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KLIMA/655: Kollateral - Produktiv- und Sozialschäden ... (SB)



Mit dem Green Climate Fund und anderen Finanzierungsmechanismen sollen angeblich riesige Summen in die Länder des globalen Südens fließen, damit sie besser mit den Folgen des Klimawandels zurechtkommen und selber weniger dazu beitragen, daß sich die Erde aufheizt. Es wird sich jedoch zeigen, ob die wohlhabenderen Länder bereit sind, wie versprochen ab dem Jahr 2020 jährlich Investitionen in Höhe von 100 Milliarden Dollar, die vorwiegend über den Green Climate Fund geschleust werden, in die Entwicklungsländer zu investieren. Und es wird sich ebenfalls noch zeigen, ob die Finanzmittel nicht etwa dazu dienen werden, um - über Bande gespielt - die eigene Exportindustrie zu subventionieren, den eigenen Einfluß in den ärmeren Länder zu sichern oder gar dort auf Schnäppchenjagd zu gehen.

Doch lange bevor die reicheren Staaten auch nur einen einzigen Dollar abgetreten haben, sind die Entwicklungsländer unmerklich in Vorleistung gegangen. Nicht nur, daß sie am wenigsten Verantwortung dafür tragen, daß sie von den verheerenden Schadenskonsequenzen der industriellen Entwicklung anderer heimgesucht werden, sie sind bereits heute diskriminiert und müssen hohe Summen dafür bezahlen, daß irgendwann klimabedingte Naturkatastrophen über sie hereinbrechen.

Einer Studie zufolge, die von den Vereinten Nationen in Auftrag gegeben wurde, erhalten 48 ärmere Länder, von denen angenommen wird, daß sie in Zukunft schwer von den Klimawandelfolgen ereilt werden, vom globalen Kapitalmarkt eine schlechtere Bonitätsbewertung und müssen deswegen höhere Zinsen zahlen, als wenn es keinen Klimawandel gäbe. Rein rechnerisch müssen sie pro zehn Dollar, die sie sich ausleihen, einen weiteren Dollar nur für die Kompensation jenes Klimawandel-Effekts an die Kreditgeber abtreten. In den nächsten zehn Jahren wird sich die Gesamtsumme dieser zinsbedingten Mehrkosten aus staatlichen und privaten Krediten auf voraussichtlich 146 bis 168 Milliarden Dollar belaufen. [1]


Eine in Tücher gehüllte, hockende Frau gräbt eine kleine Mulde vor sich in den knochentrockenen Boden - Foto: Oxfam East Africa, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

"Die Anfälligkeit Kenias für Dürreauswirkungen, insbesondere in Hinblick auf die Kosten einer möglichen Nahrungsmittelinflation und sozialer Verwerfungen, stellen ein potentielles Risiko für die Kreditwürdigkeit Kenias dar." [1]
Dürre in Kenia. Eine Mutter ist mit ihrer Familie tagelang bis an den Stadtrand von Grifto gewandert, weil es dort Wasser gibt, und gräbt nun ein Latrinenloch für ihre Behausung.
Foto: Oxfam East Africa, CC BY 2.0 [https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/]

Der Klimawandel trifft alle Länder, die reichen und die armen. Die ärmeren werden jedoch größere Schwierigkeiten haben, die Folgen zu beheben oder sie zu vermeiden, indem sie beispielsweise höhere Deiche bauen. Da die globale Erwärmung das Auftreten von Wetterextremen verstärkt, wächst die Gefahr, daß landwirtschaftliche Anbaugebiete durch Dürre, Überschwemmungen oder Stürme getroffen werden und ganze Ernten ausfallen. Deshalb gelten agraisch ausgerichtete Länder als besonders anfällig für Naturkatastrophen. Außerdem wird der Meeresspiegel weiter steigen, so daß das Salzwasser beispielsweise Brunnen von flachen Inselstaaten wie Tuvalu oder auch Reisfelder in den niedrig gelegenen Küstengebieten Vietnams und Bangladeschs verdirbt. Hitzestreß und Dürre gefährden wiederum den Maisanbau in Guatemala, tropische Wirbelstürme den Tourismus auf Barbados, heißt es in der Studie, die von der Imperial College Business School und SOAS University of London erstellt wurde.

Bereits in den zurückliegenden zehn Jahren mußte eine Reihe von Entwicklungsländern nur aufgrund des Klimawandels höhere Zinsen im Wert von zusammen 40 Milliarden Dollar aufbringen. In der Studie wurden die Ländergruppe des Climate Vulnerable Forums (CVF) und die V20-Staaten untersucht, die zusammen 48 Länder zählen. Das CVF war 2009 als internationale Partnerschaft von Ländern gegründet worden, die besonders anfällig gegenüber der globalen Erwärmung sind. Die V20-Staaten (Vulnerable 20 Staaten) wurden 2015 mit dem Costa Rica Action Plan gegründet.

