Schattenblick →INFOPOOL →UNTERHALTUNG → REISEN

BERICHT/093: Städteporträt - Nizza, eine Perle der Adria-Küste (Irene und Gerhard Feldbauer)


Nizza, eine Perle der Adria-Küste

Von Irene und Gerhard Feldbauer


In der zweiten Januarhälfte ergab sich für uns die Gelegenheit, zwei Tage Nizza, diese Perle der Adria an der französischen Südküste etwas kennen zu lernen. Während es in weiten Teilen Deutschlands schneite, schlenderten wir bei Temperaturen etwas über 12 Grad plus durch das gewaltige Häusermeer der traditionsreichen Stadt, die in einer bezaubernden Südlage zwischen den Tälern und Ausläufern der Seealpen liegt. Obwohl Nice, was man aus dem Französischen mit Nische übersetzt, heute eine 400.000 Einwohner-Stadt ist, hat sie mit ihrem historischen Kern nichts von dem Image eines der schillerndsten Orte der französischen Mittelmeerküste verloren.

Enge, quirlige Gassen gehen in breite Boulevards über, gesäumt von bewundernswerten Barockpalästen und Bauten moderner Architektur. Die Altstadt bietet im typisch südländischen Flair urige Restaurants und Märkte. Einer der Anziehungspunkte ist der Cours Saleya, der große Blumen- und Gemüsemarkt.


Des Anglais - die berühmteste Strandpromenade der Welt

Die von Engländern im 19. Jahrhundert angelegte Promenade Des Anglais gilt als die berühmteste Strandpromenade der Welt. Sie beginnt im Westen am Flughafen und zieht sich die ganze Stadt entlang bis zum alten Hafen. Man kann sie in zwei Stunden passieren, aber auch einen ganzen Tag auf ihr verbringen, und noch weitere, wenn man einen richtigen Urlaub in Nice verbringt. Fast an jeder Ecke ist durch die Häuser das blaue Meer zu sehen, dessen von einer weiten Bucht eingesäumter Strand meist kaum zehn Minuten entfernt ist. Beim Stadtbummel wechseln sich die zahlreichen Museen mit modernen Geschäften ab. Dass alles ist eine kaum woanders zu findende Kombination von Kultur und Geschichte mit moderner Großstadt, die Nizza Jahr für Jahr zum Magnet für Millionen Touristen macht, wozu natürlich die vielseitigen Shopping-Möglichkeiten das ihre dazu beitragen.


Museen für Chagal über Matisse bis Boudin und Monet

Vor allem als Kurort bekannt ist Nizza dennoch erstaunlich industriell entwickelt. Es verfügt über einen breitflächig angelegten Flughafen, den zweitwichtigsten Frankreichs, ist ein Verkehrsknotenpunkt, besitzt einen kleinen Hafen und ist Sitz einer internationalen Handelskammer. Der Handel erstreckt sich auf Gemüse, Obst, Blumen und Ätherische Öle; Parfüm, Seifen- Öl-, Textil-, Möbel-, Papier-, Schokoladen- und die Spirituosenindustrie. Nizza ist auch die Stadt mit der größten Zahl von Hotels und den meisten Touristen. Von fast jedem Hotel aus erreicht man innerhalb weniger Minuten den Strand. Auch gibt es keine Stadt in Frankreich außer Paris, die mehr Museen und Galerien hat als Nizza. Von den über 20 seien einige wenige erwähnt: Das Musée Marc Chagal, in dem u. a. über ein Dutzend große Ölgemälde des Meisters mit den Themen zur biblischen Geschichte zu sehen sind; das Musée Matisse, das dank großzügiger Schenkungen der Familie einen weltweit einmaligen Überblick über die Werke des Meisters gibt; das Musée Raoul Dufy das dem von Cézanne geprägten 1877 in Le Havre geborenen Maler gewidmet ist, der den größten Teil seines Lebens in Nizza verbrachte und so viele Motive der Stadt als Ölbilder oder Aquarelle schuf. Nicht zu vergessen das Museum für Moderne Kunst, errichtet von Yves Bayard als ein Marmor- und Glaspalast, und das Museum der Schönen Künste. 1925 im Stile der Belle Epoque errichtet, zeigt es u. a. Gemälde von den Impressionisten Boudin, Degas, Monet und Sisley sowie Skulpturen von Rodin und Carpeau.


Geburtsstadt von Giuseppe Garibaldi

Der historisch interessierte Besucher stößt auf die wechselvolle Geschichte der Stadt, die als Grafschaft Nizza zusammen mit dem Herzogtum Savoyen bis 1860/61 zum Königreich Sardinien-Piemont Italiens gehörte. In Nizza wurde 1807 der legendäre italienische Freiheitskämpfer und Nationalheld Garibaldi geboren. Viele Italiener denken noch heute mit Wehmut daran zurück, dass ausgerechnet seine Geburtsstadt im Ergebnis der Erfolge im Unabhängigkeitskrieg gegen Österreich und der Proklamation des Königreichs Italien an Frankreich abgetreten wurde, als Kontribution für die Hilfe Napoleons III. beim Sieg über die Habsburger. So wurde Nizza Kapitale des französischen Departement Alpes-Maritimes, und wird auch gern noch Hauptstadt der Côte d'Azur genannt. Das aber hören die Monegassen gar nicht gern. Ihr Fürstentum Monaco liegt zwar mitten im Alpe-Maritime Departement und ist nur zum Mittelmeer offen, aber die kaum 25.000 Einwohner (davon nur etwa 3.000 Staatsangehörige) des 1,57 km² kleinen Stadtstaates pochen auf ihre eigene Hauptstadt Monaco.


