Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → WASSER


EUROPA/189: Was passiert mit dem EU-Gewässerschutz nach dem Jahr 2027? (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1131 vom 05. Okt. 2018, 37. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Was passiert mit dem EU-Gewässerschutz nach dem Jahr 2027?


Nach drei Bewirtschaftungszyklen müssen die Gewässer in der Europäischen Union bis spätestens 2027 in den "guten ökologischen Zustand" gebracht worden sein. Das Jahr 2027 ist das Enddatum der im Jahr 2000 in Kraft vertretenen EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL). Für Deutschland wird angenommen, dass im Jahr 2027 allenfalls 20 Prozent der Gewässer den "guten ökologischen Zustand" (bzw. das herabgesetzte "gute ökologische Potenzial" an schwer verunstalteten Gewässern [heavely modified waterbodys]) erreicht haben werden. Die EU-Kommission hat jetzt zum "Fitness-Check" der WRRL aufgerufen. Bei der Überprüfung der Praxistauglichkeit der Richtlinie soll angesichts des dürftigen Zielerreichungsgrades auch diskutiert werden, ob nach dem Jahr 2027 weitere Bewirtschaftungszyklen nachgeschaltet werden sollen. Für den 23./24. Sept. 2018 waren die "Wasserdirektoren" - also die AbteilungsleiterInnen Wasserwirtschaft in den zuständigen Ministerien der EU-Mitgliedsstaaten - zu einer Konferenz nach Wien eingeladen worden. Dort sollten die Meinungen der Mitgliedsstaaten zur Zukunft der WRRL eingeholt werden. Auf der Konferenz wurde u.a. bekannt, dass sich die gegenwärtige EU-Kommission nicht mehr zu den Zukunftsperspektiven der WRRL äußern wird. Denn für den Mai 2019 steht die Wahl zum EU-Parlament (EP) und danach die Neuwahl der EU-Kommission an. Realistisch gesehen wird deshalb eine eventuelle Neufassung der WRRL erst zur Mitte der kommenden Legislaturperiode zu erwarten sein. Schon jetzt ist der gesamte Fitness-Check und Review-Prozess zur Überprüfung eines Novellierungsbedarfs der Richtlinie in Zeitverzug geraten. So werden sich die Mitgliedsstaaten voraussichtlich erst im November 2018 zu den Ergebnissen der Wiener Wasserkonferenz äußern. Ursprünglich hatte man vorgesehen, dass die Empfehlungen der Mitgliedsstaaten schon direkt auf der Konferenz auf den Tisch gelegt würden. Zudem wird die Kommission wichtige Berichte - wie über den bescheidenen Status der Umsetzung der WRRL in den Mitgliedsstaaten - erst im Dezember 2019 vorlegen können. Ursprünglich hatte man in Brüssel geplant, die Berichte bereits im Frühjahr 2018 freigeben zu können. Dann hatte man die Veröffentlichung auf Ende des Sommers 2019 geschoben. Dass eine Novelle der Richtlinie erst irgendwann in den 20er Jahren zu erwarten ist, wird die Wasserwirtschaftsverwaltungen der EU-Mitgliedsstaaten in die Bredouille bringen: Denn schon 2019 müssen die Arbeiten zur Erstellung der Bewirtschaftungs-und Maßnahmenpläne für den dritten Bewirtschaftungszyklus 2021 bis 2027 anlaufen. Dann können die Wasserwirtschaftsverwaltungen aber noch gar nicht wissen, ob die Richtlinie ihr Ende im Jahr 2027 finden wird - oder ob sich die Kommission, der Ministerrat und das EU-Parlament irgendwann in den 20er Jahren darauf einigen werden, weitere Bewirtschaftungszyklen nachzuschalten. (Mehr zu den WRRL-Perspektiven auf den nächsten Seiten.)

Erneut eine Debatte um den Staustufenbau Vilshofen-Straubing?

