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SCHADSTOFFE/088: Biologisches Testverfahren zum Nachweis von hochgiftigem Arsen im Grundwasser (UFZ-Spezial)


Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt

Leben retten mit dem Leuchtkäferprinzip

von Annegret Faber



"Etwa 50 Forschergruppen auf der ganzen Welt haben sich an diesem Problem die Zähne ausgebissen", sagt Umweltmikrobiologe Prof. Dr. Hauke Harms. "Wir hatten den längsten Atem - auch deshalb, weil uns die Helmholtz-Gemeinschaft den Rücken frei gehalten hat. Dadurch sind wir die Ersten, die es mit Bioreportern bis in die Anwendung geschafft haben". Es geht um ein biologisches Testverfahren, mit dem man einfach und schnell hochgiftiges Arsen im Grundwasser nachweisen kann.

Hauptakteure bei dieser Methode sind genmodifizierte Bakterien, die bei Kontakt mit Arsen zu leuchten beginnen. Daher auch der Name des Biosensors - ARSOlux. Die Wissenschaftler verwenden Kolibakterien, denn diese können sich gegen toxische Stoffe zur Wehr setzen. Sie schalten einen Abwehrmechanismus ein, der den Stoff, der in die Zelle eindringt, immer wieder rauspumpt. Dieser Schalter ist mit einer Lichtquelle gekoppelt. Sobald die genveränderten Bakterien mit Arsen in Kontakt kommen, produzieren sie Licht. Ein Spektakel im Reagenzglas. Das "Luminometer", ein Gerät so groß wie ein Tischtelefon, misst die Leuchtkraft der Bakterien und rechnet es in Arsenmengen um. Die Methode ähnelt dem Leuchtkäferprinzip. In der Natur spricht man von Biolumineszenz. Die Raffinesse ist, dass die Forscher zwei unterschiedliche Systeme zusammengebracht haben: Ein Abwehr- und ein Signalsystem. Eine Person kann 160 Tests pro Tag durchführen - von der Probensammlung bis zu deren Auswertung. "Das ist bislang unschlagbar" resümiert der Wissenschaftler Harms.

Seit 1995 befasst sich Hauke Harms mit der genetischen Reaktion von Bakterien auf Schadstoffe - damals noch an der Schweizer Universität in Lausanne, zusammen mit dem Mikrobiologen Prof. Dr. Jan Roelof van der Meer. Die beiden Forscher waren sich einig, dass genveränderte Bakterien nicht in die Umwelt gelangen dürfen. Deshalb musste die Frage nach der Notwendigkeit einer solchen Erfindung gestellt werden. "Schnell wurde uns klar, dass nur ein sehr gravierendes Problem die Anwendung derart gentechnisch veränderter Organismen rechtfertigen kann", blickt Hauke Harms zurück. Auf das gravierende Problem stießen die Forscher im Jahr 2000: Arsen im Grundwasser, das in den meisten Fällen durch natürlich vorhandene geologische Gegebenheiten oder Bergbauaktivitäten der Menschen dort hinein gelangt. Da, wo es kein Trinkwassernetz gibt und das Wasser ungefiltert aus dem Boden geholt wird, erkranken die Menschen - typisch sind schwere Hautschäden und Funktionsstörungen von Niere und Leber bis hin zu Krebs. Nach Schätzungen der WHO müssen weltweit zirka 150 Millionen Menschen mit arsenbelastetem Trinkwasser leben, insbesondere in Ländern wie Bangladesch, Nepal, Indien, Vietnam oder der Mongolei.

2004 kam Hauke Harms ans UFZ nach Leipzig und kümmerte sich unter anderem um die Implementierung des Tests in die Praxis. Das hieß: ARSOlux sollte raus aus dem Labor, hin zu den "Arsen-Brennpunkten" der Welt. Und bedeutete: Internationale und lokale Genehmigungsbehörden sowie Organisatoren von Messkampagnen in den betroffenen Ländern mussten vom Sensor überzeugt werden. Ein Unterfangen, das für alle Beteiligten Neuland war und sich als außerordentlich langwierig und mit den typischen Zeitläufen wissenschaftlicher Projektfinanzierung nicht immer vereinbar erwies. "Das Interesse in den betroffenen Ländern ist zwar meistens groß", ergänzt ARSOlux-Teamleiterin Sonja Hahn-Tomer, "aber konkrete Zusagen sind schwer zu bekommen. Denn in den meisten betroffenen Ländern stehen Arsenvergiftungen nicht an erster Stelle der Agenda. Diesen Platz nehmen Hunger und Umweltkatastrophen ein". Zudem werden die genveränderten Bakterien oft mit Misstrauen betrachtet. "Macht es doch erst einmal in eurem Land" ist ein Argument. Das geschah 2011 mit einer Messkampagne in Sachsen, durch die die Wissenschaftler Vertrauen aufbauen wollen. Eine echte Gefährdungslage durch die im Biotest eingesetzten Bakterien gibt es zu keinem Moment, betont Harms. "Die verwendeten E. coli K12 sind harmlose Laborbakterien und würden in der Natur kaum überleben."

2010 wurde die ARSOlux-Forschung auf ganz besondere Weise honoriert. Das deutschschweizerische Forscherteam bekam den mit 50.000 Euro dotierten Erwin Schrödinger-Preis für herausragende interdisziplinäre Forschung verliehen.

UFZ-Ansprechpartner:

Leiter Dept. Umweltmikrobiologie

e-mail: hauke.harms[at]ufz.de

Bildunterschriften der im Schattenblick nicht veröffentlichten Abbildungen der Originalpublikation:
Kommen bestimmte genveränderte Bakterien mit Arsen in Kontakt, beginnen sie zu leuchten. Die Leuchtkraft der Bakterien gibt Auskunft über die Arsenkonzentration im Wasser.

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Quelle:
UFZ-Spezial Oktober 2012: Chemikalien in der Umwelt, S. 23
Herausgeber:
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH - UFZ
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veröffentlicht im Schattenblick zum 1. Januar 2013