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FORSCHUNG/399: Forschungsschiff METEOR kommt in die Ostsee (idw)


Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde - 29.05.2012

Forschungsschiff METEOR kommt in die Ostsee



Ihre 87. Expedition führt die METEOR in eines der größten Brackwassermeere der Erde. Fast zwei Monate wird das Forschungsschiff unter Fahrtleitung des IOW in der Ostsee kreuzen und dabei auch dreimal die Hansestadt Rostock anlaufen. Die Wissenschaftler des IOW werden in dieser Zeit unter anderem eine Sommerblüte von Blaualgen sowie die Auswirkungen tauender Permafrostböden auf das mikrobielle Leben in der Ostsee untersuchen.

In ihren 26 Jahren im Dienste der Bundesrepublik Deutschland hat die METEOR schon viel gesehen: den Atlantik von Tromsö bis Kapstadt, das Mittelmeer, das Schwarze Meer und den Indischen Ozean. Nun kehrt das 97,5 Meter lange Forschungsschiff wieder in die "heimatliche" Ostsee zurück, wo ihre Karriere vor einem Vierteljahrhundert mit dem Stapellauf in Travemünde begann.

Wenn die METEOR am 29. Mai im norwegischen Stavanger Richtung Skagerrak ausläuft, hat sie bereits 2 Fahrtabschnitte ihrer 87. Expedition hinter sich: Abschnitt 1 führte das Schiff von Lissabon nach Reykjavik, Abschnitt 2 von dort nach Stavanger. In Norwegen schließlich steigen die Forscher des IOW ein und übernehmen in den 20 bordeigenen Laboren für die kommenden zwei Monate das wissenschaftliche Ruder.

Zunächst wird das Schiff unter Leitung von Dr. Matthias Labrenz die ganze Ostsee vom Skagerrak bis zum Bottnischen Meerbusen durchfahren. "Wir wollen auf dieser Route die Verschiebungen in den Bakteriengemeinschaften entlang des stark abfallenden Salzgehaltsgradienten dokumentieren", sagt Matthias Labrenz. Allgemein spielen Bakterien eine zentrale Rolle im Nährstoffkreislauf der Ostsee. Das Wissen über ihre Verteilung und Aktivität ist daher von grundlegender Bedeutung für das Verständnis des Gesamtsystems. Während der Fahrt nehmen die Wissenschaftler regelmäßig Wasserproben und analysieren das darin enthaltene mikrobielle Leben. "Dazu setzen wir unter anderem unser selbstentwickeltes Schöpfsystem AFIS ein", sagt Labrenz. Im Gegensatz zu einer herkömmlichen CTD-Rosette, können bei AFIS die Wasserproben in den Schöpfflaschen schon in der Probentiefe automatisch fixiert werden. Dadurch bleibt das Aktivitätsmuster in den Genen der Organismen erhalten und wird während des Aufhievens nicht mehr verändert.

"Als Folge der globalen Erwärmung tauen die Permafrostböden in den Polargebieten und Tundren vermehrt ab", sagt Labrenz. "Das setzt wiederum größere Mengen schwer abbaubarer organischer Substanz frei, die zum Beispiel über den nordschwedischen Fluss Kalixälven auch in die Ostsee gelangen." Über das Schicksal dieser Substanz entscheiden dann die Bakterien: Können sie das Material abbauen, landet der darin enthaltene Kohlenstoff letztlich in der Atmosphäre und könnte somit auch das Klima beeinflussen. Verschmähen die Einzeller das organische Material, könnte es einfach in der Ostsee absedimentieren oder in die Nordsee gespült werden. Um zu testen, wie die Bakterien mit den Substanzen umgehen, werden die IOW-Wissenschaftler gefroren eingelagertes Flusswasser aus Nordschweden mit dem gewonnenen Ostseewasser vermischen und die Reaktion der Mikroben analysieren.

Am 11. Juni läuft die METEOR zum ersten Mal Rostock an, um einen Teil der Crew für den nächsten Fahrtabschnitt auszutauschen. Dieser führt das Schiff unter Leitung von Professor Dr. Klaus Jürgens dann ins Gotlandbecken und in die zentrale Ostsee. In größeren Tiefen ist das Binnenmeer hier häufig frei von Sauerstoff. Die Folge: Es bildet sich giftiges Sulfid, das Fischeier, Larven und anderes vielzelliges Leben abtötet - nur Bakterien können unter diesen Bedingungen existieren und das Sulfid wieder abbauen. In einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Physikern und Mikrobiologen wird zum ersten Mal untersucht, inwieweit mikrobiell gesteuerte Prozesse in der Wassersäule durch Einströme und Vermischungen stimuliert werden. Neben der freien Wassersäule sollen auch die Oberflächensedimente durch den Einsatz von sogenannten Multicorern und Kastengreifern beprobt und die mikrobiellen Gemeinschaften darin analysiert werden.