Ein Woche vor der großen Wasserdirektorenkonferenz war das Meeting der Lobbyisten aus der Donauschifffahrt mit den VertreterInnen der EU-Kommission in Wien über die Bühne gegangen: Auf dem Lobby-Event hatte man sich darauf geeinigt, 2,50 Meter Abladetiefe auf der gesamten schiffbaren Donau anzustreben. Eine Abladetiefe für die Frachtschiffe von 2,50 Meter soll auch für das gesamte transeuropäische Binnenschifffahrtsnetz gelten. Ausnahmen - also geringere Abladetiefen - müssen von der EU-Kommission genehmigt werden. Mit diesem Beschluss ist zu befürchten, dass auch der Kampf um den Donausausbau bei Vilshofen-Straubing in eine neue Runde gehen wird. Die klare Perspektive der EU-Kommission: Für die Kohärenz der transeuropäischen Binnenschifffahrtsnetze müssen die Flaschenhälse beseitigt werden ("good navigation status"). Damit wird ferner die noch weitgehend naturbelassene Save weiter unter Ausbaudruck kommen.

Umweltverbände: 2021 müssen die Karten auf den Tisch

Die Umweltverbände in Deutschland und in der EU haben sich dafür ausgesprochen, keine weiteren Bewirtschaftungszyklen nach 2027 zuzulassen. Denn bei einer "Verlängerung" würde der zeitliche Druck auf die Mitgliedsstaaten entfallen, die Vorgaben der Wasserrahmenrichtlinie (2000/60/EG) zügiger als bislang umzusetzen. Mit der Option "Verlängerung der WRRL" würden die Mitgliedsstaaten die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung des "guten ökologischen Zustandes" immer weiter in die Zukunft schieben. Die Umweltverbände verlangen deshalb, dass die Wasserwirtschaftsverwaltungen zum Beginn des dritten Bewirtschaftungszyklus 2021 »die Hosen runterlassen« müssen: Spätestens 2021 müssten alle Maßnahmen deklariert werden, die erforderlich sein werden, um den "guten Zustand" zu erreichen. Nach einem derartigen »Kassensturz« wüsste man zumindest Bescheid, woran es im Gewässerschutz hapern würde. Dann könnte man mit einer Defizitanalyse weiteren politischen Druck aufbauen.

Zumindest bei den Wasserwirtschaftsverwaltungen in den deutschen Ländern und beim Bund sieht man diese Forderung als unangebrachtes und ehrenrühriges Misstrauensvotum an. Dabei würde man sich in den Verwaltungen doch jetzt schon "den Arsch aufreißen", um den Gewässerschutz in Deutschland voranzubringen. Ferner verweist man in den Wasserwirtschaftsverwaltungen darauf hin, dass die Forderung der Verbände kontraproduktive Folgen nach sich ziehen würde. Wegen der faktischen Unmöglichkeit, die Ziele bis 2027 zu erreichen, würden die Mitgliedsstaaten nach Auswegen suchen. Und der probate Ausweg wäre eine Herabsetzung der Ziele: Der "gute ökologische Zustand" würde dann EU-weit auf das "gute ökologische Potenzial" heruntergezoomt - womit dann formal alles paletti wäre. Die Richtlinie ware dann zwar formal gerettet - aber inhaltlich würde weiterhin viel zu wenig passieren. Zudem laufe man in Gefahr, dass das Gesamtpaket der WRRL aufgeschnürt werde könnte, um weitere Verlaschungen vornehmen zu können. Unter dem Verdacht derartiger Absichten stehen die Mitgliedsstaaten, die bei der Umsetzung der WRRL in noch viel größerem Zeitverzug als Deutschland geraten sind.

WRRL: Kommission erkundigt sich nach der Meinung der EU-Bürger

Wie bei neuen Richtlinien bzw. bei der Novelle bestehende Richtlinien inzwischen üblich holt die EU-Kommission auch beim Entscheid über das weitere Schicksal der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in einer Internet-Konsultation die Meinung der Bevölkerung in der EU ein. Den hürdenreichen Zugang zur Konsultation finden RUNDBR.-LeserInnnen über den Link
https://ec.europa.eu/info/law/better-regulation/initiatives/ares-2017-5128184_en

Hürdenreich deshalb, weil man zunächst einen Zugang kreieren muss. Hat man die Registrierung erfolgreich absolviert, kann man seine Meinung zum Erfolg und zum Misserfolg der Richtlinie kundtun. Die Konsultation erfolgt zielgruppenspezifisch. Denn bei der Online-Konsultation wird es zwei Fragebögen geben: ein Fragebogen richtet sich an Hinz und Kunz ein Fragebogen wurde für Fachleute konzipiert.

