten. Rechnerisch laufen die nationalen Klimaschutzzusagen, die 2015 im Übereinkommen von Paris gemacht wurden, auf einen Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur um rund drei Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit hinaus. Für flache Inselstaaten wie Kiribati, Tuvalu und Marshall Islands wäre das der sichere Untergang. Ob jene Zusagen überhaupt eingehalten werden, ist dabei keineswegs gesichert.

Es hat seinen Grund, daß die Zusagen nur für eine Drei- und nicht für eine Zwei- oder 1,5-Grad-Welt genügen, und diese heißt: Sicherung des eigenen Vorteils. Denn für die ambitionierten Ziele müßten die Bemühungen viel, viel weiter gehen. Gemessen an dem, was dringend geboten wäre, um Millionen, eher sogar Milliarden Menschen nicht den verheerenden Folgen der globalen Erwärmung auszuliefern, sind die Klimaschutzzusagen zum Green Climate Fund bloße Peanuts. Dieser Fonds steht jedoch im Zentrum der versprochenen Transferleistungen von den historisch für den Klimawandel verantwortlichen Industriestaaten an die ärmeren Staaten und soll ab 2020 ein Volumen von jährlich 100 Milliarden US-Dollar umfassen.

Gegenüber vielen, auf Korallenbänken aufgebauten flachen Inseln des Pazifiks ist Fidschi etwas begünstigt, da es sehr viel höher liegt. Deshalb wären die energiereicheren Wirbelstürme, die als Folge der Erwärmung der Ozeane zu erwarten sind, ein größeres Problem als der Anstieg des Meeresspiegels. Sollten die Bewohner der flachen Inselstaaten Kiribati und Tuvalu fliehen müssen, da ihr Land untergeht, womit spätestens ab 2050 gerechnet werden muß, dürfen sie komplett nach Fidschi übersiedeln. Das wurde ihnen zugesagt. Wirbelstürme wie Winston und Josie indes zeigen, daß ihnen auch dort der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann.

Die USA haben sich vom Klimaschutzabkommen von Paris verabschiedet, und Deutschland wird seine Klimaschutzzusagen nicht fristgerecht erfüllen. Vor allem deshalb nicht, weil die Regierung an der Verbrennung von Braunkohle festhält. Der Zusammenhang zwischen der eigenen politischen Entscheidung und der Vernichtung des Lebensraums in anderen Ländern wird stur ignoriert.


Großer Bildschirm mit Großstadtimpression, darüber der Schriftzug 'Global Partnerschaft'. Je eine Frau und ein Kind stehen bzw. sitzen vor dem Schirm und blicken darauf - Foto: © 2018 by Schattenblick

Bloßes Versprechen - Partnerschaft Deutschlands mit Fidschi und anderen, vom Klimawandel besonders betroffenen Ländern.
(Anfang November 2017 im Vorführungszelt der Bundesregierung, zwischen Bula- und Bonn-Zone, bei der COP 23 in Bonn.
Foto: © 2018 by Schattenblick


Fußnoten:

[1] http://www.bbc.com/news/world-asia-43625608

[2] https://cop23.unfccc.int/news/message-from-the-incoming-cop-23-president-prime-minister-frank-bainimarama-of-fiji

6. April 2018


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