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RESSOURCEN/123: G20-Gipfel der Unverbindlichkeit (SB)


Wachsweiches Abschlußkommunique

G20-Staaten haben ihre Absicht erklärt, daß sie ihre früheren Absichtserklärungen begrüßen ...


Die G20-Staaten behaupten von sich, sie bildeten die weltweite Führungsriege der Nationen in allen wirtschaftlich relevanten Belangen. Der am vergangenen Wochenende abgeschlossene Gipfel in Toronto hat jedoch bewiesen, daß die Vertreter der zwanzig wirtschaftlich führenden Staaten eine sehr beschränkte Vorstellung davon haben, was die Übernahme von Verantwortung für andere Staaten oder gar für zukünftige Generationen betrifft. So heißt es zwar unter Punkt 42 der Abschlußerklärung, daß "unwirksame Subventionen fossiler Energieträger, die zu einem verschwenderischen Verbrauch verleiten", [1] enden sollen - angesichts von Peak-Oil bleibt im übrigen kaum etwas anderes übrig -, aber es wird kein verbindlicher Endpunkt der Subventionierung festgelegt. Nach Berechnungen der Internationalen Energieagentur würde eine Streichung der staatlichen Unterstützung innerhalb der nächsten zehn Jahre die Menge an anthropogenen Treibhausgasen global um sieben Prozent senken.

Der kanadische Premierminister Stephen Harper machte keinerlei konkrete Zusagen, daß er den extrem umweltzerstörenden Abbau von Teersanden und die Subventionierung der damit befaßten kanadischen Unternehmen enden lassen will. Harper ging nicht über einen vage gehaltenen und als wenig wirksam einzuschätzenden Plan zur Verringerung der Subventionierung für die kanadische Gas- und Ölindustrie aus dem Jahr 2007 hinaus. Kim Carstensen, Leiter der WWF Global Climate Initiative, brachte das Ergebnis des G20-Gipfels treffend auf den Punkt: "Die grünste Sache der G20 ist ihre Fähigkeit, frühere Verpflichtungen wiederzuverwenden und zu recyceln." [2]

Die kanadischen Ölunternehmen prosperieren, seitdem der Weltmarktpreis für ein Barrel Rohöl auf über 50 US-Dollar gestiegen ist, und reißen derweilen immer größere Löcher in die Landschaft. Um das Öl mechanisch und chemisch aus den Teersanden herauszulösen, werden gewaltige Mengen Abraum und Abwässer produziert - unter hohem Energieverbrauch. Rechnerisch wird ein beträchtlicher Teil der aus Teersanden hergestellten Energieträger allein für die Produktion dieses Öls verbraucht. Außerdem hinterlassen die mit der Ölsandverwertung befaßten Unternehmen kloakenartige Landschaften, die kaum renaturierbar sind und lange Zeit eine Gefahr für Vögel bilden. Die müssen eigens mittels Explosionsgeräten davon abgehalten werden, auf der ölig-glänzenden Oberfläche, die den Tieren wie Wasser erscheint, zu landen, wo sie dann verenden würden.

Angesichts der Sturheit und Borniertheit der G20-Vertreter nicht nur hinsichtlich finanzpolitischer, sondern auch umweltpolitischer Fragen hatten sich Umweltschutzgruppen bzw. für den Erhalt der Umwelt und des Klimas verantwortlich fühlende Aktivisten an den Demonstrationen gegen den Gipfel beteiligt. Sie gehören zu denen, welche die geballte Staatsgewalt hautnah zu spüren bekamen. Nach Polizeiangaben waren seit dem 18. Juni mehr als 900 Personen verhaftet worden.

