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KLIMA/696: CO2 - Augenwischerei ... (SB)



Die Handelsschiffahrt hat zugesagt, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 zu halbieren. Der weltgrößte Reeder, A.P. Moller-Maersk A/S, wird nun einen Test mit einem Containerschiff durchführen, dessen Treibstoff zu 20 Prozent aus Biosprit der zweiten Generation besteht und der deshalb als klimafreundlich gilt. [1]

Jener Treibstoff wurde aus pflanzlichen Abfällen gewonnen. Das als "klimafreundlich" anzupreisen, erscheint allerdings recht beschönigend, und man muß sich fragen, ob hierbei die Gesamtsituation, in der dieser Versuch stattfindet, berücksichtigt wurde. Erstens nimmt der Frachtverkehr zur See weltweit zu, was mögliche CO₂-Einsparungen aufgrund dieses Konzepts vermutlich gleich wieder auffrißt. Zweitens gäbe es wohl kaum annähernd genug pflanzliche Abfallstoffe, um nicht nur den Schiffs-, sondern auch den Fahrzeug- und Flugverkehr, für die bekanntlich das gleiche Lösungskonzept propagiert wird und die dann um eben solche Bioreste konkurrieren würden, anzutreiben. Drittens geht die Rechnung grundsätzlich nicht auf: Um die Erderwärmung zu verringern, reicht es bei weitem nicht, bis Mitte des Jahrhunderts die Treibhausgasemissionen auf die Hälfte zu verringern. Soviel Zeit hat die Menschheit nicht mehr. Auch Biosprit erzeugt CO₂-Emissionen. Da spielt es keine Rolle, ob der Kohlenstoff aus den pflanzlichen Resten andernfalls auf der Müllkippe gelandet wäre und auf diese Weise noch einer Nutzung zugeführt wird: Wenn der Containertransport zur See zunimmt, wird davon die globale Erwärmung befeuert.

Die "Mette Maersk", eines der größten Containerschiffe der Reederei A.P. Moller-Maersk A/S, wird noch in diesem Monat zu einer 25.000 Seemeilen langen Reise von Rotterdam nach Shanghai und wieder zurück aufbrechen. Dank des 20prozentigen Biospritanteils bleiben der Umwelt angeblich 1,5 Millionen Kilogramm CO₂ erspart. Das entspricht den jährlichen Treibhausgasemissionen von über 200 Haushalten.

Maersk kooperiert bei diesem Pilotprojekt mit der Dutch Sustainable Growth Coalition (DSGC), einem Zusammenschluß der acht multinationalen Konzerne Shell (fossile Energieträger), Heineken (Bier), KLM (Fluggesellschaft), AkzoNobel (Chemie), DSM (Chemie), FrieslandCampina (Lebensmittel), Philips (Elektrogeräte für Medizin und Haushalte) und Unilever (Lebensmittel und andere Verbrauchsgüter). Diese nicht unbedingt für Klimafreundlichkeit bekannten Unternehmen reklamieren in ihrem Namen "nachhaltiges Wachstum". Bislang handelt es sich um ein Wunschtraum, Wachstum von Treibhausgasemissionen entkoppeln zu können, wenn man die Gesamtbilanz der Produktion anschaut.

Gegenwärtig finden rund 90 Prozent des weltweiten Warentransports auf dem Seeweg statt. Der Anteil des Schiffsverkehrs an den Treibhausgasemissionen liegt bei rund 3 Prozent. Bis 2050 rechnet Maersk mit einer Steigerung des Warentransports, so daß die Schiffahrt einen Anteil von 15 Prozent an den CO₂-Emissionen hätte, würde die Industrie keinen Klimaschutz betreiben.

Solche Vergleiche mit eingesparten Emissionen werden immer wieder gern aufgestellt, doch handelt es sich um Rechnungen ohne den Wirt. Denn auf seiner Reise wird das Schiff nicht CO₂ einsparen, sondern selbstverständlich CO₂ emittieren, also weiter zur globalen Erwärmung und somit zum Klimawandel beitragen. Erst im Vergleich zu den angenommenen, noch viel größeren Treibhausgasemissionen eines ausschließlich von fossilen Energieträgern befeuerten Schiffsverkehrs erscheint ein solcher Warentransport als das kleinere Übel. Außerdem erfordert die Herstellung von Biosprit aus Pflanzenmaterial ihrerseits Energie. Im allgemeinen hat Biosprit einen geringeren Energiegehalt, so daß der Treibstoffverbrauch stiege.

Die Definition, was zum Biosprit der zweiten Generation gehört, ist nicht einheitlich. Das können Pflanzen sein, die eigens dafür angebaut werden, aber lediglich nicht als Futter- oder Lebensmittel geeignet sind, oder aber Pflanzenreste, die bei der eigentlichen Produktion beispielsweise von Bier und anderen Lebensmitteln anfallen. Da hier von Abfall die Rede ist, sollte man wohl davon ausgehen, daß letzteres gemeint ist. Dennoch könnte man sich fragen, ob diese Biomasse wirklich Abfall und nicht anderweitig nutzbar ist, beispielsweise als Dünger in der Landwirtschaft. Dort könnte dann Kunstdünger, der ansonsten energieaufwendig hergestellt werden muß und weitere Umweltprobleme nach sich zieht (Stickstoffüberschuß, Eutrophierung von Binnengewässern, Algenblüte in Küstengewässern, Feinstaub, Degradierung der Böden) eingespart werden.

Maersk transportiert eigenen Angaben zufolge 12 Millionen Container pro Jahr. Mit 697 Schiffen entfällt auf das Unternehmen ein Fünftel der weltweiten Containerschiffflotte. Laut Bloomberg [2] hat der Reeder in den letzten vier Jahren eine Milliarde Dollar in die Verbesserung der Energieeffizienz investiert. Auf die Frage, welche Spritkosten hierdurch eingespart wurden, geht der Bericht nicht ein.

Vom kommenden Jahr an dürfen nur noch Treibstoffe mit einem Schwefelgehalt von 0,5 Prozent verwendet werden. Mit dem traditionell verwendeten Schiffsdiesel ist dieser Wert nicht einzuhalten. Aus Sicht der Reeder hat der Biosprit den Vorteil, daß damit die Auflage zur Minderung von Schwefelemissionen erfüllt werden kann. So teilte Maersk mit, daß auf der Fahrt von Rotterdam nach Shanghai auch 20.000 Kilogramm Schwefel "eingespart" werden. Hierbei gilt das gleiche wie bei den Treibhausgasen: So begrüßenswert diese Errungenschaft auch ist, auf dieser Fahrt wird weiterhin eine wesentlich größere Schwefelmenge in die Atmosphäre gepustet.


Fußnoten:

[1] https://www.maersk.com/news/2019/03/22/dutch-sustainable-growth-coalition-partners-with-maersk-in-world-s-largest-maritime-biofuel-pilot

[2] https://www.bloomberg.com/news/articles/2019-03-21/maersk-tests-biofuel-as-it-sets-sail-for-2050-carbon-neutrality

25. März 2019


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