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KLIMA/747: Meereserwärmung - Reaktion politisch träge ... (SB)



In allen Weltregionen wird das Wettergeschehen von den Ozeanen bestimmt. Sie bedecken zwei Drittel der Erdoberfläche, verstärken Winde oder bremsen sie ab und sorgen an Land entsprechend für Niederschläge oder Sonnenschein. In jedem Ozean treten sogenannte Anomalien auf, die mit weitreichenden Veränderungen auch des Wettergeschehens an Land einhergehen. Am bekanntesten ist das El-Niño-Phänomen, eine alle fünf bis sieben Jahre auftretende Erwärmung des östlichen äquatorialen Pazifiks mit weitreichenden Folgewirkungen in verschiedenen Weltregionen. Weniger bekannt, aber für die angrenzenden Länder nicht weniger bedeutend ist der "Indische Ozean Dipol", der in positiver oder negativer Form auftreten kann und erst 1999 entdeckt wurde.

Die globale Erwärmung wird den IOD, wie er in verkürzter Form genannt wird, deutlich stärker beeinflussen als bislang angenommen. Das meldet eine Forschergruppe der Australian National University und des ARC Centre of Excellence for Climate Extremes diese Woche im Wissenschaftsjournal "Nature". Erwartet werden extreme Bedingungen, die sogar die diesjährige Rekorddürre in Australien noch übertreffen können. [1]

Daß der Indische Ozean Dipol das Wetter in Australien bestimmt und das Phänomen durch den Klimawandel verstärkt wird, ist schon länger bekannt. Neu ist hingegen die Feststellung, daß der Einfluß erheblich stärker ausfallen könnte als gedacht. Das schließen die Forscherinnen und Forscher aus der Analyse von Korallenbänken, die ein recht genaues Klimaarchiv der letzten rund tausend Jahre liefern.

Mit dem Indischen Ozean Dipol ist der Temperaturunterschied zwischen dem westlichen und östlichen Teil des Indischen Ozeans gemeint. Bei einem positiven IOD-Modus baut sich im Westen des Ozeans, vor dem Horn von Afrika, eine warme Meeresströmung auf, wohingegen der östliche Indische Ozean vor Indonesien kälter wird. Im vergangenen Jahr und Anfang dieses Jahres, als Australien von Dürre und Buschbränden heimgesucht wurde, hatte sich ein "extrem positiver" IOD aufgebaut.

Die Korallenanalysen zeigen, daß sich im Untersuchungszeitraum, der 500 einzelne Jahre umfaßt, die bis zum Jahr 1240 zurückreichen, insgesamt nur zehnmal "extrem positive" IOD vorkamen. Davon allein vier in den letzten 60 Jahren. In Folge des Klimawandels wird sich der westliche Indische Ozean tendenziell stärker erwärmen als der östliche Teil.

In früheren Studien war festgestellt worden, daß IOD-Ereignisse aufgrund des Klimawandels gegen Ende dieses Jahrhunderts etwa dreimal so häufig auftreten werden wie in der Vergangenheit. Jedoch waren in den letzten Jahrzehnten keine diese IOD-Ereignisse so stark entwickelt, wie sie gemäß den Korallenanalysen werden könnten. Das bezeichnete die Hauptautorin der Studie, Nerilie Abram von der Australian National University, laut der britischen Zeitung "The Guardian" als "beunruhigend". Könnte dies doch bedeuten, daß Australian Schlimmeres noch bevorsteht. Die vergangenen Jahrzehnte hätten nicht das gesamte Ausmaß des Risikos gezeigt, das durch solche Ereignisse in Zukunft entstehen könnte, heißt es. [2]

Das stärkste IOD-Ereignis der Studie fand im Jahr 1675 statt. Es fiel um 30 bis 40 Prozent intensiver aus als das von 1997, das stärkste dieser Ereignisse in jüngerer Zeit. 2019 lag nur knapp dahinter. Historische Aufzeichnungen aus Asien zeigen, daß 1675 Ernten ausfielen, sich Hungersnöte ausbreiteten und die Sterberate zunahm. Selbst Kriege wurden damals ausgelöst, wie die australische Nationaluniversität berichtet. [3]

Das Gegenstück zum positiven IOD, der "negative IOD", bringt zwar eine Abkühlung des westlichen und Erwärmung des östlichen Indischen Ozeans mit sich, was es wiederum in Australien mehr regnen läßt, doch ist der Effekt generell weniger ausgeprägt als der positive IOD. Darum befaßt sich die Wissenschaft vor allem mit dem positiven IOD-Modus.

Australien ist nicht der einzige Kontinent, der von dieser Kopplung zwischen Ozean und Atmosphäre betroffen ist. Ostafrika beispielsweise erfährt bei einem extrem positiven IOD starke Niederschläge. So auch in der zweiten Jahreshälfte von 2019. In Folge der weiträumigen Überschwemmungen in manchen Regionen Ostafrikas und der Wärme fanden Heuschrecken hervorragende Bedingungen, sich zu vermehren. Jetzt wird Ostafrika von riesigen Heuschreckenschwärmen heimgesucht, die bereits so viel gefressen haben, daß deswegen in den betroffenen Regionen eine Hungersnot droht.

Das Phänomen des IOD tritt auch ohne menschliches Zutun auf. Doch die menschenverursachte globale Erwärmung wird voraussichtlich die Häufigkeit extrem positiver IOD-Ereignisse und damit Dürren in Australien und Überschwemmungen in Ostafrika verstärken. Umgekehrt könnte durch eine Klimaschutzpolitik, die sich nicht genötigt sieht, zwischen ökonomischen Vor- und Nachteilen abzuwägen, sondern raschestmöglich die menschengemachten Treibhausgasemissionen reduzieren hilft, durchaus etwas bewirken und die beschriebenen Effekte zumindest abmildern. Von der gegenwärtigen australischen Regierung ist das nicht zu erwarten, und selbst die sich als Vorbild gerierende Europäische Union reagiert viel zu langsam auf die Klimakatastrophe.


Fußnoten:

[1] https://www.nature.com/articles/s41586-020-2084-4

[2] https://www.theguardian.com/environment/2020/mar/10/indian-ocean-system-that-drives-extreme-weather-in-australia-likely-to-worsen-with-global-heating

[3] https://science.anu.edu.au/news-events/news/rare-natural-phenomenon-brings-severe-drought-australia-climate-change-making-it

10. März 2020


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