Offenbar sollen die Menschen, die sich über die zerstörerischen Folgen des auf permanentes Wachstum getrimmten und somit permanente Mehrwertabschöpfung sichernden Wirtschaftssystems sorgen, dankbar sein, daß in der G20-Abschlußerklärung überhaupt noch die längst beschlossene Verpflichtung zur Reduzierung der Subventionen für die Ölindustrie enthalten ist. Sah doch ein gegen Ende des Gipfels an die Öffentlichkeit gelangter Entwurf des Kommuniques vor, daß die Beschneidung der Subventionen "freiwillig" und "mitgliederspezifisch" vorgenommen werden kann. Zumindest der freiwillige Aspekt ist im Abschlußdokument nicht mehr enthalten. [3]

Das G20-Abschlußkommunique enthält hinsichtlich der umwelt- und klimapolitischen Aspekte lediglich vage Absichtserklärungen, wie sie bereits auf dem Klimagipfel von Kopenhagen im Dezember 2009 verabschiedet wurden. Nur um zu betonen, daß man sich einer "grünen Erholung" und einem "nachhaltigen globalen Wachstum" (Punkt 41) verpflichtet, hätten die Staats- und Regierungschefs nicht zusammenkommen müssen. Man dankte Mexiko schon mal dafür, daß es vom 29. November bis 20. Dezember 2010 die 16. Conference of the Parties (COP 16) in Cancun organisiert ... und man unterschlug mit dieser Lobhudelei, daß man es versäumt hat, die Voraussetzungen zu schaffen, damit von der Klimakonferenz in Mexiko mehr herauskommt als eine Neuauflage der unverbindlichen Übereinkunft von Kopenhagen.

Der entmutigt wirkende und aus seinem Amt scheidende Leiter des UN-Klimawandelsekretariats, Yvo de Boer, zeigte sich im Vorfeld des Gipfels bestürzt über die in den letzten Jahren eingenommenen Haltung der internationalen Gemeinschaft zum Klimawandel. Der Klimaschutz sei im Interesse aller und eine Aufgabe aller. Die Staatengemeinschaft verhalte sich jedoch, als sei der Klimawandel das Problem von jemand anderem, sagte de Boer vergangene Woche auf einer Wirtschaftskonferenz in Hongkong. [4] Man kann davon ausgehen, er seine kritische Einschätzung nach dem G20-Treffen - zu seinem Bedauern - nicht revidieren mußte ...

Rund 550 Milliarden Dollar erhält die Ölbranche jährlich an staatlichen Zuwendungen - ein Beispiel von vielen dafür, daß die Bezeichnung "freie Marktwirtschaft" lediglich über die lenkenden Kräfte des wirtschaftlichen Geschehens hinwegtäuscht; und damit auch über das Interesse gesellschaftlicher Entscheidungsträger an der Aufrechterhaltung der bestehenden Produktionsverhältnisse. Wie formulierte es noch der frühere Bundespräsident Horst Köhler?

"Meine Einschätzung ist aber, daß insgesamt wir auf dem Wege sind, doch auch in der Breite der Gesellschaft zu verstehen, daß ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muß, daß im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren. Zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden, und ich glaube, wir sind auf einem nicht so schlechten Weg." [5]

Freie Handelswege für einen freien Zugang zu den Ressourcen. Die Freiheit nehm' ich mir, könnte man in Abwandlung eines Werbespruchs über die der Bundeswehr zugewiesene, grundgesetzwidrige Aufgabe der Ressourcensicherung sagen. Wenn aber bereits das Grundgesetz wie auch das internationale Völkerrecht aufgeweicht und formbar hinsichtlich eigener Begehrlichkeiten gemacht wird, läßt sich denken, daß Dinge wie Klimaschutz und Ressourcenschonung als Bestandteil der Generationenverantwortung ganz sicher nicht auf der Agenda der vorherrschenden Kräfte stehen.


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Anmerkungen:

[1] "The G-20 Toronto Summit Declaration", 26. - 27. Juni 2010
http://g20.gc.ca/toronto-summit/summit-documents/the-g-20-toronto-summit-declaration/

[2] "Protesters and police clash as G20 fails to deliver on green goals", BusinessGreen, 28. Juni 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2265591/protesters-police-clash-toronto

[3] "G20 beefs up pledge to phase out fossil fuel subsidies", BusinessGreen, 28. Juni 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2265567/g20-beefs-pledge-phase-fossil

[4] "UN chastises G20 leaders for lack of climate change action", BusinessGreen, 25. Juni 2010
http://www.businessgreen.com/business-green/news/2265465/un-chastises-g20-leaders-lack?page=2

[5] http://www.dradio.de/dkultur/sendungen/interview/1188780/

29. Juni 2010