Schleppender Vollzug der WRRL: Ignoriert die EU-Kommission die Beschwerde der Umwelt-NGOs?

Nach Ansicht der großen Umweltverbände in Deutschland zeigen die Wasserwirtschaftsverwaltung bei der Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) einen viel zu geringen Elan. NABU und BUND haben sich deshalb vor Jahresfrist bei der EU-Kommission über die Schlafmützigkeit in der deutschen Wasserwirtschaftsverwaltung beschwert. Ziel der Beschwerde war es, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik Deutschland wegen Nichtvollzug der WRRL anzustrengen. In den Wasserwirtschaftsverwaltungen von Bund und Ländern hat man die Beschwerde als unfreundlichen Akt aufgefasst. Vor so einem Affront hätte man ja zunächst mal miteinander reden sollen, so die Meinung in Behörden und Ministerien. Derzeit ist zu konstatieren, dass die EU-Kommission auch nach einem Jahr die Beschwerde der Umweltverbände noch mit keiner Zeile gewürdigt hat. In Brüssel ist die Beschwerde wohl in Stapeln von Papier absedimentiert.

Der allgemeine Fragebogen für die interessierte Bevölkerung enthält sehr simple Fragen. Wie bei der Natura2000-Konsultation (siehe RUNDBR. 1060/1) wird es ein Online-Tool geben, auf dem Interessierte mit wenigen Klicks ihre Meinung zur Wasserrahmenrichtlinie mitteilen können. Die Umweltverbände haben ein eigenes Tool gebastelt, mit dem GewässerschützerInnen voraussichtlich ab dem 9. Okt. 2018 vorgefertigte Antworten an die EU schicken können. Auf BUND.net (und den Homepages der anderen Verbände) finden sich weiterführende Infos, damit die Leute wissen was sie unterschreiben und warum das wichtig ist. Das Online-Tool wird vom WWF finanziert, darf aber von allen Verbänden in der Living Rivers Coalition benutzt werden. In der Living Rivers Coalition haben sich maßgebliche Umweltverbände in den EU-Mitgliedsstaaten zusammengefunden, um mehr Drive in die Umsetzung der Richtlinie zu bringen. In Deutschland sind maßgeblich folgende Verbände in der Kampagne zur Wahrung der Wasserrahmenrichtlinie engagiert: BUND, NABU, WWF, GRÜNE LIGA und Deutscher Naturschutzring (DNR).

Im Vergleich zum allgemeinen Fragebogen ist der Expertenfragebogen mit grob 30 Seiten und 54 Fragen deutlich länger geraten. Es wird ihn auch auf Deutsch geben, und jeder kann als Experte mitmachen. Auch zum Expertenfragebogen wird die Living Rivers Europe Koalition eine konsolidierte und umfassende Antwort abgeben - voraussichtlich Anfang 2019. Aktuell liegt die Konsultation nur auf englisch und nur nach dem oben erwähnten Registrierungsprozedere vor. Grüne fragen nach multiresistenten Keimen in Badegewässern Nachdem Befunde über mehrfach resistente Keime in Fließ- und Badegewässern im Frühjahr 2018 in den Medien für große Aufmerksamkeit gesorgt hatten (s. RUNDBR. 999/1-2), hat die Bundestagsfraktion der Grünen nachgefragt, welche Kenntnisse der Bundesregierung hierzu vorliegen. Mit Datum vom 15.06.18 wurde die Bundestags-Drucksache 19/2873 mit der Antwort der Bundesregierung veröffentlicht. Darin äußert sich die Regierung auch zur Frage, welche Gefährdungen durch mehrfach resistente Keime in Badegewässern entstehen könnten:

