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KLIMA/700: Artensterben - vor langer Zeit ... (SB)



Die Hinweise verdichten sich, daß vor 252 Mio. Jahren Vulkanismus das größte Artensterben der Erdgeschichte ausgelöst hat. Damals wurden rund 90 Prozent der Meeresbewohner und über 75 Prozent der Landlebewesen ausgelöscht. Das Massensterben zog sich über mehrere hunderttausend Jahre hin. Über diesen Zeitraum hat ein größeres Vulkangebiet im heutigen Zentralrußland, das Sibirische Trapp, permanent Lava, Asche und Gase in die Atmosphäre entlassen bzw. ausgeworfen. Das und weitere Faktoren führten dazu, daß sich das Klima veränderte, die Erde im Durchschnitt zehn Grad wärmer wurde und die Ozeane rasch versauerten.

An zehn marinen Standorten, verteilt über die Nordhalbkugel, wiesen nun Forscherinnen und Forscher der University of Cincinnati in den USA und der China University of Geosciences Spuren von Quecksilber nach. Das war zuvor in Form feinster Dampftröpfchen mit den vulkanischen Gasen aus Erdspalten ausgetreten, aber auch aus Vulkanausbrüchen hoch in die Atmosphäre geschleudert worden, schrieben sie im Journal Nature Communications. Darüber hinaus hat der Vulkanismus Kohleflöze in Brand gesetzt. Kohle, das weiß man nicht zuletzt von den Emissionen heutiger Kohlekraftwerke, enthält Quecksilber. Die feinen Tröpfchen dieses flüssigen Metalls regneten im Laufe der Zeit aus der Atmosphäre wieder heraus und verteilten sich dabei flächig über den Meeresboden. [1]

Hauptautor Jun Shen, assoziierter Professor an der China University of Geosciences, wird von ScienceDaily.com mit den Worten zitiert: "Durch vulkanische Aktivitäten, einschließlich der Emissionen vulkanischer Gase und der Verbrennung organischer Substanzen, wurde reichlich Quecksilber auf die Erdoberfläche gebracht." [2]

Den Berechnungen nach besaßen die Ascheauswürfe ein Gesamtvolumen von drei Mio. Kubikkilometern. Mit dem Sibirischen Trapp wird eine bis zu 3000 Meter mächtige und mehrere Millionen Quadratkilometer große Gesteinsschicht aus Flußbasalt bezeichnet. In den chemischen Analysen der marinen Gesteinsproben bildete das Quecksilber sogenannte Spitzen. Die dienten nun als Marker zur Einordnung der geologischen Schichten.

"Typischerweise wird bei starken, explosiven vulkanischen Eruptionen eine Menge Quecksilber in die Atmosphäre entlassen", sagte auch Geologieprofessor Thomas Algeo vom McMicken College of Arts and Sciences der Universität von Cincinnati. Quecksilber sei ein relativ neuer Indikator, der inzwischen gerne verwendet wird, um vulkanische Einflüsse auf größere Ereignisse in der Erdgeschichte zu untersuchen.

Vulkanausbrüche, insbesondere wenn sie so schwefelhaltig sind wie 1991 beim Ausbruch des philippinischen Vulkans Pinatubo, werden normalerweise nicht mit einer globalen Erwärmung in Verbindung gebracht, sondern im Gegenteil mit einer Abkühlung. Deswegen werden in der Wissenschaft Konzepte zur Klimabeeinflussung (Geoengineering) vorgeschlagen, bei denen Schwefelpartikel in der oberen Atmosphäre ausgebracht und dadurch die Rückstrahlkraft der Erde erhöht werden soll. Das heißt, die wärmenden Sonnenstrahlen würden gar nicht erst die Erdoberfläche erreichen. Die Nebenwirkungen solcher Maßnahmen wären jedoch ihrerseits katastrophal.

Doch der Vulkanismus, der vor 252 Mio. Jahren an der Grenze zwischen den geologischen Zeitaltern Perm und Trias auftrat, hatte, wie bereits erwähnt, Kohlelagerstätten entzündet, die lange Zeit brannten und dabei das Treibhausgas Kohlenstoffdioxid freisetzten.

Geologische Phasen, die mehrere hunderttausend Jahre dauern und dabei lediglich den Übergang von zwei noch sehr viel längeren Zeitaltern markieren, haben vordergründig kaum etwas mit der überschaubaren Lebensspanne eines Menschen zu tun. Und doch hinterläßt der Mensch nicht erst seit Beginn der industriellen Revolution vor rund 200 Jahren, aber seitdem im besonderen Ausmaß, seine terrestrischen Spuren. Die schlagen sich sogar geologisch nieder. Das hat bereits eine Fachdebatte darüber ausgelöst, das heutige Erdzeitalter "Anthropozän" zu nennen. Über die Kriterien und damit den Beginn einer solchen menschengemachten Epoche ist man sich in der Wissenschaft allerdings noch nicht einig.

Ungeachtet dessen erscheinen zwei Jahrhunderte gegenüber Hunderttausenden von Jahren bedeutungslos zu sein. Ganz so eindeutig ist das jedoch nicht. Denn auch in der unvorstellbar langen Zeit während des Perm-Trias-Übergangs liefen manche Prozesse mal schneller, manche mal langsamer ab. Man kann davon ausgehen, daß die Veränderungen in Schüben auftraten und es innerhalb des Gesamtzeitraums hochaktive Phasen gab, die das Antlitz der Erde stärker veränderten als andere Phasen. Ohne hier näher auf die Studie eingehen zu wollen, werden auch in ihr zwei Quecksilber-Peaks, die im Abstand von mehreren zehntausend Jahren während des Perm-Trias-Übergangs auftraten, beschrieben. Das heißt, die Wissenschaft versucht, genauer zu werden, aber je weiter man in der Erdgeschichte zurückgeht, desto gröber die Einordnungen.

Analog dazu könnte man sagen, daß der Mensch mit seinen Treibhausgasemissionen vor 200 Jahren solch eine hochaktive Veränderungsphase eingeleitet hat, wie sie auch während des Perm-Trias-Übergangs zu vermuten ist. In Folge der menschengemachten Kohlenstoffdioxidemissionen versauern die Meere mit einer Geschwindigkeit, wie sie die letzten drei Millionen Jahre nicht vorkam. Die Erde heizt sich auf, der Permafrost zieht sich beschleunigt zurück, der Meeresspiegel steigt immer schneller an. Eigentlich würde die Erde auf eine neue Eiszeit zusteuern, doch kann man schon jetzt feststellen, daß die nächste Eiszeit ausfällt und um Jahrzehntausende hinausgezögert wird. Das ist keineswegs wünschenswert, denn statt dessen steuert die Erde auf eine regelrechte Heißzeit zu. Nicht wie vor langer Zeit der Vulkanismus, sondern die massive Ausbreitung des Menschen in praktisch alle Lebensräume hat den Startschuß zum sechsten großen Massensterben der Erdgeschichte gegeben.


Fußnoten:

[1] https://www.nature.com/articles/s41467-019-09620-0

[2] http://www.spacedaily.com/reports/New_evidence_suggests_volcanoes_caused_biggest_mass_extinction_ever_999.html

16. April 2019


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