Schattenblick → INFOPOOL → UMWELT → WASSER


RECHT/054: Amtsarzt setzt sich gegen Wasserversorger vor Verwaltungsgericht durch (BBU WASSER-RUNDBRIEF)


BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063, vom 02. Mai 2015 - 34. Jahrgang

regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU)

Amtsarzt setzt sich gegen Wasserversorger vor Verwaltungsgericht durch


Im WASSER-RUNDBRIEF ist bereits mehrfach ein bislang beispielsloser Konflikt zwischen dem Gesundheitsamt im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen auf der einen Seite und der Trinkwasserversorgung in Königsdorf und den benachbarten Stadtwerken Geretsried auf der anderen Seite vorgestellt worden. Beide Seiten konferieren seit Anfang 2014 nur noch über Verwaltungsgerichte und indirekt über die Medien. Grund der eskalierenden Konfliktlage zwischen dem Amtsarzt und den beiden Wasserversorgern war und ist die unterschiedliche Einschätzung notwendiger Aufbereitungsmaßnahmen in der Trinkwasserversorgung von Königsdorf und in Geretsried (s. RUNDBR. 1035/3). Beide Wasserversorger nutzen ein gemeinsames Grundwasservorkommen, das nur minimale Deckschichten aufweist. Aufgrund der latenten Gefahr von Keimeinbrüchen - auch von Kryptosporidien - hatte der Amtsarzt im Herbst 2013 ein Abkochgebot und die Anordnung zur Chlorung verhängt. Beide Maßnahmen müssten so lange fortgeführt werden, bis die beiden Wasserversorger eine Membranfiltration installiert hätten. Die beiden Wasserversorger sahen vor allem die Verpflichtung zur Membranfiltration als unverhältnismäßig an -und reichten getrennt Klage gegen den »Sofortvollzug« der Auflagen aus dem Landratsamt ein. Sowohl das zuständige Verwaltungsgericht als auch der bayerische Verwaltungsgerichtshof bestätigten im letzten Jahr die Auflagen des Landratsamtes.

Im März 2015 wurde jetzt auch das Urteil im Hauptsacheverfahren veröffentlicht. In dem bemerkenswerten Urteil hat das Verwaltungsgericht München die Klagen der Stadtwerke Geretsried und der Gemeinde Königsdorf gegen die Bescheide des Landratsamtes vollumfänglich abgewiesen (siehe PM des Landratsamtes vom 12.03.15). In der Regionalausgabe der Süddt. Ztg. vom 13.03.15 wurde der Geretsrieder Stadtwerkeleiter Jan Dühring zitiert, der es als "verwunderlich" einstufte, "dass der Gerichtsbeschluss ohne fachliche Begutachtung der Problematik gefasst" worden sei. Offenbar würde dem Urteil nur eine juristische Begründung zugrunde liegen. Er finde es "spannend, inwiefern dieses Urteil Auswirkungen auf die Wasserwirtschaft im Allgemeinen" habe. Konkret sei damit gemeint, dass nun jede Kommune mit Keimbelastung eine Ultrafiltrationsanlage bauen müsste. Tatsächlich gibt es inzwischen Stimmen, die fordern, dass sich wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Kontroverse in Oberbayern die Trinkwasserkommission beim Umweltbundesamt mit dem Fall befassen müsse. Ob Geretsried in Revision gehen werde, hänge von der Auswertung der schriftlichen Urteilsbegründung ab, hieß es bei den Stadtwerken.

Erschlägt der Besorgnisgrundsatz alle anderen Argumente?

Königsdorfs Bürgermeister Anton Demmel hatte lt. SZ erklärt, er könne "mit jedem Urteil leben". Demmel habe in dem Beschluss des Gerichts "Positives wie Negatives" gesehen. Schlecht sei, dass die Beteiligten "die fachliche Frage ungeklärt mit ins Grab nehmen, weil der Besorgnisgrundsatz alle anderen Argumente erschlagen" habe. Auf der anderen Seite könne er dem Urteil eine positive Seite abgewinnen, weil jetzt endlich Planungssicherheit herrschen würde. Damit wären die Vorplanungen der letzten Monate für die Errichtung einer Ultrafiltration nicht umsonst gewesen - kurzum: "Lieber eine falsche Entscheidung als gar keine", sagte Demmel gegenüber der SZ. Die Ultrafiltrationsanlage, der die bestehende UV-Anlage nachgeschaltet werden soll, könnte nach bisheriger Planung im Herbst 2016 in Betrieb gehen. Demmel bezifferte die Installationskosten auf über 3,5 Millionen Euro und die jährlichen Betriebskosten auf 500 000 Euro.

