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EUROPA/131: Getrübte Wasserqualität - Überdüngung und Biomasseproduktion sind die Ursache (DER RABE RALF)


DER RABE RALF
Nr. 169 - August/September 2012
Die Berliner Umweltzeitung

WASSER
Getrübte Wasserqualität in Europa
Überdüngung und Biomasseproduktion sind die Ursache

von Volker Voss



Wasser ist keine übliche Handelsware, sondern ein ererbtes Gut, das geschützt, verteidigt und entsprechend behandelt werden muss", so steht es in der EU-Wasserrahmenrichtlinie. Doch die Realität sieht anders aus. Der größte Teil der europäischen Gewässer befindet sich entgegen der Wasserrahmenrichtlinie in einem schlechten ökologischen Zustand. Ein besonderes Problem europaweit ist die Überdüngung. Allein in Deutschland stammen 50 Prozent dieser Nährstoffeinträge aus der Landwirtschaft, die dann ins Grundwasser, die Seen, Flüsse und Meere gelangen. Da die Subventionen für die Landwirtschaft jährlich rund 55 Milliarden Euro umfassen und somit der größte Posten im EU-Haushalt sind, ist es eine berechtigte Forderung, dass öffentliche Gelder öffentliche Güter fördern müssen, also die Gewässer in einem guten ökologischen Zustand zu halten sind.

Die Wasserrahmenrichtlinie, seit Ende 2000 in Kraft, gilt als Ordnungsrahmen für den Schutz der Binnenoberflächengewässer, der Übergangsgewässer, der Küstengewässer und des Grundwassers. Ziel sind Schutz und Verbesserung des Zustandes aquatischer Ökosysteme und des Grundwassers einschließlich von Landökosystemen, die direkt vom Wasser abhängen. Das heißt, die nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen zu fördern, die schrittweise Reduzierung prioritärer Stoffe und das Einleiten beziehungsweise Freisetzen gefährlicher Stoffe zu vermeiden. Um eine Reduzierung der Verschmutzung des Grundwassers zu erreichen, ist es außerdem erforderlich, eine integrierte Wasserpolitik in der EU zu entwickeln.

Bedrohte Lebensräume

Die Bedrohung der Artenvielfalt in den Süßwasser-Lebensräumen hat ein alarmierendes Ausmaß erreicht: Über ein Drittel aller Fischarten sind gefährdet, ebenso 44 Prozent aller Weichtiere. Lebensraumzerstörung, Wasserverschmutzung und -übernutzung sowie Überdüngung sind die Hauptursachen für die europaweite Süßwasser-Biodiversitäts-Krise. In der landwirtschaftlich geprägten Kulturlandschaft spielen Bach- und Flussauen, Feuchtgebiete und Kleingewässer eine wichtige Rolle für den Erhalt der aquatischen Biodiversität.

Beispiel Donau: Im südlichen Europa sowie im unteren Donaugebiet hat sich die Wasserqualität derart verschlechtert, dass die Bedrohung der Artenvielfalt schon gefährliche Ausmaße angenommen hat. Die Donau, oft als europäische Lebensader bezeichnet, die zehn Länder miteinander verbindet und die als Transportweg, Wasserreservoir und Erholungsraum ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Anrainerstaaten ist, leidet überproportional an Umweltverschmutzung. Der sukzessive Rückgang vieler Tier- und Pflanzenarten, die früher häufig waren, weist darauf hin, dass Verbesserungsmaßnahmen dringend erforderlich sind. Die Fischfauna erweist sich hier als besonders wichtiger Indikator. Auf den ersten 1.000 km der Donau gibt es 58 größere Wasserkraftwerke, aber nur noch drei nennenswerte freie Fließstrecken. Der Fluss entwickelt sich immer mehr zu einer Aneinanderreihung von großen Stauseen. Dadurch werden Fischwanderungen unterbunden, weil die Stauungen und Wasserkraftwerke meist nicht mit Fischtreppen ausgestattet sind. In Flussabschnitten, die Industriegebiete durchfließen, kam es zu einer merklichen Sauerstoffverarmung. Erster Lichtblick: Nach der Errichtung von Dämmen und Stauseen verbesserte sich der Sauerstoffgehalt leicht.

