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MÄRCHENKOCH - SUPPE/004: Süße Hafergrütze (SB)


DAS SINGENDE SCHWERT


Es waren einmal drei Prinzen, deren Vater war gestorben und sie regierten gemeinsam das Land. Eines Tages, sie saßen gerade beisammen und ließen sich ihre süße Hafergrütze schmecken, trat ein Bote vor sie hin. Er brachte die Kunde, daß der Feind sich anschicke, in ihr Reich einzufallen, um es zu erobern.

Der älteste Prinz meinte, es wäre an ihm, an der Spitze einer Kriegsschar hinauszuziehen und den Feind das Fürchten zu lehren. Tief in seinem Herzen aber war er ehrgeizig und herrschsüchtig und hoffte, in der Schlacht genug Ruhm zu erwerben, um eines Tages allein König zu sein.

Als er, gefolgt von seinen Soldaten, in den Streit zog, kam er unterwegs an einer Schmiede vorbei. Der Schmied stand vor der Tür und winkte den Prinzen zu sich heran.

"Was willst du von mir, Schmied?" fragte der Prinz hochmütig.

"Ich habe gehört, daß Ihr in den Krieg ziehen wollt und dachte mir, Ihr würdet sicherlich ein gutes Schwert brauchen", entgegnete der Schmied.

"Ich habe bereits ein Schwert", wies der Prinz den Schmied in barschem Ton zurecht.

"Aber nicht ein Schwert wie dieses", widersprach ihm der Schmied und zog ein Schwert hervor, dessen blanke Schneide so rot loderte, als wäre sie aus Feuer.

"Dieses Schwert ist wie für Euch geschaffen. Es wird Euch zum wahren Herrscher des Reiches machen, weil es jene Kräfte weckt, die in Eurem Herzen schlummern."

"Was willst du dafür haben?" frage der Prinz mit begehrlichem Blick.

"Macht mir die Freude, und nehmt es als Geschenk von mir an", erwiderte der Schmied. Dann überreichte er dem Prinzen das Schwert, der damit stolz von dannen zog.

Schon bald hatte sich um ihn ein gewaltiges Heer geschart, denn jeder wollte dem Prinzen mit dem Flammenschwert dienen. So war es ihm ein leichtes, den Feind zurückzuschlagen.

Doch durch das Schwert waren der Ehrgeiz und die Herrschsucht des Prinzen angewachsen, und so konnte er sich nicht mehr dazu entschließen, das Reich mit seinen beiden Brüdern zu teilen. Er wollte es endlich für sich allein haben. Also rüstete er sich zu einem weiteren Kriegszug, und diesmal gegen seine eigenen Brüder.


*


Als die Brüder davon hörten, waren sie sehr aufgebracht. Der zweitälteste aber sprach zu dem jüngsten Prinzen: "An Besitztümern liegt mir nicht viel, doch ich liebe den Kampf für die Freiheit und will mein eigener Herr bleiben. Daher werde ich nicht stillhalten und der Untertan meines eigenen Bruders sein. Und weil sein Herz nur kleinlichen Ehrgeiz und keinen wahren Heldenmut kennt, werde ich ihn und seine Mannen hinwegfegen wie trockenes Laub."


*


Nachdem der zweite Prinz sich auf den Weg gemacht hatte, gelangte auch er an die Schmiede, und wieder stand der Schmied davor und winkte ihn zu sich heran.

Der Prinz preschte auf seinem Rappen herbei, der sich vor dem Schmied wiehrend aufbäumte.

"Was willst du, Schmied?" rief der Prinz mit wildem Lachen, und sein Pferd riß scheppernd Töpfe und Tiegel um, die zum Verkauf an der Straße standen.

"Ich habe ein Schwert für Euch", antwortete der Schmied furchtlos.

Der Prinz zog blitzschnell sein eigenes Schwert hervor und ließ es dicht am Kopf des Schmieds vorbeisausen.

"Ist dieses etwa nicht gut genug, um das Heer meines Bruder zu besiegen", lachte der Prinz und seine Augen sprühten vor Kampfeslust.

"Nicht so gut wie dieses hier", widersprach der Schmied gelassen und zog ein Schwert hervor, von dessen grauem Stahl eine solche Kraft ausging, als wohne darin ein Orkan. "Erst dieses Schwert vermag Eure wahren Talente hervorzubringen."

"Wohlan denn", brüllte der Prinz begeistert auf, riß dem Schmied das Sturmschwert aus der Hand und jagte mit ihm davon.

Auch er hatte bald ein Heer um sich geschart, das noch weit größer als die Streitmacht seines Bruders war, denn wer ihm begegnete, wurde von seiner Wildheit und Kampflust mitgerissen und konnte sich nichts Schöneres mehr vorstellen, als ihm in die Schlacht zu folgen.