"Hierzu ist festzuhalten, dass die Entstehung von Antibiotikaresistenzen ein natürlicher Vorgang ist und eine Besiedelung mit antibiotikaresistenten Bakterien in aller Regel die Gesundheit der Menschen nicht beeinträchtigt. Im Falle einer Immunschwächung z. B. durch chronische Erkrankungen, bei dem Vorhandensein von Wunden oder bei Durchbrechung der Körperbarriere durch invasive Maßnahmen kann die Besiedelung mit antibiotikaresistenten Bakterien jedoch dazu führen, dass eine Infektion mit diesen Bakterien entsteht, die schwieriger zu behandeln ist. Die Abschätzung insbesondere zukünftiger Gefahren ist mit Blick auf die Gewässer derzeit kaum möglich. Hierzu fehlen weitergehende Untersuchungen der Gewässerqualität. Weiterhin bleiben die Ergebnisse des Verbundprojekts "HyReKA" über die Verbreitung antibiotikaresistenter Bakterien durch Abwasser des Bundesministeriums für Bildung und Forschung abzuwarten."

Viren und Cyanobakterien in die Badegewässerichtlinie?

In der zuvor genannten Antwort geht die Bundesregierung auch auf die Frage ein, ob künftig zusätzlich Viren in der Badegewässerrichtlinie berücksichtigt werden sollen:

"Die EU-Kommission wird bei der Umsetzung der Badegewässerrichtlinie durch ein Expertengremium unterstützt. Im Jahr 2014 fand eine erste Umfrage zur Überarbeitung der Richtlinie statt, in der die Mitgliedstaaten für sie wichtige Punkte melden konnten. Deutschland hat, neben anderen Mitgliedstaaten, u. a. gemeldet, dass die Aufnahme eines viralen Indikators wichtig wäre. Gemäß Artikel 14 der Badegewässerrichtlinie unterbreitet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat bei der Überprüfung einen Bericht, in dem insbesondere auf
a) die Ergebnisse einer geeigneten epidemiologischen Studie auf europäischer Ebene, die die Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten durchführt;
b) andere wissenschaftliche, analysetechnische und epidemiologische Entwicklungen, die für die Parameter für die Badegewässerqualität von Belang sind, einschließlich in Bezug auf Viren; und
c) die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation (WHO). eingegangen wird. Die Erstellung einer entsprechenden Studie wurde von der der EU-Kommission an die WHO in Auftrag gegeben, deren Ergebnisse dann im Rahmen der Überarbeitung zu diskutieren sein werden. Die Bundesregierung geht davon aus, dass der Wunsch nach einem viralen Parameter dann Berücksichtigung findet."

Zur Frage, ob auch ein Grenzwert für Cyanobakterien in die Badegewässerrichtlinie aufgenommen werden soll, schreibt die Regierung: "Nach õ 8 der Badegewässerrichtlinie müssen bereits jetzt bei Problemen mit Cyanobakterien Maßnahmen ergriffen werden. Zum einen muss bei Badegewässern mit Potenzial für eine Massenvermehrung eine geeignete Überwachung durchgeführt werden. Zum anderen müssen beim Auftreten einer Massenvermehrung unverzüglich Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Vermeidung einer Exposition der Badenden ergriffen werden. Es wird aber in der Richtlinie nicht vorgegeben, wie die Überwachung erfolgen soll. Daher stellt sich für die Novellierung der Richtlinie die Frage, inwieweit genauere Vorgaben zur Überwachung gemacht werden sollen und ob es eine einheitliche Kennzeichnung von Badegewässern mit Cyanobakterienproblemen geben soll. Das Umweltbundesamt (UBA) hat zur Überwachung von Badegewässern hinsichtlich Cyanobakterien eine Empfehlung erarbeitet (Bundesgesundheitsblatt 8/2015, Seite 908-920), die der EU-Kommission bekannt ist." Ferner geht es in der BT-Drs. u.a. auch um die Erhebung von Abwassereinleitungen in Badegewässer und um die Kosten der Behandlung von Patienten, die an mehrfach resistenten Keimen erkrankt sind. (Der jetzigen Anfrage der Grünen war bereits die BT-Drs. 19/1125 vorangegangen, in der sich die BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1131 vom 05. Okt. 2018 Seite 4 Bundesregierung ebenfalls zu multiresistenten Keimen in Gewässern geäußert hatte.)

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1131
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Alfred-Döblin-Platz 1, 79100 Freiburg
Tel.: 0761/45687153, Fax: 0761/45687139
E-Mail: post@regiowasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU
wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 3. November 2018

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang