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RESSOURCEN/081: EU plant Anpassung des Wasserpreises an Mangel (SB)


Mangeladministration

Künftig könnte es Wasser-Versorgungsunsicherheit bei
einkommensschwächeren Haushalten innerhalb der EU geben


Wassermangel - was bisher hauptsächlich aus Entwicklungsländern bekannt ist, wird in einigen Jahren auch in breiter Front in Europa Einzug halten, so die Prognosen von Experten. Die EU-Kommission hat geplant, den Wasserpreis einheitlich anzuheben, um den Verbrauch zu senken. Das würde jedoch bedeuten, daß künftig vor allem die finanziell weniger gutgestellten EU-Bürger im verhältnismäßig zu ihrem Einkommen kräftiger zur Kasse gebeten würden als reichere. Anders gesagt: Die Wasserverfügbarkeit für die Reichen wird mittels der Preispolitik gesichert, wohingegen für einen ärmeren Teil der Bevölkerung plötzlich Versorgungsunsicherheit eintreten könnte.

Am Mittwoch berichtete EU-Umweltkommissar Stavros Dimas, daß bereits heute mehr als ein Fünftel der EU-Bevölkerung unter Wasserknappheit leide und daß sich die Lage in den nächsten Jahrzehnten dramatisch verschärfen werde. Dimas fordert deshalb eine einheitliche Regelung für den EU-Raum, was in der Konsequenz darauf hinauslaufen wird, daß der Wassermangel, der gegenwärtig von natürlichen Faktoren wie Niederschlagsmenge abhängig und in natürlicherseits benachteiligten Regionen am stärksten zu spüren ist, der administrativen Kontrolle Brüssels unterworfen und auf bislang versorgte Regionen ausgedehnt wird.

Abgesehen von solchen in der Konsequenz rigorosen Maßnahmen plädiert die EU-Kommission für das strikte Bemühen, um Wasser einzusparen, wie es bereits in der EU-Wasserrahmenrichtlinie aus dem Jahre 2000 von den EU-Mitgliedern beschlossen worden war. In einer Mitteilung Stavros Dimas' hieß es, daß der Zugang zu Wasser in ausreichender Menge eine Grundvoraussetzung für das tägliche Leben der Menschen und für viele Wirtschaftstätigkeiten sei. Die wesentlichen Auswirkungen der Wasserknappheit und Dürre würden sich durch den Klimawandel wahrscheinlich noch verschärfen. Deshalb werde ein unfassendes Konzept für eine nachhaltige Wassernutzung nötig, um sicherzustellen, daß für alle europäischen Bürger und Wirtschaftstätigkeiten ausreichend Wasser zur Verfügung stehen werde (Press Releases Rapid, IP/07/1121, 18. Juli 2007).

Zahl und Dauer von Dürren in Europa hätten in den letzten 30 Jahren deutlich zugenommen, schrieb der EU-Kommissar. Dabei seien der europäischen Wirtschaft Kosten in Höhe von mindestens 100 Milliarden Euro entstanden. Im Jahr 2003 seien mehr als 100 Millionen Menschen und etwa ein Drittel der Fläche der EU von einer der größten Dürren des Kontinents betroffen gewesen, was Kosten in Höhe von etwa 8,7 Milliarden Euro verursacht habe. Heute würden in der EU mindestens 20 Prozent des verfügbaren Wassers verschwendet, neuesten Daten zufolge könnten es sogar 40 Prozent sein.

Ende Juni hatte die EU-Kommission ein Grünbuch zur Anpassung an den Klimawandel vorgelegt und darin prognostiziert, daß es möglicherweise zu einer weiteren Verschlechterung der Wasserbevorratung in Europa kommen werde, sollten die Temperaturen weiter steigen und die Politik es versäumen, mit klaren Strategien darauf zu antworten.

Drei zentrale Maßnahmen stehen für den EU-Kommissar im Mittelpunkt: Jeder Nutzer zahlt, was in allen Sektoren der Wirtschaft gelten solle, also zum Beispiel auch in der Landwirtschaft. Dazu sollen die Wasserpreise EU-weit verbessert, das heißt angeglichen und das wiederum heißt erhöht werden. Die zweite Strategie zielt auf Kontrolle des Verbrauchs, die dritte auf Belohnung von Sparsamkeit. Dimas empfiehlt die finanzielle Unterstützung des Einbaus von wassersparenden Wasserhähnen, Duschköpfen oder auch Toilettenspülungen. Letztgenannte Strategie bedeutet umgekehrt, daß ein hoher Verbrauch bestraft werden wird.