"Nach momentanem Stand werden es für die Königsdorfer wohl um die 20 Cent pro Kubikmeter mehr werden, für die Geretsrieder prophezeit Dühring rund 30 Cent mehr", zitierte die SZ den Bürgermeister zum erwarteten Anstieg der Kubikmeterkosten.

Knatsch zwischen Parteifreunden auf Grund der Trinkwasserkontroverse

Der Bürgermeister habe sich zudem verbittet geäußert, weil in der Causa Trinkwasser "vor allem die traurige Vorgeschichte im Kopf bleiben wird" gab die SZ die Gemütslage von Bürgermeister Anton Demmel wieder. Das Urteil sei nicht das Problem, "aber die Art und Weise, wie es vor Gericht kam, war mit Sicherheit eines". Die politische Konsequenz habe er im Januar 2015 mit seinem Austritt aus der Kreistagfraktion der Freien Wähler gezogen. Anlässlich seines Austritts aus der Fraktion hatte BM Demmel schwere Vorwürfe gegenüber Landrat Josef Niedermaier geäußert. Niedermeier gehört ebenfalls des Freien Wählern an. Das Vorgehen des Landrates gegen ihn als Bürgermeister von Königsdorf sei "nicht mehr tolerierbar". Es gehe "um die Art und Weise", wie man im Hinblick auf die Keimbelastung des Trinkwassers miteinander umgegangen sei. So habe es ein internes Schriftstück aus dem Landratsamt gegeben "mit der Anweisung, nach strafrechtlich relevanten Hinweisen gegen die Gemeinde Königsdorf zu suchen", so der Rathauschef in der Pressekonferenz, in dem er seinen Austritt aus der Kreistagsfraktion der Freien Wähler begründet hatte. Dieses Schreiben liege ihm vor. "Wenn man etwas gefunden hätte, hätte man es gnadenlos durchgezogen, um mich anzugreifen." Weiter habe er, Demmel, eine Bußgeldanhörung erhalten. Grund sei eine angeblich nicht gemeldete Wasserprobe gewesen. Mögliche Strafe: 25.000 Euro. Später habe sich der Vorwurf als nicht zutreffend herausgestellt, zitierten die lokalen Medien BM Demmel. Laut dem Bürgermeister soll es noch mehr solcher Vorkommnisse gegeben haben. "Wenn ich alles aufzählen würde, würde mir keiner glauben." An eine Reihe von Zufällen glaubt der Bürgermeister nicht: "Das hatte System", sagte Demmel dem Münchener Merkur vom 29.01.2015. Und die SZ berichtete, dass sich der Bürgermeister wegen der Vorfälle im Gefolge der Trinkwasserkrise inzwischen "falsch im System Niedermaier" fühlen würde. Demmel habe den Eindruck, der Landrat wolle ihn "persönlich und privat vernichten".

Königsdorf/Geretsried: Der Amtsarzt auf You Tube

Bereits im letzten Jahr war der Amtsarzt im Landkreis Bad Tölz/Wolfratshausen einen etwas ungewöhnlichen Weg gegangen, um seine umstrittenen Anordnungen gegenüber einem breiten Publikum zu begründen. Er hatte ein Video in You Tube eingestellt, in dem er erläuterte, warum er im Interesse immungeschwächter Bevölkerungskreise auf den unpopulären Maßnahmen bestehen müsse. Der Videoauftritt ist inzwischen aktualisiert worden. Interessierte LeserInnen des WASSER-RUNDBRIEFS können das Video des Landratsamtes mit Amtsarzt Franz Hartmann unter [1] anschauen.


[1] https://www.youtube.com/watch?v=djQo6r_NgnI&feature=youtu.be%2F

*

Quelle:
BBU-WASSER-RUNDBRIEF Nr. 1063
Herausgeber:
regioWASSER e.V. - Freiburger Arbeitskreis Wasser
im Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz e.V. (BBU),
Rennerstr. 10, 79106 Freiburg i. Br.
Tel.: 0761 / 27 56 93, 456 871 53
E-Mail: nik[at]akwasser.de
Internet: www.akwasser.de, www.regioWASSER.de
 
Der BBU-WASSER-RUNDBRIEF kann abonniert werden durch Voreinzahlung
von 30 Euro für 30 Ausgaben auf das Postbankkonto Arbeitsgruppe
Wasser, Kto-Nr. 41952 757, Postbank Klrh., BLZ 660 100 75.
 
Meinungsbeiträge geben nicht in jedem Fall die Position des BBU wieder!
Die Weiterverwendung der Informationen in diesem RUNDBRIEF ist bei
Quellenangabe (!) erwünscht!
© Freiburger Ak Wasser im BBU


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2015

Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang