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MELDUNG/173: Assetmanagement in Wasser- und Abwasserbetrieben (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF - Nr. 1142, vom 30. März 2019 - 38. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Assetmanagement in Wasser- und Abwasserbetrieben


Im RUNDBR. 1066/1-2 war berichtet worden, dass bei deutschen Wasserwerkern die Befürchtung virulent war, dass mit der ISO 55001 ein der deutschen Wasserwirtschaft wesensfremde Modell des Assetmanagements übergestülpt werden sollte. Um es gar nicht so weit kommen zu lassen, hatten die in ISO-Normungsgremien mitarbeitenden deutschen Wasserwerker deshalb eine eigenständige Normenreihe kreiert, die das Assetmanagement speziell in Wasserwerken und auf Kläranlagen sowie in Trinkwasserversorgungsnetzen und Kanalisationen regeln soll. Die hierzu teilweise schon verabschiedete Normenreihe 24516 (Teile 1 bis 4) ist im Gegensatz zur ISO 55001 mehr technisch ausgerichtet - also auf das Management der technischen Anlagen in Wasser- und Abwasserbetrieben. Bei der ISO 55001 handelt es sich demgegenüber um eine Managementsystemnorm, die auch die immateriellen Werte des Unternehmens zum Gegenstand hat, also beispielsweise den (guten) Ruf des Unternehmens. Die ISO 55001 stellt die Frage nach den allumfassenden Unternehmenszielen, an denen sich die gesamte Firmenpolitik zu orientieren habe. Inzwischen werden Zweifel an der Anwendungsbreite der ISO 55001 laut. In Deutschland gibt es schon mal gar keine Auditoren (Prüfer) für die 55001. Demzufolge ist noch kein Dienstleistungsunternehmen bekannt, das in Deutschland nach der ISO 55001 zertifiziert worden wäre. Nur aus Österreich ist übermittelt worden, dass dort der TÜV Austria die Österreichischen Bundesbahnen nach der ISO 55001 zertifiziert habe. Aber auch die Anwendungsbreite der speziell auf die Siedlungswasserwirtschaft zugeschnittenen 24516er-Normenfamilie ist noch äußerst bescheiden. Bisher befassen sich nur die üblichen Verdächtigen mit dem werterhaltenden Management ihrer Assets - also beispielsweise Gelsenwasser, Hessenwasser und die Harzwasserwerke sowie einige wenige große Stadtwerke.

Wozu überhaupt Management der Assets?

Das Management der Assets zielt auf den wirtschaftlichen Anlagenerhalt ab. Es soll somit verhindert werden, dass Anlagen auf Verschleiß gefahren werden. Abhängig von wirtschaftlichen Kriterien und der prognostizierten Lebensdauer von Anlagen und Komponenten kann "objektiv" festgelegt werden, wann welche Erhaltungsinvestitionen getätigt werden müssen - zumindest objektiver als wenn diese Entscheidungen aus dem Bauchgefühl heraus getätigt werden. Die Hoffnung: Der "objektiv" herausgearbeitete Investitionsbedarf könne dann auch besser dem Bürgermeister, den Werksausschüssen und dem Gemeinderat vermittelt werden. Beim nachhaltigen Werterhalt der Assets soll zudem das Geld so effizient wie möglich eingesetzt werden. Die Normenfamilie 24516 soll dabei helfen, die Wartung der Anlagen - und ggf. die Neuinvestition - nach einem standardisierten Verfahren abzuwickeln. Damit soll dann auch ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess (KVP) angestoßen werden.

Noch offen ist die Frage, wie man das Management der Assets für die kleineren Wasserversorgungsunternehmen mit 10.000 bis 50.000 KundInnen praxisgerecht so aufbereiten kann, dass "die Kleinen" das Management der Assets auch nutzbringend anwenden können. Die "KMU-Wasserwerke" würden bis jetzt noch allzu oft nur eine "ereignisabhängige Unterhaltung" praktizieren: Repariert wird erst, wenn etwas kaputt gegangen ist und nicht mehr funktioniert. Damit das anders wird, müssten "die Kleinen" zunächst mal ihre Bestandsdaten systematisch erfassen.

"Wie alt sind Eure Anlagenkomponenten?"