Nun wurden die Aussichten auf Verbesserung erst mal wieder getrübt. Der Rat der EU-Landwirtschaftsminister plant die Wasserrahmenrichtlinie der Europäischen Union für die Förderperiode 2014-2020 auszuklammern, was bedeutet, dass sich weder Geber noch Empfänger von Subventionen an die vereinbarten Ziele des Gewässerschutzes halten müssen. Dagegen regt sich Widerspruch seitens der Umweltverbände. Michael Bender von der GRÜNEN LIGA, Bundeskontaktstelle Wasser, dazu: "Das heißt, dass die mit großen finanziellen Anstrengungen erzielten Erfolge des Gewässerschutzes der letzten Jahrzehnte dadurch aktiv konterkariert und ein guter Zustand in den meisten Flüssen, Seen, Küstengewässern und Meeren Europas auf lange Sicht verhindert wird."

Die Politik muss handeln

Im Juli wurde der Initiativbericht des österreichischen Abgeordneten, Richard Seeber vom Europäischen Parlament mit großer Mehrheit verabschiedet, der einen Überblick über die Themen gibt, die die Wasserwirtschaft zurzeit beschäftigen und als positiver Schritt in Richtung Verbesserung der Wasserqualität in Europa gewertet werden. Hans-Joachim Reck, Hauptgeschäftsführer des Verbands kommunaler Unternehmen (VKU), weist jedoch darauf hin, dass dieser Initiativbericht für die Europäische Kommission nicht verbindlich ist, "gibt ihr aber klare Hinweise darauf, mit welchen Themen sie im Parlament mit Mehrheiten rechnen kann." Schließlich fordert er, das Ziel des Gewässerschutzes stärker in andere Politikfelder zu integrieren. "Wenn die Landwirtschaft in vielen Regionen der Hauptgrund für das Verfehlen des guten Zustands unseres Grundwassers ist, dann kann eine Lösung des Problems auch nur dort erreicht werden."

Schadensverursacher Biomasse

Stark beeinträchtigt wird die Gewässerqualität auch auf Grund des umweltschädlichen Anbaus von Biomasse. Beispielsweise erreicht der sprunghafte Anstieg der Maismonokulturen für den Biomasseanbau erreicht teilweise dramatische Ausmaße. So wird in einigen Gebieten der Geest in Schleswig-Holstein mittlerweile auf über 50 Prozent der Gemeindefläche Mais angebaut. Der künstliche Maisboom verstärkt im norddeutschen Tiefland Bodendegradation und Erosion, wodurch es zu einem deutlichen Verlust an fruchtbarem Ackerboden kommt. Selbst in ausgewiesenen Schutzgebieten wie zum Beispiel Schorfheide-Chorin wird Silomais auf Flächen des dortigen Biosphärenreservats seit Jahren angebaut.

Die massive Ausweitung des Anbaus von Energiepflanzen verursacht zudem Artensterben. Außerdem werden Gewässerrandstreifen teils illegal umgepflügt und schattenspendende Gehölzsäume am Ufer abgeholzt, ohne dass die Behörden eingreifen. Die Biomasseförderung verschärft den Grünlandumbruch und führt beim Entsorgen der Gärreste zum zusätzlichen Einsatz von Wirtschaftsdünger. Verstärkter Silomaisanbau führt in einigen Gebieten zu erheblichen Belastungen von Grundwasser, kleineren Fließgewässern und Seen, der Küsten- und Meeresgewässer und konterkariert bisherige, bescheidene Erfolge zur Verminderung des Nährstoffaustrags aus landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Die bisherigen Agrarumweltmaßnahmen können die durch den Biomasseanbau verursachten Umweltschäden nicht kompensieren. Die Ziele der Wasserrahmenrichtlinie zur Reduzierung von Stoffeinträgen in die Gewässer werden insgesamt nicht eingehalten. Stattdessen vergrößert sich das Nährstoffproblem. Die ökologische Umgestaltung der Landwirtschaft über alle Landesgrenzen hinweg ist dringend geboten.

Weitere Informationen: www.wrrl-info.de

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Quelle:
DER RABE RALF - 22. Jahrgang, Nr. 169 - August/September 2012, S. 8
Herausgeber:
GRÜNE LIGA Berlin e.V. - Netzwerk ökologischer Bewegungen
Prenzlauer Allee 8, 10405 Berlin-Prenzlauer Berg
Redaktion DER RABE RALF:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 28. August 2012