Gegenüber dem Handelsblatt (19.7.2007) erklärte Dimas, daß künftig ein Preis für das Wasser gezahlt werde, der seiner Knappheit entspreche. Wasser soll also teurer werden. Für Deutschland könnte das bedeuten, daß die Landwirte, die bisher aus eigenen Brunnen Wasser entnehmen, um ihre Felder zu bewässern, künftig dafür zur Kasse gebeten werden. Bei der Vorstellung des EU-Papiers am Mittwoch nannte Kommissionsexperte Peter Gammeltoft diese Möglichkeit ausdrücklich als ein Beispiel für Regulierungsbedarf. Desweiteren kritisierte er Spanien, wo der Staat sogar die Infrastruktur zum Bau von Brunnen kostenlos zur Verfügung stelle. Sollten einzelne Staaten weiterhin gratis Wasser für die Bewässerung von Agrarflächen bereitstellen, wäre ein Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen die Regierungen möglich, hieß es am Mittwoch in Kommissionskreisen, wie die österreichische Zeitung "Die Presse" (18.7.2007) ergänzend zu berichten wußte.

Die Mühlen des Brüsseler Beamtenapparats mahlen zwar manchmal langsam, aber unaufhaltsam. Im September wollen die EU-Umweltminister auf einem informellen Treffen über Wasserfragen beraten. Im Jahr 2008 wird die Kommission über Fortschritte in diesem Bereich berichten. Spätestens 2010 wird die EU-Kommission Klage gegen jene Länder einreichen, die bis dahin ihre nationalen Gesetze nicht an die EU- Wasserrahmenrichtlinie angepaßt haben. Einer Sprecherin Dimas' zufolge sind dann auch gesetzliche Maßnahmen der Kommission zum Wasserpreis und zur Verteilung denkbar.

In dem Strategiepapier wird außerdem vorgeschlagen, daß die EU- Agrarbeihilfen noch stärker von der Produktionsmenge abgekoppelt werden sollen als heute, weil dadurch der Wasserverbrauch eingedämmt werden könnte. Was die EU-Experten in diesem Zusammenhang verschweigen: Dadurch könnten sich Nahrungsmittel dramatisch verteuern. Und wenn darüber hinaus deutsche Landwirte für das Wasser bezahlen müßten, das sie aus eigenen Brunnen pumpen, stiegen die Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse nochmals an.

Abgesehen davon, daß die EU-Bürger motiviert oder gezwungen werden sollen, ihre Wassersysteme technisch umzurüsten - Pellatoren an die Wasserhähne, Klokästen mit Wahlmöglichkeit fürs kleine und große Geschäft, etc. - dürften ihnen künftig auf jeden Fall höhere Wasserrechnungen ins Haus schneien. Außerdem werden die Preise für Lebensmittel, bei deren Produktion in der Regel große Mengen Wasser verbraucht werden, anziehen. Zweifel sind angebracht, ob diese Entwicklung sozialverträglich austariert wird und Geringverdiener im gleichen Verhältnis zu ihrem Einkommen für Wasser werden bezahlen müssen wie reichere Bürger.

Über die Wasserfrage dürfte es auch innerhalb der Europäischen Union noch reichlich Streit geben. So meinte der CDU-Abgeordnete und Umweltexperte Karl-Heinz Florenz gegenüber dem "Handelsblatt" (19.6.2007): "Der Kampf um das Wasser hat Europa längst erreicht. Das ist nicht mehr nur Afrikas Thema oder das des mittleren Ostens." Die Folgen des Klimawandels würden die Konflikte weiter verschärfen, so Florenz. Das Strategiepapier der Kommission sei der Auftakt für ein heftiges Ringen um Geld und Wasserressourcen in der EU.

Möglicherweise werden sich die wasserreichen Länder innerhalb der Union genauso gegenüber den EU-Ländern, in denen Wassermangel herrscht, abgrenzen, wie die gesamte Europäische Union heute gegenüber Afrika. Von dort versuchen jedes Jahr tausende auf häufig lebensgefährliche Weise, in den EU-Raum zu gelangen. Dabei handelt es sich nicht selten um Umweltflüchtlinge, die aus Dürreregionen Afrikas fliehen. Zynischerweise ertrinken viele von ihnen bei der Überfahrt durchs Mittelmeer oder den Atlantik.

Sollten die Prognosen von Klimaexperten zutreffen, wird die Sahara in den nächsten Jahrzehnten weiter nach Norden vordringen und Europa erreichen. Wahrscheinlich wird es innerhalb des EU-Raums zu neuen Grenzen kommen. Die können mechanisch sein und sich direkt gegen Flüchtlinge richten, oder auch rechtlich, und ihnen den Zugang zu Wasser verwehren. Mittels hoher Wasserpreise und anderer administrativer Regularien könnte es auch zu neuen sozialen Grenzen kommen. Denkbar wäre zum Beispiel, daß angesichts des Wassermangels in der EU einem Arbeitslosen von vornherein und unabhängig von seinem - vermutlich leeren - Geldbeutel weniger Wasser zugeteilt wird, weil, so jedenfalls die typische utilitaristische Ideologie, die in der EU häufig anzutreffen ist, er ja auch nicht so viel leisten muß wie ein Mensch, der einen bezahlten Job hat.

20. Juli 2007