Trivial ist das nicht, weil die Anlagen (Pumpen, Windkessel, Behälter usw.) oft auch mit Mess- und Steuerelektronik bestückt sind. Und bei diesen Komponenten sind die Erneuerungszeiten viel kürzer. Vorstellbar ist, dass die Deutsche Vereinigung des Gas- und Wasserfachs (DVGW) hierzu einen technischen Leitfaden erstellt. Dazu müsste sich aber erst mal eine Crew erfahrener WasserwerkerInnen bereit- und zusammenfinden. Die Crew könnte dann auch gleich Schulungen für "die Kleinen" anbieten.

Hingewiesen wird in der diesbezüglichen Debatte ferner darauf, "dass die kleinen und mittleren Wasserversorger doch eh mit ihrem jeweiligen Wald- und Wiesen-Ingenieurbüro verheiratet sind". Wenn diese Ingenieurbüros also ohnehin die Planungstätigkeiten - für meistens eine ganze Gruppe von Wasserversorgern in der jeweiligen Region - erledigen, "dann könnten doch die Ingenieurbüros das Management der Assets gleich mit übernehmen".

(Noch mehr zum Asset-Management à la ISO 55001 und zum Asset-Management in der Wasserwirtschaft kann in den BBU-WASSER-RUNDBRIEFEN Nr. 971/1 968/3, 932/1, 901/1, 892/1-2 und 870/1 nachgelesen werden.)

Setzt der Glasfaserausbau die Wasserversorger unter Zeitdruck?

Bereichert wird die Assetmanagement-Diskussion zudem mit dem Hinweis, dass eine systematische Rohrnetzerneuerung schon daran scheitern wird, dass die Rohrleitungsrehabilitierung derzeit unter Zeitdruck stehe: Überall würden Glasfaserkabel verlegt oder die Verlegung stehe demnächst an. Da komme die Erwartung auf, dass die Wasserversorger die Chance der aufgerissenen Straßen und Gehwege nutzen sollten, um gleich neue Leitungen miteinzuziehen - unabhängig davon, ob die Leitungen voraussehbar nur noch fünf oder sogar noch 20 Jahre halten. Es gibt aber auch die Meinung, dass das Internet künftig mehr und "via air" gehen wird. Also kein Zeitdruck, weil das Verlegen von Glasfaser dann immer weniger Stand der Technik sein wird.

Glasfaserausbau "ohne Sinn und Verstand"

Es gibt im Vergleich zum zuvor Erwähnten aber noch einen ganz anderen Blick auf den Glasfaserausbau: Eine fahrlässige Gefährdung der unterirdischen Ver- und Entsorgungsleitungen wirft der Präsident des Rohrleitungsbauverbandes e.V. (rbv) den Auftraggebern beim Glasfaserausbau vor. Im Editorial der energie-wasser-praxis 2/2019 schreibt Fritz Eckard Lang, dass die unsachgemäße Verlegung von Glasfaserleitungen "bereits heute immer häufiger zu Schäden an vorhanden Gas- und Wasserleitungen" führen würde - und weiter:

"Hier wird ohne Sinn und Sachverstand und ohne Rücksicht auf Verluste bei den bereits vorhandenen Trassen ein neues Netz in den Boden gestampft. Das darf so nicht passieren (...)"

Die Ver- und Entsorger hätten "über Jahrzehnte ein flächendeckendes Netz von Ver- und Entsorgungsleitungen gebaut, welches zu den größten Anlagenvermögen der Bundesrepublik gehört und ein unverzichtbarer Grundstein unseres Gemeinwohls ist."

Leitungsbauer hätten "generationsübergreifende Werte geschaffen, die wir nicht leichtfertig aufs Spiel setzen werden" verspricht der rbv-Chef. Gegen die Beschädigung der unterirdischen Infrastruktur durch einen Wildwuchs beim Glasfaserausbau würden sich sowohl die Ver- und Entsorger als auch die Rohrleitungsbauer "mit allen Mitteln" verwahren. Als "die übelste Spielart" beim unsachgemäßen Breitbandausbau bezeichnet es der Präsident des Rohrleitungsbauverbandes, dass angesichts des Zeit-und Kostendrucks mit den Baumaßnahmen "schnell verfügbare, augenscheinlich günstigere, aber nicht mit den deutschen Verhältnissen vertraute Unternehmen aus dem europäischen Ausland" betraut würden. Wer unqualifizierte Firmen mit dem Glasfaserausbau beauftragen würde, müsse zur Kenntnis nehmen, dass "Schäden an den bereits vorhandenen Gas- und Wasserleitungen sowie Stromkabeln vorprogrammiert" seien. Das ganze Editorial kann unter der Überschrift "Nur gemeinsam kann der flächendeckende Ausbau der digitalen Infrastruktur gelingen" auf S. 3 der DVGW-Verbandszeitschrift nachgelesen werden.