Am 26. Juni kehrt die METEOR dann nach Rostock zurück, um sich für den finalen Abschnitt der Reise zu rüsten. Unter Leitung von Professor Dr. Gregor Rehder bricht das Schiff wieder in die zentrale Ostsee auf, um den Verlauf einer für diese Region typischen sommerlichen Blaualgenblüte zu untersuchen. Die Blüten tragen wesentlich zum Sauerstoffmangel in der zentralen Ostsee bei, indem Algen in großen Mengen in die Tiefe absinken und dort unter Sauerstoffverbrauch mikrobiell abgebaut werden. Dichte "Teppiche" der Blaualgen werden zudem regelmäßig an die Küsten Schwedens getrieben und beeinträchtigen dort zum Beispiel den Tourismus. Trotz umfangreicher Forschung ist noch nicht vollständig geklärt, was die genauen Voraussetzungen für Beginn, Ende und Stärke einer solchen Blüte sind, welche Faktoren das Wachstum limitieren und wie sich die Budgets der beteiligten Nährstoffe verändern.

"Bei diesem letzten Teil der Expedition handelt es sich zeitweilig um ein 2-Schiff-Experiment", sagt Gregor Rehder. "Das IOW-Forschungsschiff Elisabeth Mann Borgese wird die Meteor begleiten und im gleichen Untersuchungsgebiet die turbulenten Mischungsprozesse im Wasser bestimmen." Dazu kreist das IOW-Schiff um die METEOR und wirft ein Sensorennetz, eine sogenannte CTD-Chain, aus, mit der sich die Strömungsstruktur innerhalb der Wassersäule dreidimensional abbilden lässt. Im Zentrum steht dabei die Frage, ob Nährstoffe in den oberflächennahen Bereich der Blaualgenblüte hereingemixt werden und damit das Wachstum der Einzeller beeinflussen. An Bord der METEOR werden parallel dazu an einer festen Station die Nährstoffkonzentrationen in verschiedenen Wassertiefen, die Zusammensetzung der Artengemeinschaften sowie deren Umsatz von Kohlenstoff und Stickstoff bestimmt. Zudem wird auch eine zuvor ausgelegte Sinkstofffalle für spätere Analysen geborgen. "Am Ende stehen dann genaue Stoffbilanzen der Blüte. Wie viel Nährstoffe sind vor der Blüte da, wie viele werden hereingemixt, wie bewegen sie sich in Form von Biomasse durch das System und wie viel davon gelangt wieder durch Abbauprozesse zurück ins Wasser", erläutert Gregor Rehder. Diese Daten sind für Ökosystemmodelle der Ostsee außerordentlich wichtig, denn nur so lassen sich verlässliche Vorhersagen für die künftige Entwicklung der Ostsee machen.

Am 23. Juli schließlich kehrt die METEOR ein letztes Mal in diesem Jahr nach Rostock zurück und beendet damit ihre 87. Expeditionsreise.

Das IOW ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, zu der zurzeit 87 Forschungsinstitute und wissenschaftliche Infrastruktureinrichtungen für die Forschung gehören. Die Ausrichtung der Leibniz-Institute reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Sozial- und Raumwissenschaften bis hin zu den Geisteswissenschaften. Bund und Länder fördern die Institute gemeinsam. Insgesamt beschäftigen die Leibniz-Institute etwa 16.800 MitarbeiterInnen, davon sind ca. 7.800 WissenschaftlerInnen, davon wiederum 3.300 NachwuchswissenschaftlerInnen. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,4 Mrd. Euro, die Drittmittel betragen etwa 330 Mio. Euro pro Jahr. (www.leibniz-gemeinschaft.de)

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Quelle:
Informationsdienst Wissenschaft e. V. - idw - Pressemitteilung
Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, Dr. Barbara Hentzsch, 29.05.2012
WWW: http://idw-online.de
E-Mail: service@idw-online.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 31. Mai 2012