Schattenblick →INFOPOOL →UMWELT → REDAKTION

RESSOURCEN/120: Ölabfluß in der Karibik zunächst gestoppt (SB)


Vorbereitung auf Peak Oil

Das Ausbringen weiterer Hochrisikobohrungen nach Erdöl ist sehr wahrscheinlich


Medienberichten zufolge ist das Bohrloch im Golf von Mexiko gestopft. Die Dauerhaftigkeit der angewandten Methode "top kill", bei der Schlamm unter hohem Druck tief in das 1500 unter dem Meeresspiegel liegende Bohrloch gepumpt wurde, muß erst noch unter Beweis gestellt werden. Der Energiekonzern BP, auf dessen Plattform Deepwater Horizon sich am 20. April eine Explosion ereignete und ein Feuer ausbrach, so daß die Einrichtung zwei Tage darauf unterging, will jetzt das Bohrloch noch mit Beton versiegeln, daß es sich nicht erneut öffnet.

US-Präsident Barack Obama hat unterdessen angekündigt, daß er die Genehmigung zur Offshore-Ölförderung für sechs Monate aussetzen werde. Das betrifft aktuell vor allem den Shell-Konzern, der in der Arktis nach Öl bohren will. Damit gibt Obama klar zu verstehen, daß die Vereinigten Staaten prinzipiell nicht auf das Öl vor ihren Küsten verzichten wollen. Die Regierung hat zwar in der Energiepolitik eine Abkehr vom Import fossiler Energieträger eingeleitet, aber seit langem hat Erdöl auch in der chemischen Industrie und so vielen weiteren Branchen eine derart zentrale Bedeutung erlangt, daß die Industrie noch in vielen Jahren auf diesen Energieträger und Grundstoff angewiesen bleiben dürfte.

Waren vor zehn Jahren selbst gestandene Erdölexperten als Außenseiter bezeichnet worden, als sie warnten, daß das globale Fördermaximum für Erdöl (peak oil) im Laufe der nächsten Dekade überschritten werde, so gilt diese Einschätzung inzwischen als Mainstream. Das Zeitalter relativ preiswerten Erdöls ist vorbei oder neigt sich dem Ende zu; der Verbrauch dieser endlichen Source übersteigt die Menge an neuentdeckten Fördermengen. Den Mainstream bislang kaum erreicht haben dagegen Vorstellungen, zu welchen gesellschaftlichen Umbrüchen es aufgrund des Mangels unvermeidlich kommen wird.

Sollte es BP tatsächlich gelungen sein, den Ölfluß im Golf von Mexiko zu stoppen, wird die Lehre aus der noch lange nicht überstandenen Katastrophe an dieser bis heute tiefsten Offshore-Bohrung nach Erdöl wahrscheinlich darin bestehen, daß die Regierungen der USA und anderer Länder strengere Auflagen und höhere Haftpflichtversicherungen verlangen, aber niemals wird es zur völligen Abkehr von der Offshore-Technologie kommen. Erdöl ist der Lebenssaft einer Gesellschaft, die sich einer Wirtschaftsweise bedient, in der ein hoher Verbrauch hohe Profite und die wiederum ein Anwachsen der Verfügungsgewalt verheißen.

Daß die Sicherung des eigenen Zugangs zu Erdölfeldern und der Transportwege von Erdöl Kriegsgründe sind bzw. Motive zur Entsendung von Truppen sein können, haben die Überfälle auf Irak und Afghanistan gezeigt. Mit dem Überschreiten des globalen Fördermaximums von Erdöl wird damit zu rechnen sein, daß die Arktis, vielleicht sogar irgendwann die Antarktis und bislang unerschlossene Offshore-Bereiche unter einer mehrere tausend Meter tiefen Wassersäule "angestochen" werden, um den öligen Lebenssaft zu gewinnen. Der Untergang von Deepwater Horizon wirkt wie ein finsterer Startschuß im Wettrennen um die letzten Erdölressourcen. Vor diesem Hintergrund erhalten auch die Anfeindungen des Irans wegen seines zivilen Nuklearprogramms, das angeblich Tarnung für den Bau einer Atombombe ist, ein anderes Gesicht: Iran ist ein ressourcenreiches Land, es verfügt über große Erdöl- und Erdgasreserven.

Die Streitkräfte der USA haben begonnen, einerseits ihren Energieverbrauch zu verringern, andererseits Erdöl durch Biosprit zu ersetzen. Die Bedeutung von Einsparungen und Ersatzstoffen auf den gesamten Erdölverbrauch des Militärs, der zur Zeit etwa dem ganz Schwedens entspricht, sind zur Zeit nur marginal. Doch die Tatsache an sich, daß der Militärapparat Schritt für Schritt seine Abhängigkeit von Erdölimporten verringert, ist ein sicheres Zeichen dafür, daß wir uns in einer Phase des Peak Oils befinden.

Experten rechnen mit einem sich beschleunigenden Abfall der Erdölförderung innerhalb des nächsten Jahrzehnt oder höchsten weniger Jahre darüber hinaus. Die Folge wird sein, daß weitere Hochrisikobohrungen nach Erdöl vorgenommen werden und um die letzten Reserven mit zunehmender Schärfe gerungen wird. Die territorialen Verhältnisse des vielleicht in Zukunft sommers eisfreien Nordpolarmeeres lassen Auseinandersetzungen der Anrainerstaaten um die dort lagernden Rohstoffe wie Erdöl und Erdgas ahnen. Gleiches gilt für die Antarktis, in der zwar ein kommerzieller Rohstoffabbau vertraglich nicht erlaubt ist - aber welche Gültigkeit wird ein solches Verbot haben, wenn zeitgleich andernorts auf dem Globus um den Zugang zu Ressourcen gekämpft wird? Welches (Umweltschutz-)Interesse wird sich dann gegen das der geballten Staatengemeinschaft am wirtschaftlichen Abbau von Rohstoffen behaupten wollen?

Es ist zu vermuten, daß das durch den Antarktisvertrag verhängte Verbot des Rohstoffabbaus dergestalt gelockert wird, daß zunächst die Erdölexploration in den antarktischen Randmeeren zugelassen wird. (Irgendeinen Sinn muß es ja gehabt haben, daß Großbritannien 1982 "seine" Falkland-Inseln mit voller militärischer Wucht von Argentinien "zurückerobert" hat. Jedenfalls haben die Briten vor zweieinhalb Jahren einen Antrag bei der Uno um Anerkennung eines riesigen Territoriums von den Falkland-Inseln in Richtung Antarktis eingereicht ...)

Der unkontrollierte Ölfluß im Golf von Mexiko wurde anscheinend gestoppt. Die Obama-Administration will eine Schamfrist von sechs Monaten für Offshore-Bohrungen einhalten. Anschließend darf der Rüssel wieder in den Meeresboden gerammt und fossiler Lebenssaft heraufgepumpt werden - mit unkalkulierbaren Folgen für die Umwelt.

27. Mai 2010