Eine der ältesten bekannten Siedlungen der Menschheit

Nizza ist eine der ältesten bekannten Siedlungen der Menschheit. Seine Geschichte beginnt nicht erst mit der Zeit der Römer oder der Griechen, sondern reicht nach bisherigen Erkenntnissen etwa eine Million Jahre zurück. Im Osten der Stadt, westlich des Mont Alban und Mont Baron fand man Spuren von Siedlungsstätten, die exakt so alt sind. Andere Funde belegen ebenfalls, dass Nizza schon vor Hunderttausend und noch mehr Jahren besiedelt war.

Wer sich für die eigentliche Stadtgeschichte interessiert, kann bei den griechischen Phökäern beginnen, die nach der Gründung von Marseille ein Jahrhundert später, etwa um 500 vor unserer Zeitrechnung, eine Nikaia genannte Handelsniederlassung einrichteten. Erst etwa 150 v. u. Z. kamen dann die Römer ins Land und gründeten eine Nachbarstadt Cimiez (lateinisch Cemenelum), die schon bald Tausende Einwohner und mehr zählte. Heute ist das antike Cimiez ein Stadtteil von Nizza, wo Spuren aus der Römerzeit wie ein Amphitheater zu besichtigen sind. Genau dort, wo die Archäologen die Überreste der ersten Siedlung von Nizza ausgegraben haben, ist das Musée Terra Amata eingerichtet worden. In diesem Prähistorischen Museum kann sich der Besucher am besten einen Überblick über die Ausgrabungen verschaffen und auch die Rekonstruktion der Grotte von Mont Boron sehen. Ergänzend zeigt ein Parc des Miniatures auf einem etwa 3 ha großen Gelände mit Brunnen, Wasserfällen und Seen anhand von rund 300 Modellen die wichtigsten Stationen der langen Geschichte Nizzas.

Nizza überlebte die Wirren der Völkerwanderung und wurde im Mittelalter unter der schützenden Umgebung der Berge ein gut zu verteidigender Stützpunkt der Handelsleute. Auf die Stadt wirkten der in den norditalienischen Stadtstaaten Venedig, Florenz, Mailand und Genua aufblühende Humanismus und die Renaissance ein. Dort florierender Handel und Gewerbe (Tuchindustrie) aber auch die Kultur (Dante, Boccaccio, Michelangelo, Leonardo da Vinci, Tizian und viele andere) führten dazu, dass die Stadtväter mit Frankreich brachen und sich der Grafschaft von Savoyen Italiens anschlossen. Die Hoffungen der Nizzaer, vom wirtschaftlichen Aufschwung Italiens zu profitieren, erfüllten sich jedoch nicht. Italien bevorzugte den näher liegenden Hafen Genua. Obendrein geriet Nizza in die Auseinandersetzungen, die Österreich und Frankreich um die Beherrschung des Mittelmeerlandes führten. Mehrmals wechselte die Stadt in kriegerischen Konflikten den Besitzer. Vor allem Le "Roi Soleil" (König von 1643-1715) suchte Nizza zu einer Festung seiner Eroberungszüge auszubauen, scheiterte aber. Als Folge der Feldzüge sind nur wenige antike und mittelalterliche Monumente und Bauten erhalten geblieben. Erst mit der Rückkehr 1860/61 zu Frankreich setzte der Aufschwung zum größten Wirtschaftszentrum der Côte d'Azur ein. Parallel stieg die malerische Adriastadt auch zu einer der größten Touristenmetropolen Südeuropas auf. Diesen Anspruch behält Nizza noch heute, auch wenn ihm im 20. Jahrhundert Cannes als Anziehungspunkt des Nobeltourismus etwas den Rang ablief.

Neben ihrer Sonnenseite hat Nizza auch eine, auf der Schatten liegen. Wie in unzähligen Metropolen des Tourismus zieht auch sie die Kriminalität an. Vom Taschendiebstahl bis zum organisierten Verbrechen soll hier alles beheimatet sein. Sogar einen Bürgermeister hatte die Stadt, der so korrupt war, dass er Hals über Kopf nach Lateinamerika floh. In den Hotels werden die Damen darauf hingewiesen, ihre Handtaschen fest im Griff zu haben, die Herren, die Brieftasche per Handauflegen zu sichern. In der Stadt sind viele parkende Fahrzeuge mit einem Lenkradbügel zusätzlich gegen Autodiebe gesichert.


*


Quelle:
© 2012 by Irene und Gerhard Feldbauer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Januar 2012