Wie ein wütender Sturm fegte er denn auch über die Soldaten seines Bruders hin, die in alle Himmelsrichtungen davonstoben. Doch weil das Schwert in ihm den unbezähmbaren Drang geweckt hatte, Grenzen niederzureißen und vorwärts zu stürmen, fiel er mit seinem Heer auch in die Reiche befreundeter Könige ein und brachte ihnen Tod und Verwüstung.


*


Der jüngste Prinz was sehr betrübt, als er erfuhr, daß sein zweitältester Bruder mit seinen wilden Horden friedliche Nachbarn überfiel. Und weil es nun einmal sein Bruder war, fühlte er sich verantwortlich, seinem Treiben Einhalt zu gebieten. Sein Herz war von Trauer erfüllt und er wußte nicht, wie er es beginnen sollte, den Bruder zur Vernunft zu bringen. Dennoch machte er sich auf den Weg, doch fand er keine Soldaten, die ihm folgen wollten.

Als auch er an der Schmiede vorüberkam, stand wieder der Schmied vor der Tür und winkte ihn zu sich heran. Der Prinz wünschte ihm einen guten Tag und fragte ihn, ob er nicht ein passendes Schwert für ihn hätte. Er habe bisher keines besessen und hätte auch kein Verlangen danach, doch er müsse seinem wilden Bruder Einhalt gebieten.

Da sagte der Schmied: "Ich habe ein Schwert für Euch, das wird jene Kräfte erwecken, die jetzt noch in Euch schlummern und die Ihr dringend brauchen werdet."

Aus einem Schuppen neben der Schmiede holte er ein Schwert hervor, das war rostig und schartig und würde nicht einmal einem einfachen Knappen Furcht einflößen.

"Es ist alt und stumpf", zuckte der Prinz gleichmütig die Achseln, "aber mir soll es schon genügen. Was wollt Ihr dafür haben, guter Mann?"

"Dafür verlange ich nichts", entgegnete der Schmied und überreichte dem Prinzen mit einer Verbeugung das schartige Schwert, als wäre es eine besonders edle Waffe.

Der Prinz nahm das Schwert, dankte dem Schmied noch einmal und zog dann weiter, um sich seinem Bruder entgegenzustellen. Nachdem er lange geritten war, sah er schließlich in der Ferne eine gewaltige Staubwolke herannahen, die das Kriegsheer seines Bruders verbarg. Da zog er sein Schwert, nahm es in beide Hände und wartete.

Bald sah er seinen Bruder auf dem schwarzen Rappen, der das Sturmschwert hoch erhoben hatte und seinen Gefolgsleuten voranpreschte. Wind kam auf und blies dem jüngsten Prinzen Sand ins Gesicht, doch er rührte sich nicht von der Stelle. Da fing das Schwert in seinen Händen an zu singen, und eine eigenartige Melodie ging von ihm aus, die zugleich sanft und traurig war.

Und auf einmal fiel alle Wildheit von den Soldaten ab und der Bruder schaute verwundert sein Sturmschwert an, das alle Macht verloren hatte und stumpf und kalt in seinen Händen lag. Einer nach dem anderen stiegen die Soldaten ab und verneigten sich vor dem jüngsten Prinzen, als hätten sie in ihm ihren wahren Herrscher erkannt. Und auch sein Bruder, der wieder er selbst geworden war, warf das Sturmschwert fort und verneigte sich vor ihm.

"Fortan sollst du unser König sein, und es würde mich glücklich machen, wenn du mir erlaubst, dir zu dienen", sagte er. Da nahm der jüngste Prinz das singende Schwert und führte sie nach Hause zurück, wo er für alle eine besonders köstliche Hafergrütze zubereiten ließ.


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SÜSSE HAFERGRÜTZE
(Zutaten für 2 Personen)

300 g zarte Haferflocken
ca. 500 ml Milch
1 EL Butter oder Margarine
2-3 EL Zucker
1 Prise Salz
evtl. 2 reife Pfirsiche oder Bananen


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Die Milch mit der Butter, dem Zucker und dem Salz in einen Topf geben. Die Haferflocken hineingeben und alles zusammen unter Rühren zum Kochen bringen. Wenn die Hafergrütze abkühlt, wird sie meist noch etwas dicker. Mit der Milchmenge läßt sich die Konsistenz leicht regulieren. Zum Schluß evtl. noch Pfirsich- oder Bananenstückchen unterrühren.

Tip: Die Hafergrütze läßt sich auf viele Arten variieren. Beispielsweise kann man sie mit gerösteten Mandelblättchen oder Schokostreuseln bestreuen, man kann sie mit Zimt oder Vanillinzucker abschmecken, Rosinen und Haselnüsse untermischen oder sie statt mit Zucker mit Ahornsirup süßen.


Erstveröffentlichung am 18.02.1998

1. Juni 2007