Wasserverluste mit "Druckmanagement" minimieren

In dem Zusammenhang mit der zuvor genannten Rohrnetzrehablitierung könnte es von Interesse sein, dass bei der Internationalen Normungsorganisation (ISO) derzeit eine Norm zum Management bei der Reduzierung von Wasserverlusten in Trinkwasserversorgungssystemen in Arbeit ist. In der Working Group 6 des Technischen Komitees 224 der ISO verhandeln Experten über die Details der geplanten ISO 24528 "Water loss". Bei deutschen Experten ist es auf Erstaunen gestoßen, dass in südeuropäischen Ländern und bei nicht wenigen Consultern das Druckmanagement als probates Mittel zur Einschränkung von Wasserverlusten aus löchrigen Wasserversorgungsystemen anerkannt wird: Während der Nacht wird der Druck im Leitungssystem abgesenkt. Mit abnehmendem Druck quillt automatisch weniger Trinkwasser aus dem schadhaften Leitungssystem aus. Mit dieser schlitzohrigen Herangehensweise kann man sich dann bestätigen lassen, dass man im Jahresmittel erfolgreich die Wasserverluste um X Prozent reduziert hat. Deutsche Rohrnetz-Experten setzten sich in der Working Group 6 dafür ein, dass es demgegenüber auf die tatsächliche Rehabilitierung des Leitungssystems ankommen muss. Druckmanagement dürfe allenfalls nur als vorübergehende Nothilfemaßnahme anerkannt werden. Hohe Wasserverluste seien immer ein Hinweis auf einen schlechten Systemzustand. Somit bestehe auch hier eine Verbindung mit dem oben genannten Management von Assets, damit die unterirdische Infrastruktur nicht einen fortschreitenden Substanzverlust erleidet. Ein Druckmanagement wäre in Deutschland schon wegen der Löschwasserbereitstellung über das Trinkwasserversorgungssystem ein Problem (siehe RUNDBR. 1134/4). Aber in anderen Ländern gibt es teilweise separate Löschwasserleitungen. Eine Rolle spielen in der geplanten ISO-Norm auch betriebswirtschaftliche Aspekte: Ab wann lohnt sich eine Leckagesuche und das Abstellen von Wasseraustritten überhaupt? Kann man bei Wasserreichtum sowie bei preisgünstiger Förderung und Aufbereitung hohe Wasserverluste tolerieren? Die betriebswirtschaftliche Sicht spielt auch im DVGW-Arbeitsblatt W 392 eine Rolle - siehe:
https://www.dvgw.de/themen/wasser/netze-und-speicherung/wasserverlust-in-rohrnetzen/

Sinngemäß wird in W 392 angedeutet, dass man die Verhältnismäßigkeit bei der Leckagebekämpfung in Stuttgart (Versorgung mit vergleichsweise teurem Fernwasser) und in München (ergiebige eigene Wasserressourcen) unterschiedlich beurteilen müsse. Wir haben darauf hingewiesen, dass Leckagen unabhängig von betriebswirtschaftlichen Erwägungen auch ein hygienisches Risiko beinhalten können: Dort wo Trinkwasser aus defekten Leitungen austritt, können (krankmachende) Keime ins Netz eindringen (s. 1014/1). Dem wird entgegengehalten, dass man zumindest in Deutschland noch nie eine Korrelation zwischen den Rohrnetzverlusten und Leckagen mit wasserbürtigen Krankheiten habe nachweisen können. Gibt es RUNDBR.-LeserInnen, die dazu andere Infos bereitstellen können?

Wasserdiebstahl als wesentliche Ursache für Wasserverluste?

Uns war aufgefallen, dass im ersten Entwurf der geplanten ISO 24528 "Water loss" die Wasserverluste in erster Linie auf das illegale Abzapfen von Wasser aus dem Leitungssystem (Wasserdiebstahl) zurückgeführt worden sind:

"Water loss can be the result of unauthorised water use, which occurs through deliberate actions of customers or other users who draw water from the system without paying for it. Water losses can take many forms, including illegal connections, illegal reconnections of disconnected customers, meter by-passes, meter tampering and illegal connections to fire hydrants."

Inzwischen ist auf unsere Anregung hin die Darstellung der Kunden als verschlagene Wasserdiebe stark relativiert worden.

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Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1142
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
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© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 11. Mai 2019

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