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KLIMA/717: Meereserwärmung - ozeanische Hitzewellen ... (SB)



Die Phänomene Wetter, Witterung und Klima beschränken sich nicht auf die Atmosphäre. Auch in den Ozeanen treten tageweise Stürme auf, entstehen wochenlange Hitzewellen, wandeln sich die klimatischen Verhältnisse über Jahre und Jahrzehnte hinweg. Auf allen drei Ebenen der räumlichen und zeitlichen Betrachtung finden gegenwärtig weitreichende Veränderungen in den Weltmeeren statt. Das wird in dem am 25. September vorgestellten, 1170 Seiten umfassenden Sonderbericht des Weltklimarats (IPCC) über "Ozeane und Kryosphäre im sich wandelnden Klima" ausführlich herausgearbeitet. [1]

Eines der regionalen ozeanischen Phänomene ist "der Blob", eine Hitzewelle vor der nordamerikanischen Westküste, die bereits einmal zwischen 2013 und 2016 mit Korallensterben vor Hawaii, Dürre in Kalifornien, Massenstranden von Seelöwen, einer gewaltigen Algenblüte und starken Verlusten des Fischfangs einherging. Ebenfalls hatte der Blob verhindert, daß junge Lachse auf ihrer Wanderung über die Flüsse ins Meer ausreichend zu fressen hatten. Zugleich hat das Phänomen dazu beigetragen, daß junge Seelöwen an Entzehrung starben und Wale auf der Suche nach Nahrung näher an die Küste getrieben wurden, wo sie sich in großer Zahl in Leinen, Netzen und anderen Geräten des Krabben- und Fischfangs verhedderten. Viele Tiere starben.

Der Name Blob leitet sich aus der Darstellung auf Karten ab, in denen diese sogenannte Wärmeanomalie in gelber, orangefarbener bis kräftiger roter Farbe dargestellt ist, wohingegen kältere Gebiete je nach Stärke hell- bis dunkelblau erscheinen. Der Blob gehört zu einer Reihe von Phänomenen, die der Meeresforschung noch einige Rätsel aufgeben und sie aus verschiedenen Gründen beunruhigen. Wenn beispielsweise die Korallenbänke vor Hawaii komplett absterben würden, verlöre die Inselgruppe einen natürlichen Schutz gegenüber Hurrikanen. Das gefährdete Menschenleben unmittelbar und sorgte unter Umständen für hohe ökonomische Schäden. [2]

Es wird befürchtet, daß die gegenwärtige globale Erwärmung weitere solcher ozeanischen Überraschungen wie den Blob hervorbringt. Auf ihn wird auch in dem oben erwähnten Sonderbericht des Weltklimarats an mehreren Stellen konkret Bezug genommen, handelt es sich doch um eine der stärksten jemals gemessenen Hitzewellen im Ozean. Die Meerestemperatur vor der kalifornischen Küste lag damals um bis zu sechs Grad Celsius höher als normal, eine Steigerung, welche die Temperatur der sehr viel bekannteren, rund alle fünf bis sieben Jahre auftretenden Wärmeanomalie mit der Bezeichnung "El Niño" vor Südamerikas Westküste übertrifft.

Der nach rund fünf Monaten allmählichen Wachstums sich Anfang September deutlich abzeichnende Blob hat fast die gleichen Ausmaße wie der frühere Blob erreicht, der sich von Alaska bis Kalifornien erstreckte, ist allerdings zur Zeit noch nicht so tief. Damals war die Wärmeanomalie rund 140 Meter mächtig, während sie in diesem Jahr oberflächlich bleibt. Allerdings ist sie erst im Entstehen begriffen, und auch Experten wie Nate Mantua vom Southwest Fisheries Science Center wissen nicht, wie sich das Phänomen weiterentwickeln wird. Laut der Washington Post erklärte er: "Es sieht übel aus, aber es könnte sich auch ziemlich schnell auflösen, sollte sich das ungewöhnlich anhaltende Wettermuster, das ihn verursacht, ändern."

Hinter der außerordentlich langen Zeit, in der die Winde, die normalerweise dafür sorgen, daß sich warmes Oberflächenwasser mit dem kalten Wasser aus tieferen Meeresschichten mischt, ausgeblieben sind, hat die Forschung wiederum bestimmte Luftdruckverhältnisse ausgemacht. Eine langgestreckte, stabile Hochdrucklage habe den Wind am Entstehen gehindert, heißt es.

Die Kette, wie es zu dieser spezifischen Drucksituation kommen konnte, und was die Ursache der Ursache und wiederum deren Ursache ist, setzt sich unendlich fort. Das trägt zu dem Eindruck bei, daß die Wissenschaft mit ihren kausal determinierten Deutungen stets im Nachvollzug von Entwicklungen bleibt, die längst stattgefunden haben und somit auch nicht mehr aufzuhalten sind.

Das ist alles anderes als fatalistisch gemeint. Dem Bemühen soll keine Absage erteilt werden, beispielsweise über die Reduzierung von Treibhausgasen die globale Erwärmung bremsen zu wollen. Bestände doch wahrscheinlich die Alternative darin, den globalen Erwärmungstrend und die Intensität von Hitzewellen in den Ozeanen sogar noch zu verstärken, indem hemmungslos anthropogene Treibhausgase aus Landwirtschaft, Verkehr, Industrie und Haushalten in die Atmosphäre entlassen werden. Damit würden einer Wirtschaftsform die Sporen gegeben, die das Streben nach Profit selbst dann noch sehenden Auges fördert, wenn in Folge dessen die Überlebensvoraussetzungen nicht nur der menschlichen Mitwelt vernichtet werden.


Fußnoten:

[1] https://www.ipcc.ch/srocc/download-report/

[2] https://www.washingtonpost.com/weather/2019/09/21/blob-is-surging-back-pacific-leading-fears-mass-die-offs-marine-life-unusual-weather-patterns/

25. September 2019


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