Die Autorengruppe schreibt, daß bis heute keine der größeren Ratingagenturen die Bonität eines Staates aufgrund von "Klimarisiken" heruntergesetzt hat. Der Begriff taucht für sich genommen in der veröffentlichten Bewertung eines Landes nicht auf. Die Studienautoren nehmen deshalb an, daß Risiken, die mit dem Klima zu tun haben, bislang in andere Felder mit eingeflossen sind. Die Ratingagenturen haben allerdings bereits angedeutet, daß sie das ändern werden, wobei die Folgen in der Regel als negativ einzustufen sind. Mehr noch, es wird damit gerechnet, daß der Klimawandel in den nächsten Jahrzehnten einen beträchtlichen Einfluß auf die Bonitätsbewertung von Staaten haben wird. Im November 2017 schreibt die Ratingagentur S&P dazu :

"In den nächsten Jahrzehnten könnte der Klimawandel erhebliche Auswirkungen auf staatliche Bewertungen haben." [2]

Die Ratingagentur Moody's wird etwas konkreter und sagt voraus, daß dies die ärmeren Staaten härter treffen wird:

"In der Regel sind staatliche Emittenten mit einer kleineren, weniger diversifizierten Volkswirtschaft und Geographie, niedrigeren Einnahmen und geringerer Qualität der Infrastruktur und fiskalischer Flexibilität anfälliger für die Auswirkungen des Klimawandels auf die Kreditvergabe." [3]


Luxusyachten in der Bucht von Monaco bei Nacht - Foto: pixabay

Die Eigner dieser seetauglichen Komfortzonen müssen vermutlich zeit ihres Lebens keine Latrinenlöcher in irgendeinen Wüstenboden buddeln.
Foto: pixabay

Die Analysten der Ratingagenturen beobachten die Folgen des Klimawandels sehr genau und leiten daraus ihre Bewertungen ab. Beispielsweise hatte im Februar dieses Jahres Kapstadt den "Day Zero" angekündigt, an dem aufgrund der anhaltenden Trockenheit und des hohen Verbrauchs die öffentliche Wasserversorgung hätte eingestellt und ein Notprogramm aufgelegt werden müssen. [4] Moody's schreibt dazu:

"Die beispiellose Wasserversorgungskrise in Kapstadt wird sich im Geschäftsjahr 2018 direkt auf den Betriebs- und Kapitalhaushalt der Stadt auswirken und zu wirtschaftlichen Herausforderungen führen, deren Ausmaß von der Dauer der Situation abhängt." [5]

Ihre Analyse bestätige, daß Länder mit einer höheren Anfälligkeit für Klimawandelfolgen das Risiko zusätzlicher Kosten durch die Staatsschulden tragen. Die Mehrkosten für die Kreditaufnahme bzw. Rückzahlung werden an private Schuldner weitergereicht werden, was bedeutet, daß Volkswirtschaften auf breiter Front getroffen werden.

Zum Fallbeispiel Bangladesch heißt es, daß seine Kreditwürdigkeit sinkt, weil durch den Klimawandel einerseits Meerwasser die Reisfelder kontaminiert und diese andererseits durch Überschwemmungen mit Süßwasser verdorben werden. Das gehe womöglich mit einer höheren Staatsverschuldung, höheren Nahrungsmittelpreisen und einer sich verschlechternden Außenhandelsbilanz einher und würde von den Ratingagenturen entsprechend negativ bewertet, so daß es für Bangladesch schwerer wird, günstige Kredite auf dem Weltmarkt zu generieren, heißt es in der Studie.

Die Studienautoren sprechen einige allgemeinere Empfehlungen aus, von denen sie sich erhoffen, daß der beschriebene Effekt abgemildert wird. Genannt werden Investitionen in das "natürliche Kapital", beispielsweise in klima-resiliente Infrastruktur wie Flutschutzanlagen oder auch das Anpflanzen von Bäumen.

Eigentlich hätte so eine Studie eine größere Aufmerksamkeit verdient, demaskiert sie doch die verbreitete Ansicht, daß sich die reichen Länder - selbstlos wie sie sind - ihrer historischen Verantwortung für den Klimawandel bewußt sind und nun anderen Ländern dabei helfen, sich gegen die katastrophalen Folgen zu wappnen. Faktisch unterstützen jedoch die ärmeren Staaten mittels ihrer teureren Kredite die global tätigen Finanzinstitutionen.


Fußnoten:

[1] http://unepinquiry.org/wp-content/uploads/2018/07/Climate_Change_and_the_Cost_of_Capital_in_Developing_Countries.pdf

[2] tinyurl.com/y9whrt9o

[3] https://www.eticanews.it/wp-content/uploads/2017/01/Moodys-climate-change-and-sovereigns-November-7.pdf

[4] Näheres zum "Day Zero" Kapstadts im Schattenblick unter:
http://schattenblick.de/infopool/politik/redakt/afka2161.html

[5] https://www.moodys.com/research/Moodys-Cape-Towns-water-crisis-to-have-direct-impact-on--PR_380582

12. Juli 2018


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